Plötzlich verstummten sie und rückten ein wenig zur Seite. Ich sah Lugunda auf mich zukommen. Sie blieb stehen, legte den Kopf schräg und sagte höhnisch: »Ein Römer liegt gedemütigt und hilflos auf der Erde. Ich genieße diesen Anblick und hätte beinahe Lust, deine Haut und dein Fleisch ein wenig mit der Messerspitze zu versuchen, wenn es mir nicht verboten wäre, mich mit Menschenblut zu besudeln.«
Sie schnitt eine häßliche Fratze und streckte mir die Zunge heraus. Dann aber redete sie besänftigend auf die jungen Briten ein, die sie alle beim Namen nannte, und sagte: »Tötet ihn lieber nicht. Sein Blut würde nach neuem Blut schreien. Schneidet mir eine Rute aus Birkenreisern, dreht ihn auf den Bauch und haltet ihn gut fest, dann will ich euch zeigen, wie man mit Römern umgeht.«
Die Burschen waren froh, daß sie sich nicht mehr selbst auszudenken brauchten, was sie mit mir anfangen sollten. Sie schnitten Birkenzweige und rissen mir das Gewand vom Leibe. Lugunda trat dicht neben mich und versetzte mir mit der Rute einen vorsichtigen, gleichsam prüfenden Hieb auf den Rücken. Dann schlug sie unbarmherzig und mit aller Kraft auf mich ein. Ich biß die Zähne zusammen und gab keinen Laut von mir, was sie erst recht zur Raserei brachte. Sie peitschte mich, daß mein ganzer Körper zuckte und mir vor Schmerz die Tränen in die Augen sprangen.
Als ihre Arme endlich erlahmten, warf sie die Rute fort und rief: »So, nun sind wir quitt, Römer.«
Die mich festhielten, ließen mich los und traten aus Angst, ich könnte mich auf sie stürzen, mit erhobenen Fäusten zurück. Mein Schädel dröhnte, ich blutete aus der Nase, und mein Rücken war ein einziges Feuer, aber ich schwieg und leckte mir nur das Blut von den Lippen. Dennoch hatte ich etwas an mir, was die Briten erschreckte, denn sie verspotteten mich nicht mehr, sondern machten mir Platz. Ich hob mein zerrissenes Gewand vom Boden auf und ging, doch nicht auf das Haus zu, sondern aufs Geratewohl in den vom Mondlicht erhellten Wald hinein, und im Gehen dachte ich dunkel, daß es für uns alle das beste war, wenn niemand etwas von meiner Schmach erfuhr. Weit kam ich jedoch nicht. Ich begann bald zu stolpern und sank schließlich auf einen kühlen Mooshügel nieder. Eine Weile später löschten die Briten ihr Feuer. Ich hörte sie nach ihren Gespannen pfeifen und im Galopp davonfahren, daß der Boden unter den Rädern donnerte.
Der Mond schien gespenstisch hell, und unheimlich tief waren die Schatten des Waldes. Ich wischte mir mit einer Handvoll Moos das Blut aus dem Gesicht, rief meinen Löwen und sagte zu ihm: »Wenn du da bist, Löwe, so brülle und stürze ihnen nach, sonst glaube ich nicht mehr an dich.«
Aber ich sah nicht einmal den Schatten eines Löwen. Ich war allein, bis auf einmal Lugunda geschlichen kam. Sie duckte sich unter den Zweigen hindurch und suchte nach mir. Ihr Gesicht war im Mondlicht ganz weiß. Als sie mich entdeckt hatte, trat sie zu mir, legte mir die Hände auf den Rücken und fragte: »Wie geht es dir, und hat es sehr weh getan? Es ist dir recht geschehen!«
Eine wilde Lust packte mich, die Hände um ihren schlanken Hals zu klammern und sie zu Boden zu werfen und sie zu peinigen, wie ich selbst gepeinigt worden war. Ich beherrschte mich jedoch, weil ich einsah, daß das nun niemandem mehr nützte, und fragte sie nur: »Ist das alles auf deinen Befehl geschehen, Lugunda?«
»Glaubst du, sie hätten es sonst gewagt, sich an einem Römer zu vergreifen?« fragte sie mich statt einer Antwort.
