An den folgenden Tagen lebte ich wie im Traum. Alle Farben leuchteten stärker als je zuvor, die Sonne strahlte heller, die Dunkelheit der Nächte erschien mir warm und weich. Ich war wie berauscht und versuchte sogar Gedichte zu schreiben. Wir trafen uns im Minervatempel und taten, als betrachteten wir die Gemälde und Skulpturen der griechischen Meister.
Poppaea Sabina sagte mir, daß sie mit ihrem Gatten gesprochen habe. Crispinus sei mit der Scheidung einverstanden, sofern man ihm eine angemessene Entschädigung zahle. Mit hinreißend klarer Vernunft bewies mir Poppaea, daß es besser sei, das Geld Crispinus zu geben, als es für die Advokaten hinauszuwerfen und gegenseitige Beschuldigungen zu erfinden, die dann wieder bewiesen werden müßten und letzten Endes nur zu einem öffentlichen Skandal führen würden.
Der bloße Gedanke, daß sie noch mehr Geld von mir annehmen sollte, entsetzte sie jedoch. Sie hatte ja noch kostbaren Schmuck, den sie verkaufen könnte, sagte sie. Es handelte sich zwar um Familienerbstücke, die ihr teuer waren, aber noch teurer war ihr die Freiheit.
Ich schämte mich förmlich, als ich Poppaea dennoch zwang, eine Zahlungsanweisung auf meinen Bankier anzunehmen. Nun brauchte also nur noch Neros Zustimmung zur Auflösung der Ehe eingeholt zu werden, die er als oberster Pontifex jederzeit geben konnte, denn dieses Amt stand ihm zu, wenn er es auch nicht ausüben wollte, weil, wie er sagte, die religiösen Pflichten seine ohnehin schwere Arbeitslast vollends unerträglich gemacht hätten.
Ich fürchtete etwas zu verderben, wenn ich selbst mit Nero sprach, denn er hätte mich unlauterer Absichten verdächtigen können, da ich ja selbst nach der längeren Formel getraut war. Außerdem hatte Nero des öfteren spöttisch bemerkt, es sei besser, wenn ich mich an die Angelegenheiten des Tiergartens hielte, auf die ich mich verstünde, und mich nicht in Gespräche über Philosophie oder Musik einmischte, und das grämte mich.
Ich suchte nach einem Mittelsmann und verfiel zuletzt auf Otho, der Neros bester Freund war und so viel Geld und Einfluß hatte, daß er es wagte, mit ihm zu streiten, wenn es ihm dafürstand. Otho tat sich einiges auf seine zarte, glatte Gesichtshaut zugute, die er sorgsam pflegte, und das gab mir Gelegenheit, eines Tages ganz beiläufig zu erwähnen, daß ich eine Frau kannte, die ihre empfindliche Haut mit Eselsmilch behandelte.
Otho zeigte sich sofort interessiert und sagte mir, daß er selbst sich auch manchmal, nach durchwachten Nächten und Zechgelagen, das Gesicht mit Weizenbrot abrieb, das er in Milch aufweichte. Ich berichtete ihm im Vertrauen von Poppaea Sabina und ihrer unglücklichen Ehe. Er wollte sie selbstverständlich selbst kennenlernen, bevor er mit Nero über sie sprach.
Und ich Dummkopf führte Poppaea in Othos prachtvolles Haus. Ihre Schönheit, ihre Zurückhaltung und ihre schimmernde Haut machten einen solchen Eindruck auf ihn, daß er sich gern bereit erklärte, ihr Fürsprecher bei Nero zu sein. Zu diesem Zweck aber mußte er natürlich alle Umstände genau kennen.
Daher fragte er Poppaea freundlich lächelnd nach allen Einzelheiten ihrer Ehe aus, und als er bemerkte, daß ich verlegen wurde und nicht wußte, wohin ich blicken sollte, meinte er taktvoll, ich sollte mich vielleicht besser entfernen. Das tat ich gern, denn ich sah ein, daß die scheue Poppaea über derlei Dinge am liebsten ohne Zuhörer mit dem erfahrenen, verständnisvollen Otho sprach.
Sie berieten hinter verschlossenen Türen bis spät am Nachmittag. Zuletzt kam Poppaea wieder zu mir heraus, nahm mich an der Hand und schlug die rauchgrauen Augen scheu nieder. Otho dankte mir dafür, daß ich ihn mit einer so bezaubernden Frau bekannt gemacht hatte, und versprach, sein Bestes zu tun, um die Scheidung zu erwirken. Poppaea hatte bei dem Gespräch mit ihm rote Flecke auf ihrem weißen Hals bekommen – so empfindlich war ihre Haut.
Otho hielt sein Versprechen. Nero löste in Gegenwart zweier Richter und gestützt auf gewisse Dokumente, die man ihm vorgelegt hatte, die Ehe zwischen Poppaea und Crispinus auf. Poppaea durfte ihren Sohn behalten, und Otho vermählte sich mit ihr einige Wochen später in aller Stille, ohne die üblichen neun Monate abzuwarten. Ich wollte es zuerst nicht glauben, als ich es erfuhr. Mir war, als stürzte der Himmel auf mich nieder, vor meinen Augen wurde es dunkel, und ich bekam so heftige Kopfschmerzen, daß ich mich mehrere Tage in einen dunklen Raum einschließen mußte.
