»Sie ist nicht meine Sabina, wenn wir auch nach der längeren Formel getraut sind«, sagte ich bitter. »Sie ist eher die Sabina der Löwen und der Tierbändiger. Sie kennt keine Scham, ihre Lieblingsgesellschaft ist nicht anständig, und ihre Sprache wird von Jahr zu Jahr gröber.«
»Vergiß nicht, daß wir miteinander verwandt sind, sie und ich«, mahnte mich Poppaea Sabina. »Aber abgesehen davon bin ich nicht die einzige Frau in Rom, die sich darüber wundert, daß ein fein empfindender Mann wie du sich ausgerechnet Sabina ausgesucht hat, obwohl er andere hätte haben können.«
Ich wies mit finsterer Miene auf meine Umgebung und deutete an, daß es noch mehr Gründe für eine Ehe gebe als nur gegenseitige Zuneigung. Flavia Sabinas Vater war Präfekt von Rom, und ihr Onkel hatte das Triumphrecht. Ich weiß nicht, wie es kam, aber Poppaeas scheue Gegenwart erregte mich, und ich begann von diesem und jenem zu plaudern. Es dauerte nicht lang, und Poppaea gestand mir errötend, wie sehr sie unter der Ehe mit einem eitlen Prätorianerzenturio litt.
»Von einem wirklichen Mann verlangt man ja mehr als nur ein hochfahrendes Wesen, einen blinkenden Brustharnisch und einen roten Helmbusch«, sagte sie beziehungsvoll. »Ich war ein unschuldiges Kind, als ich mit ihm vermählt wurde. Ich bin, wie du siehst, sehr zart, und meine Haut ist so empfindlich, daß ich mein Gesicht jeden Tag mit in Eselsmilch getunktem Weizenbrot behandeln muß.«
Ganz so zart, wie sie behauptete, war sie auch wieder nicht; das fühlte ich, als sie, ohne es zu bemerken, ihre eine Brust in meine Armbeuge drückte. Ihre Haut war so strahlend weiß, daß ich dergleichen nie zuvor gesehen hatte. Ich wußte nicht, womit ich sie vergleichen sollte, denn ich bin kein Dichter. Ich murmelte etwas von Gold und Elfenbein, aber ich glaube, daß mein Blick deutlicher als alles andere ausdrückte, wie sehr mich ihre junge Schönheit bezauberte.
Wir konnten nicht so lange miteinander plaudern, wie ich gern gewollt hätte, da ich meinen Pflichten als Schwiegersohn nachkommen mußte. Ich tat es jedoch zerstreut und vermochte an nichts anderes zu denken als an Poppaeas rauchgraue Augen und schimmernde Haut, und als ich die Schutzgeister des Hauses anrief und die uralten Beschwörungen hersagte, geriet ich ins Stottern.
Zuletzt zog mich meine Gattin Sabina beiseite und sagte spitz: »Du hast ganz glasige Augen und ein rotes Gesicht, dabei ist doch fast noch gar kein Wein getrunken worden. Laß dich nicht von Poppaea umgarnen. Sie ist eine berechnende kleine Hündin. Sie hat freilich ihren Preis, aber ich fürchte, der ist zu hoch für einen Dummkopf wie dich.«
Ich nahm ihr diese Worte sehr übel, denn Poppaea war so bescheiden, und ihr Benehmen war so unschuldsvoll, daß man sich unmöglich täuschen konnte. Zugleich aber erregte mich Sabinas gehässige Behauptung und weckte in mir den Gedanken, daß ich vielleicht gewisse Möglichkeiten hätte, wenn es mir nur gelänge, mich Poppaea behutsam und taktvoll genug zu nähern.
Als ich mich für eine Weile meiner Pflichten entledigt hatte, knüpfte ich daher ein neues Gespräch mit ihr an, was nicht schwer war, da die anderen Frauen ihre Gesellschaft offenbar mieden. Die Männer ihrerseits hatten sich um den Ehrengast versammelt, der, ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, von seinen Kriegserlebnissen in Britannien berichtete.
Meinen verblendeten Augen erschien Poppaea wie ein kleines verlassenes Mädchen, so stolz sie auch ihren blonden Kopf in die Höhe reckte. Eine große Zärtlichkeit ergriff mich. Als ich aber wie unbeabsichtigt ihren nackten Arm berührte, fuhr sie auf, rückte ein Stück von mir ab und sah mich an mit einem Blick, in dem sich die tiefste Enttäuschung spiegelte.
