Fricke räusperte sich. »Wussten Sie, dass Kurt Wenninger lange Zeit in Ost-Berlin gelebt hat?«
»Nein, das wusste ich nicht.« Herzog lächelte. »Aber wie gesagt, Herkunft spielt bei uns keine große Rolle.«
»Wie finden eigentlich neue Mitglieder zu Ihnen?«, fragte Malin. »Ich habe im Internet keine Homepage oder einen anderen Hinweis auf die Schmauchfreunde gefunden.«
»Wir sind eine geschlossene Gruppe.«
»Und die Miete für den Clubraum?«, hakte Malin nach. »Wer bezahlt die?«
»Jedes Mitglied zahlt einen Jahresbeitrag, von diesem Geld wird die Raummiete beglichen.«
Malin dachte an die Aussage des Wirts. »Und die bezahlen Sie in bar, ohne Belege?«
Wolfgang Herzog wirkte irritiert. »Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Frage bezwecken, doch wenn das ein Versuch werden soll, mir irgendwelche steuerlichen Mauscheleien zu unterstellen, muss ich Sie leider enttäuschen. Die Schmauchfreunde sind kein eingetragener Verein. Wir sind weder auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, noch streben wir sonstige steuerbegünstigte Zwecke an. Somit ist eine geordnete Aufzeichnung nicht nötig. Der Pfeifenclub dient unserem reinen Privatvergnügen.« Er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete eine Schublade, aus der er einen Ordner in DIN-A5-Format herauszog, den er Malin reichte. »Herr Lenz hat auf Barzahlung bestanden. Und natürlich habe ich eine Quittung verlangt. Nicht nur als Anwalt bin ich lieber auf der sicheren Seite, sondern ich möchte gegenüber den anderen Mitglieder auch Rechenschaft ablegen können, für den Fall, dass es notwendig sein sollte.«
Malin öffnete den Ordner und stellte beim Durchblättern fest, dass die Belege über mehrere Jahre zurückreichten. Sie gab ihn an ihren Chef weiter.
Fricke warf einen Blick hinein und legte ihn auf den Tisch. »Wir brauchen eine Liste mit den Namen und Adressen sämtlicher Mitglieder der Schmauchfreunde.«
»Dafür benötigen Sie einen Beschluss.« Wolfgang Herzog verschränkte die Arme vor der Brust.
»Kann ich aus Ihrer Reaktion schließen, dass Sie etwas zu verbergen haben?« Frickes Blick ruhte auf dem Anwalt.
Herzogs Gesichtszüge verhärteten sich. »Ich stelle Ihnen die Liste zusammen und lasse Sie Ihnen zukommen.«
»Vielen Dank.«
Verena Herzog erschien in der Tür. »Kann ich Ihnen etwas anbieten? Vielleicht einen Kaffee oder ein Wasser?«
Ihr Mann erhob sich aus seinem Sessel. »Die Herrschaften wollten gerade gehen.«
Malin und Fricke tauschten einen Blick und standen auf.
»Ich bringe Sie zur Tür.« Verena Herzog drehte sich um. Im letzten Augenblick sah Malin das selbstgefällige Lächeln, das die Lippen der Anwaltsgattin umspielte.
»Ich hasse Anwälte«, brummte Fricke, sobald sie das Jugendstilhaus verlassen hatten. »Die produzieren nichts als heiße Luft und Berge von Papier. Ist dir aufgefallen, Brodersen, dass dieser Herzog quasi gar nichts über Wenninger erzählt hat?«
Malin nickte. »Allerdings hat das niemand getan, mit dem wir bisher gesprochen haben.«
»Pah! Die beiden kennen sich seit zwanzig Jahren und da wollen die sich nie über etwas Persönliches ausgetauscht haben?« Fricke schüttelte den Kopf. »Da will uns doch jemand für dumm verkaufen.«
»Du meinst also, Herzog hat was mit dem Mord an Wenninger zu tun?«
»Das hab ich nicht gesagt, Brodersen. Aber sobald wir diese Mitgliederliste haben, werden wir uns jeden Einzelnen von denen vorknöpfen. Und dann will ich wissen, was an diesem besagten Dienstag wirklich vorgefallen ist.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Wir statten jetzt noch Ilse Wenningers Tochter einen kurzen Besuch ab, und dann heißt es auch für uns beide Wochenende. Oder zumindest das, was noch davon übrig ist.« Er öffnete die Tür des Dienstwagens und setzte sich hinters Lenkrad.
»Hast du morgen schon etwas vor?« Malin rutschte auf den Beifahrersitz.
