- Dort wo die Tiere reisen.
- Sie sieht einem Schaf ins Auge. Spricht mit ihm. Den rasenden Puls zähmend im Angesicht der schwarzen Gleichgültigkeit im Blick.
- Es ist nichts.
Mir ist nur kalt.
- Der Wind vom Osten lässt den Schweiß des Tages auf der Haut erfrieren.
- Die Pupille des Schafs tritt still nach draußen.
- Ein Mann im gelben Netzhemd ist dabei dem Tier den Magen aufzureißen.
- Langsam.
- Mit einem Taschenmesser das so sanft durch seine Finger flattert wie die Haut einer Frau.
- Im Lauf der Bewegung darf man davon ausgehen dass seine Frau nicht mehr lebt.
- Im Lauf der Finger.
- Im leisen Überfall auf das fremde Organ.
- Das Messer teilt das Fell. Berührt die Haut an der Oberfläche. Fühlt sich ein. Fühlt mit der Kante nicht mit der Spitze. Streift durch die Gänge der Rippen. Sucht den weichen Bereich zwischen Herz und Scham. Ertastet den Hohlraum des Skeletts.
- Sticht rein.
- Langsam.
- Lässt das Blut austreten in schwerfälligem Lauf. Kreist weiter im großen Bogen. Produziert das wertvolle Klaffen das gehemmt wird durch das Kreisen des Messers.
- Die Masse stößt gegeneinander und verdickt.
- Die Kunst ist. Im Moment des Todes das Blut warm zu halten.
- Die Frau berührt das Schaf hinter den Ohren.
- Die Stelle die den Schmerz ableitet. Mitten in sie.
- Es müsste schön sein wie ein Tier zu sterben. Ohne Trauer um sich selbst.
- Das Schaf sieht sie an. Bewegt sich nicht.
- Nur durch sein linkes Auge zieht ein Blitz. Schneidet das Glas und lässt den Geruch seiner Innereien durch die Splitter der Netzhaut treten.
- Das Messer kommt aus dem Tier an die Luft.
- Voilà.
- Der Mann im gelben Netzhemd bietet der Frau an ihre Füße in den Magen des Schafs zu stecken.
- Wie heißt du.
- - - -
- Weil Dankbarkeit ihr die Stimme raubt nimmt sie sein Messer und ritzt drei Buchstaben in ihren linken Handballen.
- L.O.U.
- Lou berührt ihren warmen Knöchel im toten Schaf.
- Sie weiß. Das war das Netteste, das je ein Mensch für sie getan hat
5. Abschiedsmotiv I (Lou)
Das Rohrblatt einer Klarinette vibriert dunkel in drei Buchstaben, schafft Platz für die Zirkulation des Bluts, kommt tiefer und lässt das Eigene ins Tierische fließen.
Der Name: Lou.
Sie ist wie jeder.
Nichts Besonderes.
Nur ein anfälliger Mensch.
Auf Schmerz reagiert sie mit Wut.
Auf Hunger mit Gewalt.
Eine unbehandelte Wunde im Gesicht
Überlässt ihre Haut den Ekzemen.
Ihr Gesicht ist nicht mehr ihr Gesicht.
Der Krieg nie ihr Krieg gewesen.
Der Wahnsinn gehört ihr nicht.
Nichts gehört ihr.
Niemand hat sie eingewiesen
In die Regeln der Flucht.
Sie ist Autodidaktin.
Eine umständliche Heldin.
Umstände lehren sie dass Atmung grundlos ist.
Schreien Verschwendung
Und Gnade kein menschlicher Zug.
6. Abschiedsmotiv II (Ricarda)
Ein Fagott überträgt in weiten Kreisen das Ekzem auf die andere Seite. Ricardas Hand tastet über ihr Gesicht nach einem unsichtbaren Ausschlag. Der sich ausbreitende Ekel ist leise und kühl.
Der Name: Ricarda.
Ihr Körper ist rund. Ihre Augen dunkelgrün.
Eine warme Erscheinung eine dunkle Stimme.
Die Atmung kommt durch den Mund.
Hart und flach.
Sie joggt ohne sich zu bewegen
Schwitzt an der Oberfläche.
Lautlos. Gleich einer nächtlichen Eisschicht
Ist die Kälte in ihr gewachsen.
Hat ihre Kanäle überzogen
Ihr Blut verlangsamt.
Ihre Kammern eingefroren.
