Karl Liebknecht - Reden

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Von Karl Liebknecht lesen wir folgende Reden: Der Kampf im Ruhrrevier und die Revolution in Rußland; Gegen den preußischen Polizeiterrorismus; Imperialismus; Französische Friedenskundgebung mit Karl Liebknecht; Zur Kriegssitzung des Reichstages; Der Hauptfeind steht im eigenen Land!; Auf zur Maifeier!; Was will der Spartakusbund?; Trotz alledem! und Grundzüge einer Marxkritik. Gehalten bzw. geschreiben von 1905 bis 1918. Während der Novemberrevolution rief Liebknecht am 9. November 1918 vom Berliner Schloss die «freie sozialistische Republik Deutschland» aus. Am 11. November gründete er gemeinsam mit Luxemburg, Leo Jogiches, Ernst Meyer, Wilhelm Pieck, Hugo Eberlein und anderen die Gruppe Internationale neu als Spartakusbund. Im Dezember wurde sein Konzept einer Räterepublik von der Mehrheit im Reichsrätekongress abgelehnt. Zum Jahreswechsel 1918/19 war Liebknecht einer der Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands. Kurz nach der Niederschlagung des Berliner Januaraufstands wurden er und Luxemburg von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division nach Rücksprache mit Gustav Noske erschossen.

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Karl Liebknecht

Reden

1905-1918

Reden

Karl Liebknecht

1905 - 1918

Impressum

Texte: © Copyright by Karl Liebknecht

Umschlag: © Copyright by Walter Brendel

Verlag: Das historische Buch, 2022

Mail: walterbrendel@mail.de

Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

Der Kampf im Ruhrrevier und die Revolution in Rußland

Gegen den preußischen Polizeiterrorismus

Imperialismus

Französische Friedenskundgebung mit Karl Liebknecht

Zur Kriegssitzung des Reichstages

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Auf zur Maifeier!

Was will der Spartakusbund?

Trotz alledem!

Grundzüge einer Marxkritik

Der Kampf im Ruhrrevier und die Revolution in Rußland

Rede in Leipzig am 12. Februar 1905 (ein Zeitungsbericht)

In begeisterter Rede schildert Liebknecht noch einmal die Ursachen und den Verlauf des nun plötzlich zu Ende gegangenen Kampfes im Ruhrrevier und geißelte dabei in schärfster Weise das traurige Verhalten der Herren Bülow und Möller im Reichsage gegenüber dem rücksichtslos-brutalen Gebaren der Zechenbesitzer, die auf die Regierung pfeifen und sie noch in dreister Weise verhöhnen. Welches der Zweck des Vorgehens der Grubenbarone ist, das hat sich namentlich in den letzten Tagen mit aller Deutlichkeit offenbart: sie wollen die völlige Niederschmetterung der Arbeiterorganisationen, was sie in dem bisherigen Kampfe nicht erreicht haben, aber jetzt dadurch zu erreichen hoffen, daß sie die Wiedereinstellung der Arbeiter einfach ablehnen, um sie in ihrer Verzweiflung zu Gewalttätigkeiten zu reizen. Das ist ihr Ziel. Von dem angekündigten preußischen Berggesetz ist, vorausgesetzt, daß überhaupt ein solches kommt, nichts zu erwarten ... In Preußen regiert das Kraut- und das Schlotjunkertum. Übrigens ist die preußische Regierung selbst an dem Grubenkapital beteiligt. Wenn also ein Berggesetz eingebracht wird, dann ist es sicherlich so beschaffen, daß es neben einem Quentchen Arbeiterschutz zentnerschweren Arbeitswilligenschutz enthält.

Genosse Liebknecht rühmt sodann das große Maß Selbstüberwindung und die Einmütigkeit der Bergarbeiter in diesem Riesenkampfe, der, wenn er auch den Kämpfenden selbst keinen materiellen Erfolg gebracht hat, so doch einen gewaltigen moralischen Erfolg, und zwar für die gesamte Arbeiterschaft. Ihr sind die Augen aufgetan. Tief hat sich in ihr die Überzeugung festgewurzelt, daß die Regierung weiter nichts ist als ein Ausschuß der Kapitalisten, und das Märchen vom sozialen Königtum hat heute seinen Platz in der Rumpelkammer. Angesichts des fest koalierten Unternehmertums wirft der Redner die Frage auf, welche Möglichkeit überhaupt die Arbeiter noch haben, den Übermut des Kapitalismus und seiner Regierung zu brechen. Diese Frage berühre sich mit dem Generalstreik. Die Möglichkeit des politischen Generalstreiks sei jetzt mehr als je in die Erscheinung gerückt. Er bilde eine wichtige Frage für die Fortentwicklung der Arbeiterbewegung nicht nur Deutschlands, sondern für die ganze zivilisierte Welt. Und von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, habe der Kampf im Ruhrrevier weltgeschichtliche Bedeutung, denn er zeige, welche Taktik in Zukunft die Arbeiterbewegung einzuschlagen habe.

