Wilkie Collins - Antonia

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»Dieser Aufgabe habe ich mich geweiht, dem Umsturz dieses Götzendienstes, welcher sich mit seinen Bildern, Reliquien, Juwelen und seinem Golde gleich einem zweiten Heidenthume unter uns erhebt, will ich mein Kind, mein Leben, meine Kräfte und Habe weihen. Von diesem Versuche werde ich mich nie abwenden – vor diesem Entschlusse nie zurückweichen. So lange ich noch einen Hauch des Lebens besitze werde ich darauf beharren, dieser gottlosen Stadt die wahre Verehrung des Höchsten wiederzugeben!«

Er brach kurz ab. Die Fülle seiner Bewegung schien ihm plötzlich die Fähigkeit der Rede zu rauben. Jede Muskel im ganzen Körper jenes strengen, trüben Mannes bebte bei den unsterblichen Eingebungen seiner Seele. Es lag fast etwas Weibliches in seiner gänzlichen Hingebung an den Einfluß einer einzigen Empfindung. Selbst der rauhe, verzweifelte Gutsbesitzer fühlte Ehrfurcht vor dem Enthusiasmus des Wesens vor ihm und vergaß das ihm widerfahrene Unrecht, trotz seiner Furchtbarkeit, und sein Elend, so drückend es auch war, als er in das Gesicht seines Gefährten blickte.

Einige Minuten lang sprach Keiner von den Männern weiter ein Wort. Bald beschwichtigte jedoch der, welcher zuletzt gesprochen, seine Aufregung mit der Selbstbeherrschung eines Mannes, der gewohnt ist, die Bewegung, welche er nicht ersticken kann, zu unterdrücken, trat auf den Gutsbesitzer zu und ergriff trübe dessen Hand.

»Ich sehe, Probus, daß ich Dich überrascht habe,« sagte er, »aber die Kirche ist der einzige Gegenstand, über welchen ich keine Zurückhaltung besitze. In allen anderen Dingen habe ich die Hitze meiner frühem Jahre besiegt, in diesem muß ich immer noch mit meinem ungeberdigen Herzen kämpfen. Wenn ich auf die Betrügereien, welche um uns aufgeführt werden, blicke, wenn ich eine lügnerische Priesterschaft, ein getäuschtes Volk, eine befleckte Religion sehe, dann gestehe ich, daß die Entrüstung meine Geduld überwältigt, und ich da, wo ich nur zu verbessern hossen sollte, zu vernichten glühe.«

»Ich weiß, daß Deine Einbildungskraft stets höchst lebhaft war; als ich Dich aber das letzte Mal sah, war Dein Enthusiasmus der der Liebe, Dein Weib —«

»Frieden! sie hat mich betrogen.«

»Dein Kind —«

»Lebt bei mir in Rom.«

»Ich erinnere mich ihrer aus ihrer frühesten Jugend, als ich vor vierzehn Jahren Dein Nachbar in Gallien war. Bei meiner Abreise aus der Provinz warst Du so eben von einer Reise nach Italien zurückgekehrt und ohne Erfolg in Deinen Versuchen gewesen, dort eine Spur von Deinen Eltern oder dem älteren Bruder zu entdecken, dessen Abwesenheit von Dir Du beständig zu beklagen pflegtest. Sage mir, hast Du seit jener Periode die Mitglieder Deines vormaligen Haushalts entdeckt? Bisher bist Du so damit beschäftigt gewesen, die Geschichte des mir widerfahrenen Unrechtes anzuhören, daß Du kaum von den Veränderungen gesprochen hast, welche seit unserer letzten Begegnung in Deinem Leben vorgegangen sind.«

»Wenn ich in Bezug auf mich gegen Dich geschwiegen habe, Probus, so ist es deshalb geschehen, weil der Rückblick für mich wenig Anziehendes besitzt. So lange es noch in meiner Macht stand, zu den Eltern zurückzukehren, die ich in meinen Knabenjahren verlassen hatte, dachte ich nicht an Reue, und jetzt, wo sie nur zu gewiß für mich verloren sind, ist meine Sehnsucht nach ihnen nutzlos. Von meinem Bruder, den ich in einem Augenblicke kindischer Eifersucht und Erzürnung verließ und für dessen Verzeihung und Liebe ich selbst meinen Ehrgeiz opfern würde, habe ich noch keine Spur zu entdecken vermocht. Die Entschädigung Derjenigen, welche ich in meinen frühem Jahren verletzt habe, ist ein den Gebeten meines Alters versagtes Vorrecht. Ich schied ungesegnet von meinen Eltern und meinem Bruder und fühle, daß ich dazu bestimmt bin, zu sterben, ohne ihren Segen und ihre Verzeihung erhalten zu haben. Mein Leben ist leichtsinnig, nutzlos, gottlos gewesen, von Raub und Gewaltthat zu Ueppigkeit und Trägheit übergegangen und hat mich zu der Heirath geführt, in welcher ich triumphirte, als ich Dich das letzte Mal sah, die aber, wie ich jetzt fühle, in ihren Beweggründen meiner eben so unwürdig, wie in ihren Resultaten war. Aber gesegnet, dreifach gesegnet sei jenes letzte Unglück meiner gottlosen Existenz, denn es öffnete meine Augen der Wahrheit – es machte mich zu einem Christen, während ich noch das Leben hatte. Damals war es, Probus, als ich mich verlassen und entehrt sah, allein geblieben, um der Hüter meines hülflosen Kindes zu sein, auf ewig aus einem Vaterhause, dem ich selbst entsagt, verbannt, daß ich ernstlich meine Missethaten bereute, daß ich Weisheit in dem Buche des Heils und Lebensregeln bei den Vätern der Kirche suchte.

