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Titel
Widmung In Erinnerung an meinen Vater, der immer gewollt hat, dass ich bei meinen Reisen fotografiere und schreibe. Leider ist es ihm nicht mehr vergönnt, das Erstlingswerk in den Händen zu halten.
September 2013 September 2013 Ich mache mich auf den Weg nach Wladiwostok. Dort möchte ich Stoff für meinen neuen Roman sammeln – Dattans Erbe . Ich will mich auf Spurensuche begeben und erfahren, was von Kunst & Albers, einem deutschen Kaufhaus, übrig geblieben ist. Die Hamburger Unternehmer Gustav Kunst und Gustav Albers hatten vor knapp 150 Jahren in Wladiwostok ein Geschäft eröffnet. Damals gab es dort nur ein paar Holzhütten und einen militärischen Vorposten. In wenigen Jahren hatten die beiden ein riesiges Handelsimperium aufgebaut: Über dreißig Verkaufsfilialen in der Region, Versicherungsgesellschaften, Schifffahrtslinien, Banken und Bergwerke. Bevor in Deutschland die Warenhausidee geboren war, hatten Kunst & Albers dieses Verkaufsmodell längst erfolgreich in Russisch-Fernost etabliert. Mir imponierte, was sie in so kurzer Zeit erreicht hatten und wie sehr ein einziges Unternehmen einen ganzen Landstrich hatte prägen können. Die erste Glühbirne östlich des Urals brannte bei Kunst & Albers … Diesem kometenhaften Aufstieg will ich nachspüren. Ich möchte schauen, was im Archiv, in den Akten dazu zu finden ist. Was wissen die Einwohner der Stadt heute noch darüber? Ist etwas von dieser Goldgräberstimmung haften geblieben? Und mich interessiert das gegenwärtige Wladiwostok – eine Stadt am Pazifik, 10 000 Kilometer von Moskau entfernt. Bis 1992 eine geschlossene Stadt, die hermetisch nach außen abgeriegelt war, weil dort die sowjetische Pazifikflotte lag. Ein Wirtschaftsstandort, der sich heute stärker an Japan, China und Korea orientiert denn an Moskau. Das alles will ich näher kennenlernen. Im Gepäck habe ich das Tagebuch von Adolph Dattan, dem letzten Geschäftsführer und Teilhaber von Kunst & Albers, das ich von seinem Enkel bekommen habe. Ein paar Kontakte habe ich angebahnt, aber nichts fest geplant. Ich will mich überraschen, mich treiben lassen. Insgesamt habe ich nur zwölf Tage. Das ist nicht viel, aber für einen Eindruck soll es reichen.
6. September 2013 6. September 2013 Zwischenlandung in Moskau. Ich bin bei schönstem Sonnenschein in Berlin losgeflogen, hier ist es kalt und es regnet in Strömen. Ich habe ein paar Stunden Zeit. Auf dem Flughafen kann ich ins Internet, überall offene Netzwerke. Eine Leni Schwarz aus Stuttgart hat mir geschrieben und den Kontakt zu einer Irina hergestellt. Sie sind alle irgendwie mit Kunst & Albers verbunden, jedoch weiß ich noch nicht wie. Ich antworte allen und maile munter weiter, bis mein Anschlussflug aufgerufen wird. Moskau: Nein, kein Zirkus, sondern die Passkontrolle auf dem Flughafen Sheremetjewo
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Impressum
In Erinnerung an meinen Vater, der immer gewollt hat, dass ich bei meinen Reisen fotografiere und schreibe. Leider ist es ihm nicht mehr vergönnt, das Erstlingswerk in den Händen zu halten.
