Um ein Vielfaches ausgedehnter ist das Wurzelsystem der Bäume. Es ragt weit über die Ausdehnung der Krone hinaus. Die Wurzelspitzen bewegen sich intelligent durch das Erdreich und suchen nach Wasser,

Die Wurzeln ragen weit über die Baumkrone hinaus. Bei der Gartenarbeit, beim Verlegen von Leitungen und bei dem Pflastern von Wegen sollten Verletzungen der Wurzeln vermieden werden, um den Baum nicht dauerhaft zu schädigen.
Nährstoffen und Halt. Sie messen und verarbeiten dabei gleichzeitig bis zu 15 verschiedene Bodeneigenschaften wie Bodenfeuchte, die Konzentrationen verschiedener Nährsalze und die Schwerkraft. Die Wurzeln verbinden sich mit Pilzen, denn so können sie effektiver Nährsalze und Wasser aufnehmen. Im Gegenzug versorgen sie die Pilze mit Nährstoffen. Ohne dieses Zusammenleben mit der sogenannten »Mykorrhiza« können manche Pflanzenarten nur schlecht oder gar nicht leben – das ist zum Beispiel bei den Erdorchideen der Fall.
Vielleicht wäre es daher angemessener, die oberirdischen Teile der Pflanze nur als die Fortpflanzungsorgane eines eigentlich unter der Erde lebenden Wesens aufzufassen. Diese ungewohnte Vorstellung würde uns helfen, die Wurzeln der Pflanzen mit Sorgfalt zu pflegen und vor allem, sie vor Schäden zu schützen.
Wir sollten versuchen, bei jeder Pflanze, die in unserem Garten wächst, auch ihr Wurzelwerk zu »sehen«, also um den Raum zu wissen, den die Wurzeln brauchen. Denn es wachsen in unseren Gärten ja nicht nur Bäume und Sträucher, es werden auch Leitungen verlegt und Wege
gepflastert. Bei Bauarbeiten werden die oberirdischen Teile der Pflanzen oft mit viel Sorgfalt geschützt, die Wurzeln aber vielfältig geschädigt: Gräben werden ausgehoben und Wurzeln dafür durchschnitten. Erde wird abgetragen, Wurzeln werden freigelegt und dem Sonnenlicht (Wurzeln haben keinen UV-Schutz) und austrocknenden Winden ausgesetzt. Der Wurzelbereich wird befahren oder Baumaterialien werden unter Bäumen – im Wurzelbereich – gelagert. Dadurch wird die Erde verdichtet, wodurch der Sauerstoffgehalt des Bodens sinkt. Da auch Wurzeln Sauerstoff zum Leben brauchen, werden sie durch Bodenverdichtung geschädigt und können sogar absterben. Auch wenn im Wurzelbereich Erde aufgetragen wird, sinkt der Bodenluftgehalt, was sogar zum Absterben empfindlicher Arten führen kann. Bei Rotbuchen kann schon ein Bodenauftrag von fünf Zentimeter Höhe zum Absterben des Baumes führen, andere Bäume sind zum Glück widerstandsfähiger, aber für jede Pflanze ist ein Bodenauftrag problematisch.
Wenn abzusehen ist, dass die Wurzeln der Gehölze durch Bauarbeiten Schaden genommen haben, können wir den geschädigten Pflanzen helfen, indem wir die oberirdischen Teile auslichten. Ziel der Schnittmaßnahmen ist es, das Gleichgewicht zwischen der Wurzel- und Blattmasse wiederherzustellen, ähnlich wie das auch beim Pflanzschnitt der Fall ist (siehe Seite 165). Schnittmaßnahmen an vorgeschädigten Pflanzen sollten mit besonderer Sorgfalt durchgeführt werden, bei Unsicherheiten also lieber einen fachkundigen Betrieb beauftragen!
Baumschutz auf der Baustelle
Weil das Wurzelsystem der Bäume weit über die Kronentraufe hinausreicht und sich außerhalb der Kronentraufe auch die meisten Feinwurzeln befinden, ist auf Baustellen um jeden zu erhaltenden Baum ein fester Zaun im Abstand von 1,5 Meter von der Kronentraufe zu errichten (DIN-Norm 18920). Wenn dies nicht möglich ist, dann muss im Bereich des Wurzeltellers eine Schutzlage aus druckverteilendem und luftdurchlässigem Material von mindestens 20 Zentimeter Dicke aufgebracht werden.
Vielfältige Wuchsformen
Gärtner unterscheiden einjährige Pflanzenarten, mehrjährige Stauden und Gehölze. Was ist aber der Unterschied zwischen einer Staude und einem Gehölz?