»Willst du nur das, Minutus?« flüsterte sie. »Bist du gleich wie alle anderen Männer, obwohl ich hoffte, in dir einen Freund zu finden? Verstehst du nun, warum ich lieber mein Gesicht hinter einem Schleier verberge, als daß ich es allen lüsternen Blicken aussetze? Denk daran, daß ich verheiratet bin. Nur wenn ich die Scheidung bekäme, könnte ich mich frei fühlen.«
Ich verwahrte mich gegen ihre Verwürfe und versicherte, ich würde mir lieber die Pulsadern öffnen, als sie kränken. Sie bekam feuchte Augen und lehnte sich gegen mich, so daß ich ihre Wärme spürte. Ihren weiteren Worten entnahm ich, daß sie kein Geld für einen Scheidungsprozeß hatte und daß ihre Ehe eigentlich nur durch den Kaiser selbst aufgelöst werden konnte, da sie Patrizierin war. Sie kannte jedoch nicht genug einflußreiche Personen im Palast, um ihre Angelegenheit Nero vortragen zu lassen.
»Ich habe die ganze Gemeinheit der Männer erfahren müssen«, sagte sie. »Wenn ich mich an einen Fremden wende und um Hilfe bitte, versucht er nur, meine Wehrlosigkeit auszunützen. Hätte ich nur einen einzigen wahren Freund, der sich mit meiner ewigen Dankbarkeit begnügte, ohne Dinge von mir zu verlangen, die zu gewähren meine Schamhaftigkeit mir verbietet!«
Das Ende vom Lied war, daß ich sie vom Fest nach Hause begleitete. Ihr Gatte Crispinus erlaubte es mir gern, um selbst in Ruhe und Frieden weitertrinken zu können. Die beiden waren so arm, daß sie nicht einmal eine eigene Sänfte besaßen. Ich bot Poppaea die meine an. Sie zögerte zuerst, setzte sich dann aber neben mich, so daß ich während des ganzen Weges ihre Nähe fühlte.
Wir ließen uns jedoch nicht gleich zum Prätorianerlager tragen, denn die Nacht war schön und sternenklar, und Poppaea verspürte ebensowenig Sehnsucht nach dem Schweißgeruch des Lagers wie ich nach dem Gestank des Tiergartens. Zuerst genossen wir vom nächsten Hügel die Aussicht über den erleuchteten Markt, und kurz darauf befanden wir uns auf einmal in meinem Haus auf dem Aventin, weil Poppaea Tante Laelia nach irgend etwas fragen wollte, was ihren armen Vater betraf. Tante Laelia war natürlich schon schlafen gegangen, und Poppaea brachte es nicht über sich, sie wecken zu lassen. Wir waren also allein und tranken ein wenig Wein, während wir zusahen, wie über dem Palatin der Morgen heraufzog. Und wir träumten, wie es sein könnte, wenn sie und ich frei wären.
Poppaea lehnte sich vertrauensvoll gegen mich und gestand mir, daß sie sich schon immer nach einer reinen, selbstlosen Freundschaft gesehnt und sie nie gefunden habe. Nachdem ich sie recht herzlich gebeten hatte, erlaubte sie mir, ihr eine ansehnliche Summe zu leihen, damit sie die Scheidung einreichen konnte.
Um ihr Mut zu machen, erzählte ich ihr von Neros seltener Menschenfreundlichkeit, seinem Edelmut gegenüber seinen Freunden und noch so manchen anderen Eigenschaften, denn Poppaea war nach Frauenart neugierig und noch nie selbst mit Nero zusammengetroffen. Auch von Acte erzählte ich ihr, von ihrer Schönheit und ihrem untadeligen Auftreten, und von anderen Frauen, mit denen Nero zu tun gehabt hatte. Ich versicherte ihr, daß Nero seine Ehe mit Octavia noch nicht vollzogen hatte, da sie ihm sowohl als die Schwester des Britannicus wie auch als seine eigene Halbschwester zuwider war.
Poppaea Sabina verstand es, mir zu schmeicheln, und verleitete mich durch so geschickte Fragen dazu, immer mehr zu erzählen, daß ich ihren Verstand nicht minder als ihre Schönheit zu bewundern begann. Es dünkte mich erstaunlich, daß eine so liebliche, empfindsame Frau, die schon einen Sohn geboren hatte, noch immer wie ein unberührtes Mädchen wirken und in ihrer Unverderbtheit tiefen Widerwillen gegen die Laster des Hofes fühlen konnte, und ich bewunderte sie darum nur noch um so mehr. Je deutlicher ich ahnte, wie unnahbar sie war, desto begehrenswerter wurde sie für mich.
Als wir uns bei Sonnenaufgang, kurz bevor die Hörner erklangen, trennten, erlaubte sie mir, ihr einen Freundschaftskuß zu geben, und als ich ihre weichen Lippen unter den meinen schmelzen fühlte, ergriff mich ein solches Entzücken, daß ich schwor, alles zu tun, was in meiner Macht stand, um sie aus ihrer unwürdigen Ehe zu befreien.
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