Ulrike Aufderheide
Der sanfte Schnitt
Schonend schneiden im Naturgarten
Obstbäume, Rosen, Wildgehölze und mehr
illustriert von Margret Schneevoigt
Schneiden oder nicht schneiden?
Das ist im Garten oft die Frage. So wenig wie möglich, so viel wie nötig, lautet darauf die Antwort von Ulrike Aufderheide.
Die Naturgartenexpertin plädiert für einen achtsamen Umgang mit Bäumen und Sträuchern. Sie zeigt, wie durch gute Planung weniger Pflegeaufwand nötig wird. Wertvolle Informationen über die Wachtumsregulation und Wundheilung der Pflanzen helfen dabei, schonend zu schneiden, das beste Werkzeug und den richtigen Schnittzeitpunkt auszuwählen.
Rund um das Jahr begleitet das Buch bei der Pflege von Obstbäumen, Beerensträuchern und Weinstöcken, aber auch beim Rückschnitt von Rosen, Ziergehölzen, Kletterpflanzen und Stauden. Profitipps und zahlreiche Abbildungen machen es leicht, nicht nur Fruchtbildung oder Blütenfülle, sondern auch Nahrungsangebote und Quartiere für Vögel, Wildbienen oder Igel gezielt zu fördern. Auch Stockhieb und Heckenknicken werden beschrieben. Durch diese radikal erscheinenden Maßnahmen werden wertvolle Lebensräume für Tiere geschaffen und Sichtschutzhecken erhalten.
Das Buch hilft, Apfelbaum, Duftrose, Clematis & Co. besser zu verstehen, Schnittfehler zu vermeiden und den Garten naturnah zu gestalten.
Cover
Achtsam sein
Pflanzen im Garten: lebende Baustoffe oder Mitbewohner?
Pflanzen von Grund auf verstehen
Die Gestalt der Pflanzen
Wurzeln – oft übersehen und doch so wichtig
Wachstum unter der Rinde
Lebendes Holz und der Werkstoff Holz
Warum die Triebspitzen so wichtig sind
Wuchsformen verstehen
Gärten naturnah planen und pflegen
Grundregeln des sanften Schnitts
Vom richtigen Zeitpunkt
Wenig schneiden dank guter Planung
Grundregeln des Schneidens
Gutes Werkzeug schont Gelenke und Pflanzen
Pflanzen schonen, wenig verletzen
Saftwaage beachten
Wundverschluss ja oder nein?
Kappen ist keine fachgerechte Baumpflege
Ungeordnete Austriebe brechen leicht aus
Die Schnittarbeiten im Jahreslauf
Arbeiten im Spätwinter
Frühjahrsarbeiten
Frühsommer
Schnittarbeiten im Sommer
Hochsommer
Arbeiten im Herbst
Arbeiten im Winter
Schnittgut ist kein Abfall
Totholzhaufen im Schatten und in der Sonne
Gestaltungselemente aus Schnittgut
Wildbienennisthilfen
Schnittgut kompostieren
Wege aus Häckselgut
Pflanzen ohne (strikte) Regeln pflegen
Anhang
Die Autorin
Bezugsquellen
Informationen über Naturgärten und Naturgarten-Fachbetriebe
Zum Weiterlesen
Sachindex
Weitere Bücher
Impressum
Dieses Buch ist aus der Praxis entstanden. Eigentlich geht es ja bei den Gartenberatungen, die einen Großteil meiner beruflichen Tätigkeit ausmachen, um die Gestaltung des Gartens und um seine naturnahe Bepflanzung. Bei den meisten Terminen sind aber die Pflege der Pflanzen und insbesondere der Pflanzenschnitt nach kurzer Zeit Hauptthemen des Beratungsgespräches. Vielen erscheint der Pflanzenschnitt als eine hochkomplizierte Geheimwissenschaft, die nur noch alte Obstbauern und eingeweihte Gärtner beherrschen. Meine Kundinnen und Kunden sind dann überrascht und erleichtert, wenn sie erfahren, dass die Grundprinzipien des Pflanzenschnitts auf einfach nachvollziehbaren, biologischen Zusammenhängen beruhen und im Grunde leicht zu erlernen sind.
