Adolf Jens Koemeda - Masaryk

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Laura und Pavel. Zwei Welten prallen aufeinander, von der Grenze getrennt zwischen Tschechien und Deutschland. Verbindungsglied ist die gemeinsame Geschichte der Vorfahren. Kann eine solche Beziehung gelingen, wenn die Wurzeln zwar passen, aber die heutigen Lebenseinstellungen nicht?
Liebe ist an sich schon kompliziert, doch diese spielt vor dem Hintergrund der tschechischen Geschichte und kreist immer wieder um die charismatische Person des Republikgründers Masaryk, von vielen als Heiliger verehrt, in der heutigen Betrachtungsweise wohl zu Recht auch als Machtpolitiker in der Kritik. So entfaltet sich das Panorama der tschechischen Gründungsgeschichte, während im Vordergrund Laura und Pavel um ihre Beziehung kreisen – bis zur Katastrophe.

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Adolf Jens Koemeda

Masaryk

Roman

Impressum Münster Verlag Basel 2019 Alle Rechte vorbehalten Kein Teil - фото 1

Impressum

© Münster Verlag Basel 2019

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.

Umschlaggestaltung: Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Bern
Lektorat: Christine Krokauer, Würzburg
Gestaltung und Satz: Christoph Krokauer, Würzburg
Druck und Einband: CPI books GmbH, Ulm
Verwendete Schriften: Adobe Jenson Pro
Papier: Umschlag, 135g/m 2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m 2, Werkdruck holzfrei 1,75fach

ISBN 978-3-907146-26-2

eISBN 978-3-905896-50-3

Printed in Germany

www.muensterverlag.ch

Man muss viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiß, fragen zu können

Jean-Jacques Rousseau

Inhalt

Vorwort Vorwort «Masaryk» ist ein Füllhorn von spannenden Themen: Eine heutige böhmisch-bayerische Liebesgeschichte zwischen zwei komplexen Charakteren mit offenem Ausgang. Ost und West-Dissensen. Entscheidende Stationen der tschechischen Geschichte von der Republikgründung über Krieg und Sudetenfrage und den «Prager Frühling» bis zur Wende und über sie hinaus. Relativierung des Heiligen-Bildes des Republikgründers Masaryk mit Bezug auf einen auch aktuellen populären, erfolgreichen Politikertyp, der mit einer «Kunst der alternativen Wahrheit» seine Macht etabliert. Die Entstehung unseres Europas durch den Zerfall der Großmächte in kleine Nationalstaaten. Das liest sich anrührend, historisch interessant, wobei nichts behauptet, alles ins Dialogische gesetzt ist. Die erst zum Schluss klare Anrede-Komposition schafft Spannung. Würziges wie das eingestreute Schwyzerdüütsch und der genossene Likör Becherovka schaffen zusätzliche Leselust. Ein Buch, das in keiner Bibliothek eines Lesers mit böhmischen oder sudetendeutschen familiären Wurzeln fehlen sollte. Hermann Kinder Germanist Universität Konstanz

1Waidhaus – Rozvadov

2Vojtyn – das Grenzland

3Pavel – ein guter Junge

4Pavel ist wieder Solist

5Besuch in Hoff

6Im «Hirschen»

7Nach Žatec

8Die Stille von Vojtyn

9Im Gartenrestaurant

10Rübezahl

11«Blaues Tal» und deutsche Skelette

12Wieder in Pec

13Abgewiesen

14In Vojtyn

15Masaryk und Beneš

16Mamm will es wissen

17Angst vor den Deutschen

18Nachtanruf

19Die Überraschung

20Schorle weiss

21Pavel nirgends

22Kein Brief, kein Anruf

23Im Spital

24Ins Gefängnis verlegt

25Beda

26Auf der Couch

Literatur

Vorwort

«Masaryk» ist ein Füllhorn von spannenden Themen: Eine heutige böhmisch-bayerische Liebesgeschichte zwischen zwei komplexen Charakteren mit offenem Ausgang. Ost und West-Dissensen. Entscheidende Stationen der tschechischen Geschichte von der Republikgründung über Krieg und Sudetenfrage und den «Prager Frühling» bis zur Wende und über sie hinaus. Relativierung des Heiligen-Bildes des Republikgründers Masaryk mit Bezug auf einen auch aktuellen populären, erfolgreichen Politikertyp, der mit einer «Kunst der alternativen Wahrheit» seine Macht etabliert. Die Entstehung unseres Europas durch den Zerfall der Großmächte in kleine Nationalstaaten.

