Da ragt er mitten in der Nacht unter der wachsenden Zweifelswolke am jäh sich trübenden Himmel deines Gemüts und nimmt dir Aussicht und Atem. Wie, du solltest Gott dein Herz geben? Was würden die Leute dazu sagen? Besonders die, von denen du materiell abhängig bist. Sie würden dich ruinieren, bankrott machen. Wie, du solltest Gott deinen Willen, solltest Jesu dein Leben geben? Die Herrschaft auf seine Schultern legen, nicht mehr selbst regieren und kutschieren? Wie, du solltest nicht mehr so frei mitlaufen können im Wettlauf um die Güter dieser Welt, um das so nötige Geld, um die so wohltuende Ehre? Ei, da müsstest du ja das lassen, gerade das! Und nun lässt der Arge den schwarzen Sorgenberg, der inzwischen seine Schuldigkeit getan hat, verschwinden und zeigt dir irgendetwas Glitzerndes, Flimmerndes, Schimmerndes aus dem Reichtum dieser Welt – du weißt selbst am besten, was – und so jäh, wie vorhin der Sorgenberg wuchs, so jäh gleißt dich nun der Betrug deines Schatzes, deines Abgottes an, den du nicht lassen kannst nein, nein, nein, den du nicht lassen darfst, es wäre ja unverantwortlicher Leichtsinn, nein, Blödsinn, ja, Wahnsinn wäre es! Siehe, und du bist entschlossen, ängstlich, sorgenvoll, aber fest entschlossen: es soll doch lieber alles beim alten bleiben. Wie könntest du auch dein Ein- und Auskommen, dein Geld und Geschäft, deine Schätze und deine Bedürfnisse, deine Pläne und deine Ziele so ohne weiteres in die Hand dieses vielleicht doch zweifelhaften Jesus und fernen ungewissen Gottes legen? – Merkst du, was ich sagen will? Ich will sagen: Deine Dornen, o Herz, werden diese Nacht wachsen und werden dem ebenfalls in dieser Nacht wachsenden Pflänzlein, dessen Same soeben in dich fiel, hart und spitz nach dem Leben trachten, werden mit gewundenem Arm es umschließen, ihm den Atem nehmen und es ersticken. –
Ersticktes, gemordetes Gotteswort! Erwürgter Gotteshauch! Gleichsam dem göttlichen Geiste, der im göttlichen Worte pulsiert, an die Kehle gegriffen und – zugedrückt! – Mir bekannte vor Jahren ein fremdländischer Arbeiter, dass er in seiner Jugend mit rohen Gefährten in seinem Heimatlande einen alten Mann ermorden half. „Wir warfen ihn ins Bett und bedeckten ihn mit Kissen“, berichtete er. „Der Alte wehrte sich entsetzlich; aber wir pressten ihm die Kissen immer fester aufs Gesicht, bis es stille darunter wurde. Wir hatten ihn erstickt.“ Und hier, ersticktes Jesuswort, ist das wohl geringerer Mord?
Menschenkind, stehe wieder still und sieh rückwärts! Menschenkind mit der Dornenhecke auf dem Herzensboden, wieviel Gotteswort ward erstickt in dir! Erstickt in dir durch die angstgeborene Sorge dieser Welt und durch den schändlichen Betrug des Reichtums, die beide dornig und stachlig dein Herz überwucherten! Wie viele Jesusworte fielen wohl schon in deine Dichte und Starre, und jedes Mal mussten sie sterben in deiner mörderischen Schwüle! Sag, graut dir nicht vor der Räuberhöhle und Mördergrube deines Herzens? O, wie kann man nur immer noch glauben an diese weite und breite Menschheit, wenn man bedenkt, wieviel einzig kostbares Gotteswort bereits auf dem Boden ihres trotzigen und verzagten Herzens zugrunde gegangen ist! Wie möchte man weinen und lachen über diese sogenannte Kultur, die das einzige Mittel zur Kultivierung unseres Herzens seit Jahrtausenden und noch tagtäglich sich vom Satan auf hartgetretenem Herzensboden entreißen oder auf der Steinwüste ihrer Oberflächlichkeit verwelken und verdorren oder auf dem Dornengrund ihrer Not und Abgötterei ersticken lässt!
Sag, was fehlt dir denn, du dornenüberwuchertes Herz? Öffnung und Tiefe hattest du schließlich; aber siehe, Licht und Luft fehlten deinem Herzensboden! Christus ist das Licht der Welt, und wollte auch dein Licht werden, ach wie oft! Aber das Dickicht deiner elenden Sorgen und das böse Gehege deiner betrogenen, abgöttischen Leidenschaften ließen den hellen göttlichen Strahl nicht zum Grunde deines Wesens dringen. Du liebtest das schwüle Duster deiner Sorgenatmosphäre und das wirre Dornengehege des Reichtums dieser Welt mehr als das freimachende Himmelslicht; denn deine Werke waren noch böse. Und Luft fehlte dir. Der Odem aus der ewigen Stille, der Hauch des Heiligen Geistes, konnte nicht frisch und fruchtbar in deines Herzens Grund wehen; so musste der göttliche Same, der dir zufiel, in der Stickluft deines adamitischen Welt- und Sündenwesens verderben und sterben. Welch ein Verlust!