Ich mache mich auf den Weg nach Wladiwostok. Dort möchte ich Stoff für meinen neuen Roman sammeln – Dattans Erbe . Ich will mich auf Spurensuche begeben und erfahren, was von Kunst & Albers, einem deutschen Kaufhaus, übrig geblieben ist. Die Hamburger Unternehmer Gustav Kunst und Gustav Albers hatten vor knapp 150 Jahren in Wladiwostok ein Geschäft eröffnet. Damals gab es dort nur ein paar Holzhütten und einen militärischen Vorposten. In wenigen Jahren hatten die beiden ein riesiges Handelsimperium aufgebaut: Über dreißig Verkaufsfilialen in der Region, Versicherungsgesellschaften, Schifffahrtslinien, Banken und Bergwerke. Bevor in Deutschland die Warenhausidee geboren war, hatten Kunst & Albers dieses Verkaufsmodell längst erfolgreich in Russisch-Fernost etabliert. Mir imponierte, was sie in so kurzer Zeit erreicht hatten und wie sehr ein einziges Unternehmen einen ganzen Landstrich hatte prägen können. Die erste Glühbirne östlich des Urals brannte bei Kunst & Albers …
Diesem kometenhaften Aufstieg will ich nachspüren. Ich möchte schauen, was im Archiv, in den Akten dazu zu finden ist. Was wissen die Einwohner der Stadt heute noch darüber? Ist etwas von dieser Goldgräberstimmung haften geblieben? Und mich interessiert das gegenwärtige Wladiwostok – eine Stadt am Pazifik, 10 000 Kilometer von Moskau entfernt. Bis 1992 eine geschlossene Stadt, die hermetisch nach außen abgeriegelt war, weil dort die sowjetische Pazifikflotte lag. Ein Wirtschaftsstandort, der sich heute stärker an Japan, China und Korea orientiert denn an Moskau. Das alles will ich näher kennenlernen. Im Gepäck habe ich das Tagebuch von Adolph Dattan, dem letzten Geschäftsführer und Teilhaber von Kunst & Albers, das ich von seinem Enkel bekommen habe. Ein paar Kontakte habe ich angebahnt, aber nichts fest geplant. Ich will mich überraschen, mich treiben lassen. Insgesamt habe ich nur zwölf Tage. Das ist nicht viel, aber für einen Eindruck soll es reichen.
Zwischenlandung in Moskau. Ich bin bei schönstem Sonnenschein in Berlin losgeflogen, hier ist es kalt und es regnet in Strömen. Ich habe ein paar Stunden Zeit. Auf dem Flughafen kann ich ins Internet, überall offene Netzwerke. Eine Leni Schwarz aus Stuttgart hat mir geschrieben und den Kontakt zu einer Irina hergestellt. Sie sind alle irgendwie mit Kunst & Albers verbunden, jedoch weiß ich noch nicht wie. Ich antworte allen und maile munter weiter, bis mein Anschlussflug aufgerufen wird.
Moskau: Nein, kein Zirkus, sondern die Passkontrolle auf dem Flughafen Sheremetjewo
Ankunft in Wladiwostok. Ich warte ungeduldig am Gepäckband. Im Flugzeug hatte eine Dame eine Reihe hinter mir ihren Nachbarn gewarnt, dass man sein Gepäck nie von Berlin aus direkt durchchecken lassen solle, weil es dann meist woanders ankommt. Besser man holt es beim Zwischenstopp in Moskau ab und checkt es dort neu ein. Ich hatte meinen Rucksack natürlich durchgecheckt, schon um die Frau loszuwerden, die mir auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld eine Riesentasche zur Mitnahme nach Moskau aufhalsen wollte. Die sei ganz leicht, stöhnte sie in gekrümmter Haltung. Mein Durchchecken bot mir eine Ausrede und ich galt nicht gleich als 9 - 11-Weichei.
Mein Rucksack ist da. Erleichterung. Vor dem Ausgang eine riesige Menschentraube. Dort vergleichen zwei uniformierte Damen die Gepäckschnipsel am Ticket mit den Bändern am Gepäck. Das Ticket habe ich gerade im Rucksack verstaut, das Band vom Rucksack abgerissen und zusammengeknüllt. Ich wollte das weghaben, um in der Stadt nicht aufzufallen. Super. Also gehe ich einfach schnell und entschlossen an der Traube vorbei. Keiner bemerkt mich.
In der modernen, etwas sterilen Flughafenhalle sehe ich keinen Schalter zum Geldwechseln, nur Bankautomaten. Ich habe keine Karte dabei, nur Bargeld. 500 Euro in der Jackentasche, 500 Euro in meiner Jeans. In Moskau hatten sie mir neulich meine Geldbörse geklaut. Hier will ich schlauer sein. Eine Frau verweist mich auf die zweite Etage. Eine Filiale der Sparkasse. Glück gehabt. Dann gehe ich zum Aeroexpress, der halbstündlich fahren soll. Der Zug ist gerade weg, der nächste fährt in anderthalb Stunden. Also zum Bus. Als ich drinsitze, ärgere ich mich, dass mein Fotoapparat im Rucksack ist. Den habe ich gerade im Busbauch verstaut. »Das kostet extra«, hatte mir der Fahrer vor dem Einsteigen zu verstehen gegeben. Eine Schaffnerin fährt mit, kassiert jeden Zusteiger ab und verteilt Fahrscheine, unheimlich lange Streifen. Der Bus muss aus den Siebzigerjahren stammen. An den Fenstern und vor den Gepäckablagen hängen bunt bestickte Gardinen. Dazu diese altmodischen Sitze und der gemusterte Fußbodenbelag … Schade, dass man Gerüche nicht aufnehmen kann.
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