Eva Reichl
Mühlviertler Blut
Kriminalroman
Blut und Aberglaube Der Liebenauer Priester wird im ortseigenen Gotteshaus tot auf dem Altar gefunden. An seinem Hals befinden sich zwei Einstichmale. Boden, Altar und Soutane sind mit Blut besudelt. Als Chefinspektor Oskar Stern zum Tatort gerufen wird, hat sich die Kunde über einen Vampirmörder in Liebenau längst verbreitet. Beinahe zeitgleich wird in Linz ein Weinhändler ermordet. Die Taten tragen dieselbe Handschrift, doch die Kriminalbeamten können keine Verbindung zwischen den beiden Mordfällen erkennen. Erst als die Ermittler im Mund des Linzer Opfers und im Magen des Liebenauer Toten Verszeilen finden, ist klar, dass es einen Zusammenhang geben muss. Auf der Suche nach dem Täter stoßen Stern und seine junge Kollegin, Gruppeninspektorin Mara Grünbrecht, auf Vampirjäger, Knoblauchzöpfe, Schweinsbraten, Kalbslederschuhe, Beziehungsprobleme und einen vermeintlichen Werwolf im Tannermoor. Mit Knoblauch und Weihwasser bewaffnet, macht sich Oskar Stern daran, dem Vampirmörder das Handwerk zu legen.
Eva Reichl wurde in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich geboren und lebt mit ihrer Familie am Rande des Mühlviertels, wo auch ihre Krimi-Serie beheimatet ist. Zu ihrem Hauptberuf Controllerin bietet das Schreiben einen wunderbaren Ausgleich. Neben Kriminalromanen veröffentlicht Eva Reichl auch Kinderbücher.
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
5. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Ernest/fotolia.com
ISBN 978-3-8392-5656-5
»Liebenau? Noch nie etwas davon gehört.« Etwas unwillig saß Chefinspektor Oskar Stern auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch seines Vorgesetzten am Landeskriminalamt in Linz. Heute begann die Fußballweltmeisterschaft. Da wollte er nicht weg! Er hatte sich schon auf einen gemütlichen Fernsehabend daheim in seiner Wohnung in der Herrenstraße gefreut. Und jetzt? Jetzt teilte ihm sein Chef mit, dass sie einen neuen Fall hatten. »Liebenau«, wiederholte er konsterniert. »Wo liegt das überhaupt?« Er bemühte sich auch gar nicht erst, seinen Unwillen zu verbergen. Ein unauffälliger Blick auf seine Armbanduhr ließ ihn wissen, dass es bereits früher Nachmittag und das fehlende Mittagessen wahrscheinlich mit ein Grund war, warum er so schlechte Laune versprühte. Seine Speiseröhre krochen Laute empor, die dem Brummen eines Bären ähnelten. Reflexartig zog er seinen fülligen Bauch ein, was an den Geräuschen jedoch nichts änderte.
»Liebenau ist eine Marktgemeinde im Bezirk Freistadt, nicht einmal 70 Kilometer von Linz entfernt, und hat im Moment wahrscheinlich mehr Fernsehgeräte als Einwohner«, antwortete Bormann in Hinblick auf die beginnende Fußballweltmeisterschaft. Scheinbar hoffte er, den Chefinspektor mit derartigen Aussichten etwas milder stimmen zu können.
Stern kramte in seinem Gehirn nach Erinnerungen. Er hatte das bestimmte Gefühl, als wenn er über dieses Liebenau schon einmal etwas gelesen hätte, dass es ein beschauliches Erholungsdorf sei oder Ähnliches. Na toll!