Aber bei aller Wichtigkeit dieses Kampfes für die Arbeiterbewegung, so fuhr der Redner fort, sind die gegenwärtigen Vorgänge in Rußland von unendlich größerer Bedeutung, sie sind ein Wendepunkt für die Geschicke der Völker Europas. In ausführlicher Weise verbreitet sich der Vortragende alsdann über die Geschichte der revolutionären Propaganda in Rußland, besonders über die Dekabristenbewegung, die bekanntlich von der Blüte des russischen Adels ausging und mit einem grausamen Hinschlachten der Teilnehmer endete; weiter schilderte er den Zarbefreier Alexander, der mit den Geschwornengerichten und der sogenannten Bauernbefreiung die revolutionäre Bewegung aus der Welt zu schaffen hoffte; die brutale Unterdrückung aller Nationalitäten in Rußland, der Letten, der Polen, der Finnen, der Juden usw.; die beispiellose Korruption unter den Beamten, die Hungersnöte, die darauffolgende Periode der Propaganda der Tat, in der auch der Zar Alexander II. durch die Bombe endete. Langsam aber stetig verbreitet sich von dieser Zeit ab die Industrie, die eigentliche Triebkraft des Proletariats. Mit dem Fortschreiten der Industrie erscheint aber auch die Sozialdemokratie auf dem Plan, die die Fahne des Marxismus entfaltet, überall, im Westen, im Norden, im Süden. Zu der gewaltsamen Unterdrückung jeder freien Regung im Volke gesellten sich die Brutalitäten der Russifizierungspolitik ...

Bei der gänzlichen Rechtlosigkeit der russischen Arbeiterschaft war schließlich der Streik die einzige Waffe. Aber auch gegen diese Waffe der Arbeiterschaft ging man rücksichtslos vor, indem man den Streik als Majestätsbeleidigung qualifizierte. Die ständigen Begleiter von Streiks wurden deshalb die Kosakensäbel und Kosakenpeitschen. Der Redner erinnerte hierbei an die Auspeitschung der letzten Maidemonstranten durch den Gehilfen Plehwes, den Gouverneur Wahl. Ist es nicht natürlich, meinte er weiter, daß unter solchen Umständen der Gewalt ebenfalls Gewalt entgegengesetzt wird? Dort, wo man kein Recht kennt, kein legitimes Vorgehen? ... Die gegenwärtige Revolution in Rußland ist kein Strohfeuer, das mit einigen Gewaltstreichen zu vernichten wäre. Sie wird sich über das ganze Reich ausdehnen, bald hier verlöschen, bald dort wieder emporlodern, bis in ganz Rußland der Brand allgemein ist. Und wem habe man das zu danken?

Noch vor einigen Jahren erklärten selbst diejenigen russischen Revolutionäre, die zu den kühnen Vorwärtsstürmern gehörten, daß es noch jahrzehntelanger Arbeit bedürfe, ehe das russische Volk zur Revolution vorbereitet sei. Aber es ist anders gekommen: Die Kanonenschüsse vor Port Arthur im Februar vorigen Jahres haben die Wendung gebracht. Sie haben die Geburt der Revolution verkündet, wie etwa in Preußen Kanonenschüsse die Geburt eines Prinzen verkünden. Japan hat daher der Zivilisation einen gewaltigen Dienst geleistet. Jetzt wird die Bewegung in Rußland nicht mehr mit Kartätschen zu vernichten sein. Mögen auch Bülow und seine Helfershelfer emsig bemüht sein, Steine herbeizuschleppen, um den schwankenden Bau des Zarismus wieder zu festigen, es wird ihnen nichts nützen. Wir haben alle Veranlassung zu wünschen, daß Japan der russischen Armee weitere und gründliche Niederlagen in Ostasien bereitet; denn je schmählicher, empfindlicher das Fiasko in Ostasien, desto größer die Erfolge der Revolution in Rußland. Glaube man ja nicht, daß das gesamte Militär dem Zarismus sicher sei. Eine Menge Anzeichen beweisen das Gegenteil. Redner erinnert hierbei an die meuternden Matrosen und an die bis jetzt wohl noch nicht bekannte Tatsache, daß an dem blutigen 22. Januar in Petersburg Offiziere vor der Front liegend, mit dem Revolver in der Hand, alle Soldaten daraufhin beobachteten, ob sie etwa falsche Schüsse abgeben würden.

Der 22. Januar wird in der Geschichte Rußlands einen Wendepunkt bedeuten. An dem Blute, das an jenem Tage vergossen wurde, wird auch der Zarismus verbluten. Nicht einzelne sind es, die etwa künstlich die Bewegung entfacht, sondern das ganze russische Volk hat sich erhoben, um sein Menschenrecht zu fordern, und es ist kein Zweifel, daß mit der Vernichtung der Landarmee Kuropatkins auch die Bastille des Zarismus zusammen- stürzt. Die Freiheit, die für Rußland anbricht, ist aber auch die Freiheit für Preußen, für Sachsen, für Deutschland... Wir haben, so schloß der Redner, alle Ursache, zur Fahne der russischen Revolution zu halten. Die russische Revolution ist unsere Sache, die Reaktion die Sache des Zaren und der preußischen Regierung. Die deutsche Sozialdemokratie weiß sich eins mit dem russischen Proletariat, seine Freiheit ist auch unsere Freiheit. Darum nieder mit dem blutbefleckten Zarismus! Es lebe die russische Revolution!

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