So wird dann nach kurzer Zeit klar, warum der Apfelbaum, der doch klein bleiben sollte, stark wächst und keine Früchte trägt (siehe Seite 92), wie die Kulturrebe daran gehindert werden kann, ein undurchdringliches Dickicht zu bilden (siehe Seite 99), und warum die hochgelobten alten Rosensorten nicht blühen wollen (siehe Seite 114).
Viele Naturgärtner möchten außerdem die Pflanzen am liebsten ohne Schnitt frei wachsen lassen. Sie möchten der Natur ihr Recht, zumindest im eigenen Garten, zurückgeben. Bei meinen Beratungsgesprächen weise ich besonders darauf hin, dass für die Anlage eines solchen Gartens die richtige Pflanzenauswahl unabdingbar ist. Denn die Voraussetzung ist ja, dass die Ausdehnung, also die Höhe und Breite, die die Pflanzen aufgrund ihrer genetischen Anlage erreichen, zu den Platzverhältnissen vor Ort passt. Dann kann ein Garten Wirklichkeit werden, in dem die Menschen Mitbewohner, aber – abgesehen von der Initialzündung der Anlage – nur noch eingeschränkt Mitgestalter sind.
Andererseits ist es mir auch wichtig aufzuzeigen, dass hierzulande gerade solche Lebensräume am artenreichsten sind, in denen ein moderates Maß an Dynamik herrscht, in denen immer wieder neue Entwicklungen durch eine teilweise Zerstörung von Lebensraumstrukturen ermöglicht werden. Diese Beobachtung der Landschaftsökologen passt nicht mit einem Naturbild zusammen, das in der Natur eine friedvolle ausgeglichene Harmonie sucht. Aber es ist tatsächlich so, dass viele Arten an (scheinbare) Katastrophen, wie sie Windbrüche, Überschwemmungen und Waldbrände oder auch eine Herde großer Pflanzenfresser hervorrufen, angepasst sind. (Deshalb benehmen sich Naturschützer manchmal wie eine Herde Auerochsen …)
Achtsam im Garten mit den Mitbewohnern, also mit Pflanzen und Tieren, umzugehen, hat also drei Aspekte: Als Erstes bedeutet es, den Garten so zu planen, dass nur ein Mindestmaß an Pflege- und Schnittmaßnahmen nötig ist. Als Zweites kann umso schonender geschnitten werden, je besser wir die Pflanzen verstehen und je mehr wir über Wachstumsregulation und Gestaltbildung, aber auch über Wundheilung wissen. Dann können wir so schneiden, dass der schädigende Einfluss des Schnitts so gering wie möglich bleibt und andererseits das Ziel auch erreicht wird (und nicht etwa das Gegenteil eintritt). Zuletzt ist es auch wichtig zu erkennen, dass auch Pflegemaßnahmen, die erst einmal radikal erscheinen, zu einer Verbesserung der Lebensraumqualität für Pflanzen, Tiere und Menschen beitragen können.
Denn das ist das Ziel des naturnahen Gärtnerns: Lebensraumqualität für alle Bewohner des Gartens, also auch für seine Pflanzen und Tiere. Lebensraumqualität ist das Ziel der guten Planung einer frei wachsenden Naturhecke, sodass diese über Jahre nicht oder kaum geschnitten werden muss und die Tiere darin ohne Beunruhigung leben (und wir sie beobachten) können. Lebensraumqualität ist aber auch das Ziel, wenn wir die Hecke nach 10, 15 oder 20 Jahren »knicken«, was erst einmal sehr zerstörerisch aussieht und doch für alle Bewohner des Gartens einen Raum erhält, in dem sie ihr Leben in vollen Zügen genießen können (siehe Seite 172).
Zwei Symbole sollen deshalb in diesem Buch auf besondere Aspekte des achtsamen Umgangs mit Schere und Säge hinweisen:
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