Das liest sich anrührend, historisch interessant, wobei nichts behauptet, alles ins Dialogische gesetzt ist. Die erst zum Schluss klare Anrede-Komposition schafft Spannung. Würziges wie das eingestreute Schwyzerdüütsch und der genossene Likör Becherovka schaffen zusätzliche Leselust.

Ein Buch, das in keiner Bibliothek eines Lesers mit böhmischen oder sudetendeutschen familiären Wurzeln fehlen sollte.

Hermann Kinder

Germanist

Universität Konstanz

1

Waidhaus – Rozvadov

Dass es in der Sankt Katharina-Kirche an der bayerischen Grenze keinen Pfarrer mehr gibt, das wusste ich. Dass dieses Gotteshaus schon seit Jahren geschlossen ist, war mir aber unbekannt.

Anfang November. Ein regnerischer Tag, kalt. Die vermooste Treppe hinauf zum Eingang ist rutschig, ich bewege mich langsam und halte mich mit einer Hand an der Mauer, die man seinerzeit hellgrau verputzt hat; jetzt besteht sie aus Sandstein und schmutzigen, braunroten Ziegeln. Hinaufzugehen und an der Klinke zu rütteln ist sinnlos, das weiß ich, und ich tue es trotzdem. Auch die Kirchentür aus Eiche ist vermoost und verkratzt, mit Glasscherben vermutlich.

Seit wann ist das so, frage ich mich. Ist der Pfarrer nach Bory gezogen oder lebt er nicht mehr? Ich gehe die glitschige Treppe wieder hinunter und halte Ausschau nach einem Menschen. Halb zwei. Niemand auf der Straße. Ich läute an dem Haus, das der Kirche am nächsten steht – gut in Schuss, wahrscheinlich frisch renoviert; ein Sandhaufen liegt neben dem Tor zum Hof. Der Summton der elektrischen Glocke ist schwach zu hören. Niemand öffnet.

Weiter also, zur deutschen Grenze, nach Rozvadov. Die nächste Ortschaft – Waidhaus – ist bereits auf deutschem Gebiet.

Ein oder zwei Mal bin ich früher durch diese beiden Dörfer gefahren, das ist schon lange her. Die improvisierten Läden der vietnamesischen Kleinhändler sieht man in Rozvadov nach wie vor, allerdings weniger zahlreich als vorher. Ebenfalls Saunas, Nachtlokale, viele Massagesalons mit exotisch klingenden Angeboten gibt es noch. Unzählige Neonlichter brennen zu meinem Erstaunen auch jetzt, am frühen Nachmittag.

Die meisten Souvenir- und Bekleidungsläden der Vietnamesen standen etwa dreihundert Meter nach dem Dorfende. Seinerzeit wollte ich dort ein paar Flaschen Becherovka für Freunde und einen Pullover für die Mutter besorgen. Drei oder vier Flaschen von dem böhmischen Kräuterlikör kaufte ich damals, einen Pullover nicht; zu grell war die Ware und das Gewebe vorwiegend aus Kunststoff.

Ah! Eine Überraschung: Die lange Reihe von Läden – Bretterwände, Wellblech als Dach – gibt es da noch, sie sind aber leer, zum größten Teil auch zerstört. Balken, Bretter, Plastikstühle und alte Tische liegen überall herum.

Weiter! Bergab in Richtung Bayern. Bis zur Grenze.

Jetzt wird mir allerdings bewusst, dass ich in einigen Sekunden das tschechische Gebiet verlassen werde; zuerst Waidhaus, dann auf die Autobahn. Nein, so schnell will ich der alten Heimat meiner Eltern nicht adieu sagen, ich kehre um. Ja, ich bin neugierig, was aus dem ehemaligen asiatischen «Einkaufszentrum Rozvadov» geworden ist.

Nach ein paar hundert Metern biege ich rechts ab, fahre auf den Parkplatz und steige aus. Was ich während der Fahrt nicht sehen konnte: Hinter der der Hauptstraße zugewandten Reihe von verlassenen Buden steht eine zweite Kolonne von Verkaufsständen, oder das, was von ihnen übriggeblieben ist – rostige Stangen, Pavatex-Platten, ein paar Balken und kaputte Fenster.

Darf ich weitergehen?, frage ich mich. Da liegen sogar viele Karton-Schachteln mit noch unbenützten Weingläsern. Ich fühle mich gehemmt, bin aber neugierig.

Am Ende der zweiten zerstörten Ladenreihe stehen einige Verkaufsbuden, die gut erhalten aussehen. Die Ausstellungsflächen sind zwar verdreckt, jedoch intakt, sogar die Tür zu einem kleinen Lagerraum wurde nicht abmontiert und geklaut, sie ist offen. Ich zögere, gucke mich um. Niemand beobachtet mich. Weiter also!

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