»Dort gibt es doch sicher nicht einmal Strom. Wie soll dann ein Fernseher funktionieren?«, nörgelte er weiter. Erinnerungen an einen Urlaub, der bereits mehrere Jahre zurücklag, wurden schlagartig wachgerufen. Damals hatte er mit seiner nunmehr geschiedenen Frau Franziska einen Urlaub auf einer steirischen Almhütte verbracht. Einer Almhütte ohne Strom und jeglichen Luxus für Menschen, die genau das wollten. Wie hätte er wissen sollen, dass er so etwas nicht wollte? Eine Woche lang ohne Strom zu sein hatte anfangs geklungen wie ein Abenteuer, ein Hindernisparcours, eine Herausforderung. Und obwohl er Herausforderungen dieser Art hasste, hatte er sich Franziska zuliebe auf eben diese eingelassen. Hätte er damals schon gewusst, dass dem Urlaub eine Scheidung folgte, wäre er zum Nordpol gefahren und hätte dem Weihnachtsmann beim Stricken der Norweger-Pullis geholfen.
»Sie werden überrascht sein, Stern, was die in Liebenau alles haben«, riss der Leiter des Landeskriminalamtes den Chefinspektor aus dessen Erinnerungen, stand auf und setzte sich vor ihm auf die Schreibtischkante. »Kolanski und Mirscher sind im Krankenstand. Kolanski wegen seines gebrochenen Beines, und Mirscher hat einen Magen-Darm-Infekt. Bis die beiden wieder fit sind, haben Sie den Fall längst aufgeklärt. Und sonst hab ich niemanden, den ich schicken kann. Aber ich habe Ihnen und Grünbrecht bereits im besten Gasthaus des Ortes ein Zimmer reservieren lassen.«
Stern brummte, was so viel hieß, dass Bormann ihn kreuzweise konnte. Dass die beiden Kollegen Mirscher und Kolanski zur selben Zeit ausfielen, war schon Pech. Er stemmte sich aus dem Stuhl und trottete wie einer, der zum Schafott geführt wurde, zur Tür.
»Ach, Stern …«, rief der Dienststellenleiter ihm hinterher.
»Ja?« Der Chefinspektor wandte sich noch einmal um.
»Vergessen Sie nicht, auch etwas Warmes einzupacken. Die Nächte im Mühlviertel können sogar im Juni noch rau sein.« Bormann grinste verhalten.
Stern murmelte etwas Unverständliches. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Eineinhalb Stunden später fuhren er und Gruppeninspektorin Mara Grünbrecht in Sterns grauem Audi A6 auf der S10 in Richtung Freistadt, oder besser gesagt: sie krochen in Richtung der als Kultur- und Braustadt bekannten Mühlviertler Provinzmetropole. Sterns Fahrgeschwindigkeit glich nach Grünbrechts Dünken einer Schnecke beim Mittagsschlaf. Sie selbst liebte es, ein wenig rasanter durchs Leben zu fahren.
»Wenn Sie nicht ein bisschen aufs Gas steigen, fängt die Leiche noch an zu verwesen, bevor wir dort sind«, stichelte sie schon nach zehn Minuten Fahrzeit.
»Wieso haben Sie es denn so eilig?«, fragte Stern. Beim Autofahren gab es nichts, was ihn aus der Ruhe brachte. Außer Dominik Weber, dem Gerichtsmediziner, der aus jeder Fahrt zu einem Tatort ein Wettrennen veranstaltete. Aber selbst das war Stern heute egal. Er wollte die Fahrt ins Mühlviertel zumindest genießen, wenn er sie schon nicht hatte verhindern können.
»Von Eile kann ja wohl kaum die Rede sein«, antwortete Grünbrecht und blickte sehnsüchtig auf die Wagen, die links an ihnen vorüberzogen. Stern gewann den Eindruck, als wenn sie sogar in den Beifahrersitz sänke, um nicht von einem der vorbeirasenden Lenker erkannt zu werden.
»Dafür kommen wir sicher an unserem Ziel an«, rechtfertigte er sein Tempo und dachte, dass diese jungen Dinger es doch immer so eilig hatten. Mara Grünbrecht war gerade mal 36 Jahre alt. In diesem Alter war man noch ungestüm und wild, und das war auch gut so. Er hingegen war 59 und hatte die Sturm-und-Drang-Zeit längst hinter sich. »Und so schnell fängt eine Leiche nun auch wieder nicht zu verwesen an.«
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