Fricke sah sie argwöhnisch an. »Wieso, willst du mich wieder mit zum Sonntagsessen bei deiner Mutter schleppen?«
»Möchtest du etwa?«, fragte Malin irritiert. Der Gedanke, dass sich jemand freiwillig den steifen Gepflogenheiten ihrer Familie aussetzen könnte, befremdete sie.
»Keine Sorge, Brodersen. Ich habe morgen schon eine andere Verabredung.« Fricke startete den Motor. Dabei grinste er übers ganze Gesicht.
Ruth Wenninger war eine hagere Frau mit verhärmtem Gesichtsausdruck und nachlässig blond gefärbten Haaren. »Sie können Ihren Wisch gleich wieder wegstecken«, sagte sie zu Fricke, der mit gezücktem Ausweis vor ihr stand. »Meine Mutter hat mir schon gesagt, dass Sie hier bald aufkreuzen.«
»Können wir dann vielleicht reinkommen?« Malin spähte an der Frau vorbei ins Innere der Erdgeschosswohnung. Im Flur türmten sich Berge von Zeitungen.
»Wir können auf die Terrasse gehen«, erwiderte Ruth Wenninger. »Gehen Sie einfach durch das Gartentor neben dem Hauseingang. Ich komme gleich hinten raus.« Sie schlug die Tür zu.
»Genauso charmant wie die Mutter.« Kopfschüttelnd folgte Malin ihrem Chef aus dem Haus zu einer Terrasse aus Betonplatten, auf der sich zwei einsame Plastikstühle um einen runden Gartentisch gruppierten. Die Jalousien zum Wohnzimmer waren heruntergelassen. Auf dem Fenstersims stand ein von Kippen überquellender Aschenbecher.
Ruth Wenninger kam aus der Verandatür, schnappte sich den Aschenbecher und setzte sich auf einen der Stühle, ohne den beiden Kriminalbeamten einen Platz anzubieten. Zwischen den Fingern ihrer rechten Hand hielt sie eine Zigarette. »Und was wollen Sie jetzt von mir?«
»Mit Ihnen über den Mord an Ihrem Onkel sprechen«, erwiderte Fricke.
»Den Weg hätten Sie sich sparen können. Ich hatte keinen Kontakt zum – Doktor.« Das letzte Wort stieß sie mit unverhohlener Abneigung hervor.
»Und wie kommt das?«, fragte Malin.
Ruth Wenninger nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, ehe sie antwortete. »Der Alte hat alles eingesackt, was ging, und uns andere hat er im Regen stehen lassen.« Ihre Stimme war voller Bitterkeit. »Meine Mutter war es, die sich jahrelang um meine kranke Oma gekümmert hat. Sogar den Arsch hat sie ihr abgewischt. Und was war der Dank? Meine Oma hat alles ihrem Kurti hinterlassen. Das Haus, das Geld, einfach alles.« Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Gab es dafür einen bestimmten Grund?«, hakte Malin nach.
»Er war der verlorene Sohn, der Goldjunge. Meine Oma wollte auf einen Schlag die vielen Jahre wiedergutmachen, die sie in seiner Kindheit nicht für ihn da war.«
»Aber den Pflichteil haben Sie bekommen?«
»Das hat knapp ausgereicht, um die Schulden meines Ex-Mannes zu bezahlen. Meine Söhne und ich kommen gerade so über die Runden.«
»Was ist mit dem Vater Ihrer Kinder?«
Ruth Wenninger schnaubte verächtlich. »Der hat sich kurz nach der Geburt meines zweiten Sohnes verpisst.«
Fricke zog sich einen der Stühle heran und setzte sich. »Ich kann verstehen, dass Sie wütend sind, Frau Wenninger, aber Ihr Onkel wurde ermordet. Und diesen Mord müssen wir aufklären. Wann haben Sie Ihren Onkel zuletzt gesehen?«
»Bei der Beerdigung meiner Oma.«
»Dann erzählen Sie uns etwas über ihn«, forderte Fricke sie auf.
»Kann ich nicht. Der Name Kurt Wenninger war bei uns zu Hause immer tabu.«
»Was ist mit dem Vater Ihrer Mutter, Ihrem Großvater? Lebt er noch?«
Ruth Wenninger schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, ist mein Opa schon Mitte der sechziger Jahre gestorben. Ich habe ihn nie kennengelernt.«
»Gibt es noch weitere Verwandte oder Freunde, die uns über Ihren Onkel Auskunft geben können?«
»Ich kann Ihnen da nicht helfen.«
Fricke beugte sich vor. »Sie können oder Sie wollen nicht?«
Ruth Wenninger schwieg.
»Was ist mit Ihren Kindern? Hatten die Kontakt zu Ihrem Onkel?«
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