Bei Gehölzenwerden die anfangs weichen Triebe durch die Einlagerung des Holzstoffs (»Lignin«) hart, eben holzig. Gehölze haben auch im Winter über der Erde lebende Teile.
Während einjährige Pflanzen nach Blüte und Samenbildung absterben, treiben Staudennach der Blüte und Samenbildung wieder aus bodennahen Knospen mit weichen, unverholzten Trieben aus. Im Winter haben sie entweder gar keine Blätter oder nur eine bodennahe Blattrosette.
Blick aufs Wurzelwerk beim Pflanzenkauf
Dass die Pflege der Pflanzen in erster Linie den Wurzeln gilt, wissen Biogärtner schon lange. Sie ernähren mit einer gut geführten Kompostwirtschaft den Boden und fördern so die vielen Lebewesen im Boden, die durch ihre Lebenstätigkeit für ein ausgedehntes und gesundes Wurzelwerk der Pflanzen ideale Bedingungen schaffen. Auf lebendigen Böden wachsen gesunde Pflanzen.
Es ist deshalb auch wichtig, beim Kauf einer Pflanze nicht nur nach gut genährten Blättern und prächtigen Blüten zu schauen, sondern vor allem die Qualität des Wurzelwerks zu kontrollieren. Ist der Ballen gut durchwurzelt? War die Pflanze schon zu lange im Container und schauen Wurzeln aus den Abzugslöchern heraus? Haben sich schon Wurzeln gebildet, die am Boden des Topfes spiralförmig wachsen? Dann wird die Pflanze nur schlecht oder gar nicht anwachsen, weil Wurzeln, die einmal angefangen haben, im Kreis zu wachsen, auch vom Topf befreit weiter spiralförmig wachsen. Es ist beinahe so, als wäre ihnen schwindelig geworden.
Gehölze können dadurch, dass sie stabiles, verholztes Gewebe bilden, viel höher werden als Stauden. Mit Ausnahme von Palmen und Bambus wachsen Gehölze, indem um den schon vorhandenen Holzkörper außen immer wieder eine neue Schicht gebildet wird. Dieses »sekundäre Dickenwachstum« kann man sich ähnlich vorstellen wie das Zusammensetzen der russischen »Babuschka« oder »Matrjoschka«-Puppen. Jedes Jahr bildet die Pflanze um den gesamten Holzkörper einen neuen Mantel aus holzigem Gewebe. Jahresringe im Holz sind ein Zeichen dieses Wachstums direkt unter der Rinde.
Für die Pflege der Gehölze ist es wichtig zu wissen, dass es nur eine sehr dünne Schicht gibt, in der neues Gewebe gebildet wird: das Kambium. Es liegt zwischen der Borke und dem Holz und bildet nach innen Holz, nach außen eine lebendige Rindenschicht, den Bast.
Im Holzkörper gibt es lang gestreckte Gefäße, in denen Wasser und Nährsalze von den Wurzeln in die oberirdischen Teile der Pflanze transportiert werden. Sie werden aus spezialisierten Zellen, in deren Zellwand Lignin eingelagert wurde und die danach abgestorben sind, gebildet. Andere Zelltypen im Holz sterben nicht ab, beispielsweise Speicherzellen in den Holzstrahlen oder die Zellen in den Harzkanälen.
Im Bast werden Speicherstoffe transportiert. Die Bastgefäße sind ebenfalls lang gestreckt, werden aber aus lebenden Zellen gebildet. Im Frühjahr werden die Speicherstoffe nach oben zu den sich bildenden Blättern transportiert. Im Herbst dreht sich die Transportrichtung um, Zucker und andere Speicherstoffe werden in den Wurzeln oder im Holzkörper eingelagert.
Bei vielen Bäumen wird das Innere des Holzkörpers stillgelegt, die feinen »Rohrleitungen« werden verschlossen. Es werden Stoffe eingelagert, die das Pilzwachstum hemmen. Die noch lebenden Zellen im Innern des Holzkörpers sterben ab. So entsteht das dauerhafte Kernholz der Bäume. Ähnliches geschieht nach außen mit den älteren Jahrgängen des Bastes. Sie werden zur Borke. Auch hier sterben die Zellen ab, auch hier werden vorher die Zellwände durch Einlagerung des hochkomplexen Naturstoffs »Suberin« imprägniert. Suberin bestimmt die Eigenschaften der Rinde und macht sie wasserabweisend und isolierend gegenüber Temperaturschwankungen.
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