Sie kann nicht sagen wann.
Sie hat einfach nicht aufgepasst.
Jetzt ist ihr kalt mit sich selbst
Im immer warmen Körper.
7. Abschiedsmotiv III (Ralf)
Ein zweites Fagott transformiert die Kälte des ersten in hellere Paniktöne.
Ralf lehnt im Türrahmen des geliehenen Zuhauses und wählt eine Nummer.
Ralf
Ich wär s gewesen.
Sein Blick fällt in die Stille hinter der Nummer.
Sein Name: Ralf.
Seine Mundwinkel neigen nach oben.
Ein freundlicher Typ. Von Natur aus.
Seit kurzem ist er befallen.
Ein blindes Insekt stört seine Zufriedenheit
Hämmert den schwarzen Körper pausenlos
Gegen das Glas seiner Augen.
Verteilt seine wilde Gefangenschaft.
Flattert im Brustkorb.
Vergießt Angst in den Gängen.
Legt Samen ab in den Zellen.
Es ist da. Wird mehr. Will raus.
Man müsste das Tier orten.
Die Haut aufschneiden.
Innen nach außen stülpen
Die Freundlichkeit verbluten lassen
Damit das Tier sich endlich lösen kann.
Aus der Wüste der Gedärme.
Aber die Haut bleibt zu.
Die offenen Augen leer.
8. Konstruktion (Steigerung der Nacht)
Ricarda
Wen hast du angerufen.
Ralf
Niemand.
Ricarda
Ich schlaf ab jetzt draußen.
Ralf trinkt den Rest seines Whiskys. Vor ihm geht Ricarda in die Knie vor der Technik eines Liegestuhls.
Ralf
Witzigerweise musst du erst
Die Vorderbeine nach hinten klappen.
Ralf kniet sich neben sie. Ihre Finger umklammern das Stuhlbein. Er versucht sie zu lösen. Mit Gewalt.
Ricarda
Brich mir die Hand.
Ralf
Sehr gern.
Ricarda
Leider stehst du dann in meiner Schuld.
Ralf
Das tu ich eh.
Du hast unsern Sohn großgezogen.
Ricarda
Unser Sohn ist ein Arschloch.
Sie lässt los, überlässt ihm die Konstruktion.
Ralf
Sollen wir Carl was schreiben.
Ricarda
Wenn du wüsstest wo er ist.
Ralf
Bei deiner Mutter.
Das Holz bricht im entscheidenden Gelenk.
Ricarda
Er steckt seit Monaten in einer Idee
Sie heißt „human rubbish“
Einzelne Dörfer werden ausgelöscht.
Für die Vision einer leereren Welt.
Die Waffe ist der eigene Körper.
Die Basis der Hass auf sich selbst.
Sie legt sich mit dem Rücken auf die Fliesen, in die zerbrochene Konstruktion, kippt sich die summende Beleuchtung ins offene Gesicht.
Ralf
Wusst ich nicht.
Wie nah ihr euch steht.
Ricarda
Er hat die Regeln ins Netz gestellt.
Ralf
Mein Sohn entwickelt ein Kriegsspiel.
Ricarda
Es funktioniert nicht schlecht.
9. Ewigkeit I (Pick-up-Stimmen)
- Zweihundertachtzehn Kilometer.
- Die Fahrt geht einfach los. Ohne zu warten ohne zu zählen.
- Wer da ist ist da.
- Reifenadern. Pumpen ins Land. Schwächer. Unlesbar. Verschwinden.
- Links und rechts Geröllwüsten. Endlos. Vertraut.
- Steine. Unsterblich. Von der Welt hier abgelegt.
- Keiner geht weg weil er ans Leben glaubt.
- Darum geht es nicht.
- Steinmassen. Ohne Sinn und Taktgefühl. Keine Ordnung kein Verstand. Ruinen aus Staub. Erzählen Geschichten. Von Häusern Geschäften Spielplätzen.
- Erzählen nichts.
- Zwischen Träumen Bäume. Nackte Arme. Vom Mond begossen. In den Steinen vertrocknet.
- Die Straße ist schlecht.
- Löst sich auf. Immer tiefer im Geröll.
- Der Motor. Das bestehende Geräusch. Untergehender Bass. Grund aller Bewegung. Zu tief um ihm Gewicht zu geben. Zu vertraut um ihn zu hören.
- Die Fahrgäste schweigen.
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