Soll es so weitergehen? Du hast es nicht mit eines Menschen Wort zu tun, sondern mit dem ewigen Gott und deinem Mittler und Erretter Jesus Christ. Geh, lies dies Gleichnis Jesu mitsamt seiner Erklärung noch einmal, und nimm wahr, wie es in seiner wortkargen Schlichtheit zu drei Vierteln einer Traueranzeige gleicht, die der Urheber, Erretter und Herr des Lebens über den fruchtberaubten Acker dieser Welt, über das verwüstete Saatfeld der Erde hin veröffentlicht. Wie oft schon hast du die wehen Worte dieser Traueranzeige, diesen herben Bericht von der Menschen roher Unkultur, dieses licht- und liebevolle Gleichnis Jesu gehört und gelesen, dass du hättest dein Herz erkennen und fahren lassen können; aber selbst das Wort von deinem Herzen erstarb noch aus dem Boden deines Herzens!
Soll es jetzt wieder so sein?
Wer Ohren hat, zu hören, der höre!
So höre auch noch das letzte!
„Etliches fiel auf ein gutes Land und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig … Das aber in das gute Land gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort hört und versteht es und dann auch Frucht bringt …“
Ein viertes Herzensland zeigt uns der Herzenskündiger ohnegleichen, und nennt es „gutes Land“. Ich denke, das ist bereits urbar gemachtes, gepflügtes, umgegrabenes und gedüngtes Land. Da ist allenthalben die nötige Öffnung des Bodens; denn die Pflugschar hat gearbeitet oder Grabscheit und Hacke. Auch die Tiefe ist da, der Felsengrund ist zerborsten, die Steine sind zermürbt; die Wetter sind über das Land hingegangen und haben dem scharfen Eisen geholfen. Nun erweist sich das zerbröckelte Gestein als der beste Dünger. Und wo Dornen standen, da sind sie ausgerottet mitsamt der Wurzel, so gut es nur ging; ihre Asche nährt den licht und luftig gewordenen Boden. Dahinein kann nun das gute Saatkorn fallen, und jede Scholle wird zum gebärenden Mutterschoß. Im Dunklen erstirbt das Korn und keimt doch aus seinem zerfallenen Leibe fruchtbar zum Licht empor. Und es verdorrt nicht; denn es hat haltende, saugende Wurzeln nach unten. Und es erstickt nicht, denn es hat Raum, Licht und Luft nach oben. Kultivierter, fruchtbarer Boden, gutes Land! Nicht überall gleich gut, gleich fruchtbar, sogar sehr verschieden im Ertrag, aber doch „gutes Land“.
Gepriesen sei Gott, auch solche Menschenherzen gibt es! Sie sind nicht ohne weiteres so gewesen, o nein! Gott hat sie sich mit unvergleichlicher Geduld und Langmut so zubereitet. Es sind die Herzen, die sich schließlich doch von ihrem Schöpfer überwinden ließen. Das zweischneidige Schwert des Wortes Gottes konnte sie endlich doch treffen und durchbohren. Öffnung war geschaffen. Der Hammer der göttlichen Wahrheit zerschlug den felsenharten Urgrund der alten Ichherrlichkeit. Die Pflugschar der Buße fuhr hinterher. Tiefe war geschafft. Ins zerschlagene Herz hinein fielen die Samenkörner des lebendigmachenden Gotteswortes. Tränen wurden zum Dünger. Der Glaube an die Kraft des sühnenden Blutes von Golgatha reinigte das für seinen Erlöser offene Herz. Das Gnadenlicht des heiligen und gütigen Gottes beleuchtete die bisherige unfruchtbare Wüste und Leere und schenkte zugleich Kraft und Wärme dem keimenden, neuen Leben. Der Hauch des Heiligen Geistes umwehte den von ihm zugetragenen Keim und erfüllte den urbaren Boden bis zum Grunde, dass er anfing zu duften im Süßgeruch der Erkenntnis Christi und Gottes. Licht und Luft waren da. Und die Liebe Gottes konnte nun ausgegossen werden in dieses gottgeweihte Herz, wie der Regen die Saat tränkt am jungen Frühlingstage. Nun beginnt dies also kultivierte Herz seine Frucht, die Frucht des Geistes von oben her, zu bringen in Geduld. Es wird zum ersten Male ergiebig für Gott, seinen Schöpfer, in dessen Hand es übergegangen ist. Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit reifen in dem erneuerten Herzen zur fröhlichen Ernte für den himmlischen Herrn der Ernte, in dem einen Herzen hundertfältig, in dem andern sechzigfältig, in jenem dreißigfältig.
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