»Zu jener Zeit entschloß ich mich, mein Kind, wie Samue1 in alter Zeit, dem Dienste des Himmels und mich der Reformation unserer in den Staub gezogenen Religion zu weihen. Wie ich Dir schon erzählt habe, verließ ich meine Wohnstätte und veränderte meinen Namen, – erinnere Dich, daß Du mich von nun an nur Numerian nennen darfst – damit von meinem frühern Selbst keine Ueberbleibsel mehr vorhanden seien, damit mich von meinen frühern Genossen keiner je wieder entdecken und verlocken könne. Mit unablässiger Sorgfalt habe ich meine Tochter vor der Befleckung der Welt geschützt. Sie ist im Hause ihres Vaters bewacht und gehütet worden, wie. ein kostbares Juwel in der Hand eines Geizigen. Ihre Bestimmung ist es, die Bekümmerten zu trösten, die Kranken zu pflegen, den Unglücklichen beizustehem wenn ich ihr Lehrer, dem Lande die Herrschaft seines alten Glaubens und die Leitung seines fehlerlosen Evangeliums zurückgegeben habe. Wir Beide besitzen weder eine Neigung, noch eine Hoffnung, die uns an die Dinge dieser Erde binden kann. Unserer Beider Herzen blicken nach dem Himmel, unsere Hoffnungen sind nur nach Oben gerichtet.«

»Setzest Du nicht Deine Erwartungen zu fest auf Dein Kind? Erinnere Dich, wie die römischen Adeligen meine frühere Haushaltung vernichtet haben, und zittere für die Deine.«

»Für meine Tochter fürchte ich nichts. In meiner Abwesenheit behütet sie Einer, der das Gelübde gethan hat, mich in meinen Arbeiten für die Kirche zu unterstüßen. Es ist jetzt beinahe ein Jahr her, seit ich Ulpius getroffen, und seit jener Zeit hat er sich meinem Dienste geweiht und über mein Kind gewacht.«

»Wer ist der Ulpius, daß Du solches Vertrauen in ihn setztest?«

»Er ist ein Mann von demselben Alter wie ich. Ich fand ihn, gleich mir, von den Unglücksfällen seines frühern Lebens niedergebeugt und, wie einst auch ich, den Blendwerken der heidnischen Götter ergeben. Er war trostlos, leidend, einsam und ich hatte in seinem Unglück Mitleid für ihn. Ich bewies ihm, daß die Religion, zu welcher er sich noch bekannte, wegen ihrer Frevel aus dem Lande verbannt, daß die, welche ihr folgte, durch die Menschen verderbt worden war, und daß er nur einen Glauben wählen konnte, wenn er zum Heile gelangen wollte – den Glauben der ersten Kirche. Er hörte mich an und bekehrte sich. Seit jenem Augenblicke hat er mir geduldig gedient und bereitwillig beigestanden. Unter dem Dache, wo ich die Wenigen versammle, welche bis jetzt dem wahren Glauben ergeben sind, ist er der Erste, welcher kommt, und der Letzte, der da geht. Seinen Lippen ist noch kein Wort des Zornes entschlüpft, in seinen Augen noch kein Blick des Unmuthes erschienen. Wenn auch bekümmert, ist er doch sanft, wenn auch leidend, doch fleißig. Ich habe ihm Alles, was ich besitze, anvertraut und freue mich meiner Leichtgläubigkeit. Ulpius ist Unbestechlich!«

»Und Deine Tochter? – wird Ulpius von ihr eben so verehrt, wie Du ihn achtest?«

»Sie weiß, daß es ihre Pflicht ist, zu lieben, wen ich liebe, und zu vermeiden, wen ich vermeide. Kannst Du Dir vorstellen, daß eine christliche Jungfrau Gefühle besitzt, die gegen die Wünsche ihres Vaters laufen? Komm in mein Haus, urtheile mit eignen Augen über meine Tochter und meinen Genossen. Du, dem sein Unglück keine Heimath gelassen hat, sollst, wenn Du willst, bei mir eine finden. Komm also und arbeite mit mir an meinem großen Unternehmen. Du wirst Deinen Geist von der Betrachtung Deiner Schmerzen abziehen und durch Deine Hingebung die Gunst des Höchsten verdienen.«

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