Dann kniete sie neugierig neben mir nieder, tastete ohne Scham meinen Leib ab, bevor ich sie daran hindern konnte, und fragte besorgt: »Sie haben dir doch nicht wirklich die Hoden zerquetscht? Es wäre schade, wenn du nicht mehr mit einem vornehmen römischen Mädchen Kinder zeugen könntest!«
Da vermochte ich mich nicht mehr zu beherrschen. Ich schlug sie auf beide Wangen, riß sie unter mich und drückte sie mit meinem Gewicht zu Boden, obwohl sie mit beiden Fäusten auf meine Schultern trommelte, mit den Beinen trat und mich in die Brust biß. Sie rief nicht um Hilfe. Plötzlich erlahmte ihr Widerstand, und sie nahm mich auf. Meine Lebenskraft ergoß sich in ihren Schoß, und ich empfand eine so heiße Wollust, daß ich laut stöhnte. Dann fühlte ich nur noch, wie sie meine Wangen zwischen ihren Händen hielt und mich unaufhörlich küßte. Erschrocken befreite ich mich aus ihrer Umarmung und setzte mich auf. Im gleichen Augenblick richtete sich auch Lugunda auf und begann zu lachen.
»Was ist nur mit uns geschehen?« fragte sie spöttisch.
Ich war so verstört, daß ich keine Antwort fand, und rief nur: »Du blutest ja!«
»Daß du das wenigstens bemerkt hast, du Dummkopf«, sagte sie verschämt, und als ich immer noch stumm dasaß, lachte sie wieder und sagte: »Petro riet es mir. Selbst wäre ich nie darauf gekommen. Es hat mir keine Freude gemacht, dich so erbarmungslos zu peitschen, aber Petro meinte, bei einem schüchternen, dickhäutigen Römer helfe kein anderes Mittel.«
Sie stand auf, nahm meine Hand und sagte: »Wir gehen zu Petro. Er hält gewiß Wein und einen Napf Mehl für uns bereit.«
»Was soll das heißen?« fragte ich mißtrauisch.
»Du hast mich ja mit Gewalt genommen, obwohl ich mich so lange wehrte, wie es mir meine Selbstachtung gebot«, antwortete Lugunda verwundert. »Willst du etwa, daß mein Vater das Schwert von der Wand nimmt und seine verlorene Ehre in deinen Eingeweiden sucht? Dazu hat er laut Gesetz das Recht, und es ist ein Gesetz, das sogar die Römer achten. Glaub mir, es ist das vernünftigste, wir lassen uns von Petro das Haar mit Mehl und Öl einreiben. Er kann mir aber auch nach römischer Sitte einen Ring auf den Finger stecken, wenn du unbedingt willst.«
»Du kannst nicht mit mir nach Rom gehen, Lugunda, ja nicht einmal nach Londinium!« rief ich bestürzt.
»Ich habe nicht die Absicht, dir nachzulaufen«, sagte Lugunda schroff. »Hab keine Angst. Du kannst zu mir zurückkehren, wenn du willst, aber ebensogut kann es geschehen, daß ich des Wartens müde werde, die Hochzeitsschale zerschlage und deinen Namen zu Asche verbrenne. Dann bin ich wieder frei und ledig. Sagt dir nicht deine eigene Vernunft, daß es besser für dich ist, dich nach den Sitten meines Volkes zu richten, als einen Skandal hervorzurufen, von dem man sogar in Rom sprechen wird? Weißt du, was es heißt, mitten im Frieden eine Hasenpriesterin zu schänden? Oder willst du etwa leugnen, daß du das getan hast? Du hast dich auf mich gestürzt wie ein wildes Tier und meinen Widerstand mit Gewalt gebrochen.«
»Du hättest um Hilfe rufen sollen«, sagte ich bitter. »Und du hättest mich nicht so schamlos an meiner empfindlichsten Stelle streicheln dürfen, als ich von den Mißhandlungen ohnehin schon von Sinnen war.«
»Ich war nur um dein Zeugungsvermögen besorgt«, log sie unbekümmert. »Und ich konnte doch nicht ahnen, daß eine leichte Berührung nach den Regeln der Liebeskunst dich gleich zur Raserei bringen werde.«
Meine aufrichtige Reue änderte nichts an dem Geschehenen. Wir gingen an einen Bach und wuschen uns sorgfältig, dann kehrten wir Hand in Hand zu der aus Pfählen errichteten Halle zurück, in der Lugundas Eltern uns schon ungeduldig erwarteten. Petro hatte aus Mehl und Öl einen Brei geknetet. Er strich uns diesen Brei aufs Haupt und gab uns Wein aus einer Tonschale zu trinken, die Lugundas Vater danach sorgsam in einer Truhe verwahrte. Dann führte uns dieser zu einem Hochzeitslager, stieß mich über Lugunda und deckte uns mit einem großen Lederschild zu.
Als die anderen die Hochzeitskammer taktvoll verlassen hatten, warf Lugunda den Schild auf den Boden und fragte mich demütig, ob ich ihr nun nicht in aller Zärtlichkeit und Freundschaft das tun wolle, was ich ihr in meinem wilden Zorn im Wald getan hatte. Der Schaden sei ja nun geschehen und nicht wiedergutzumachen.
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