Als ich wieder Herr meiner Sinne war, verbrannte ich die Gedichte auf dem Hausaltar und beschloß, nie wieder welche zu schreiben. Diesem Vorsatz bin ich auch treu geblieben. Ich konnte Otho keine Vorwürfe machen, denn ich kannte Poppaeas Zauber selbst nur zu gut. Ich hatte nur geglaubt, Otho, der wegen seiner zahllosen Liebeshändel mit Frauen und Jünglingen berüchtigt war, könne sich niemals in eine so schüchterne, unerfahrene Frau wie Poppaea verlieben. Doch vielleicht wollte er sein Leben ändern. Vielleicht konnte die sittsame Poppaea einen günstigen Einfluß auf sein verderbtes Gemüt ausüben.
Ich bekam eine Einladung zur Hochzeit von Poppaeas eigener Hand und sandte im voraus als Hochzeitsgabe einen Satz silberner Trinkgefäße, die schönsten, die ich fand. Auf dem Fest selbst glich ich wohl einem Schatten aus der Unterwelt und trank mehr als gewöhnlich, und zuletzt sagte ich zu Poppaea, während mir die Tränen aus den Augen stürzten, ich selbst hätte vielleicht auch die Scheidung bewilligt bekommen.
»O Minutus, warum hast du das aber auch mit keinem Wort angedeutet!« rief Poppaea wehmütig aus. »Aber nein, das hätte ich Flavia Sabina nie antun können. Otho hat natürlich seine Fehler. Er ist ein wenig weibisch und zieht beim Gehen das eine Bein nach, während man dein Hinken kaum bemerkt. Er hat mir aber fest versprochen, daß er sich bessern und die schlechten Freunde verlassen will, die ihn zu gewissen Lastern verführt haben, über die ich mit dir nicht einmal sprechen kann. Der arme Otho ist so feinfühlig und läßt sich so leicht von anderen beeindrucken, aber ich hoffe, mein Einfluß wird einen neuen Menschen aus ihm machen.«
»Und außerdem ist er reicher als ich, aus uraltem Geschlecht und der engste Vertraute des Kaisers«, sagte ich ohne meine Bitterkeit zu verbergen.
Poppaea sah mich tadelnd an und flüsterte mit zitternden Lippen: »So schlecht denkst du von mir, Minutus? Ich dachte, du habest verstanden, daß mir Name und Reichtum nichts bedeuten, wenn ich mich für jemanden entscheide. Ich blicke ja auch nicht auf dich herab, obwohl du nur Tiergartenvorsteher bist.«
Sie war so gekränkt und so schön, daß ich ihr nicht länger böse sein konnte und sie um Vergebung bat. Otho war eine Zeitlang wie verwandelt. Er hielt sich Neros Gelagen fern, und wenn er wirklich erschien, weil Nero nach ihm geschickt hatte, verabschiedete er sich früh und sagte, er könne seine schöne Gattin nicht so lange warten lassen. Von Poppaeas Schönheit und Liebeskunst sprach er so offenherzig, daß Nero immer neugieriger wurde und Otho schließlich bat, seine junge Frau ins Palatium mitzubringen.
Otho erwiderte darauf, Poppaea sei zu scheu und zu stolz. Er fand noch andere Ausflüchte und sagte dann wieder, nicht einmal Venus selbst könne, als sie aus dem Meerschaum geboren wurde, schöner gewesen sein als Poppaea, wenn sie des Morgens ihr Bad in Eselsmilch nahm. Otho hatte einen ganzen Stall voll Eselinnen angeschafft, die für sie gemolken wurden. Sie pflegten beide mit gleicher Hingabe ihre zarte Haut, sofern ihnen die Liebe dafür Zeit ließ.
Ich litt solche Eifersuchtsqualen, daß ich alle Zusammenkünfte mied, bei denen ich Otho hätte antreffen können. Meine Freunde verspotteten mich wegen meiner finsteren Miene, aber allmählich tröstete ich mich mit dem Gedanken, daß ich Poppaea, wenn ich sie wirklich liebte, nur das Beste wünschen durfte, und zumindest dem äußeren Anschein nach hatte sie die günstigste Partie gemacht, die in Rom überhaupt möglich war. Sabina aber war mir fremder geworden denn je zuvor. Wir konnten nicht mehr zusammen sein, ohne zu streiten, und ich begann ernstlich die Scheidung zu erwägen, obwohl ich wußte, daß ich mir dadurch den Haß des ganzen flavischen Geschlechts zuziehen mußte. Ich vermochte mir allerdings die herbe, schroffe Sabina nicht recht als Ehebrecherin vorzustellen, zumal sie mich deutlich genug merken ließ, daß ich ihr einen tiefen Abscheu gegen die Freuden des Bettes eingeflößt hatte.
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