»Sie Made haben überhaupt keine Ahnung«, knurrte Roof mit einer finsteren Stimme, die Skinner noch nie zuvor von ihm gehört hatte. »Also haben Sie sich auch kein Urteil zu erlauben. Machen Sie das nie wieder, Cyrus. Nehmen Sie sich noch einen einzigen falschen Ton heraus, versuchen Sie mich zu bedrohen und ich mache Sie ein für alle Mal fertig.«
Roof bekräftigte seine Worte mit einem wuchtigen Tritt in Skinners Rücken. Skinner stieß einen Schrei aus, der sich anhörte wie ein Frosch, der im Maul einer Mokassinschlange stirbt. Er nahm die Lautäußerung nicht als seine eigene Stimme wahr, wusste aber, dass der schrille Schrei von ihm stammen musste. Der verlässlich pulsierende Schmerz in seinem Rücken versicherte ihm, dass dies der Fall war.
Skinner hatte weder die Kraft noch genug Luft, geschweige denn eine funktionierende Zunge, um noch etwas zu ihrer Auseinandersetzung beizutragen. Er konnte fühlen, wie das Gewicht seines Körpers auf der Suche nach etwas Komfort in den Boden sank. Durch den Nebel des Schmerzes dachte Skinner bei sich: Das ist der Roof, den ich kenne.
***
General Roof marschierte zum Stadion zurück. Er ballte seine Hände immer wieder zu Fäusten, bevor er sie erneut öffnete und dabei seine Finger so weit streckte, wie es möglich war.
Er stürmte durch den Eingang und ging zurück in den Besprechungsraum, der neben dem Zimmer lag, in dem er, seit letzter Woche geschlafen hatte. Sein Bein schmerzte, als zöge ein Sturm auf. Seine Zähne waren fest zusammengebissen, bis er sprach.
»Computer an«, befahl er. Das Trio der Breitbildschirme flackerte auf. »Konferenz mit den Generälen. Live-Chat.«
Eine Reihe von Zahlen und Buchstaben bewegte sich daraufhin über den mittleren Bildschirm. Er wurde schwarz und startete neu, bevor Roofs Gesicht auf dem fünfzig Zoll großen Screen erschien. Die Monitore zu beiden Seiten klickten und summten.
Auf dem linken Bildschirm, der General Harvey Logan zugewiesen war, blinkte die Meldung »Verbindung offline«. Rechts tauchte das noch verpixelte Gesicht von General Parrott Manuse auf, das sich allmählich scharf stellte.
»Was ist los, Roof?«, fragte Manuse und rieb sich das Kinn, das aussah wie aus Play-Doh-Knete modelliert. Er kaute auf etwas herum. »Ich esse gerade zu Mittag«, schmatzte er. Hinter ihm stand ein Mann mit roten Stiefeln. Es war Manuses Sicherheitschef.
»Ich will sichergehen, dass alle an Bord sind, soweit es den Plan betrifft«, sagte Roof.
Manuses Gesicht auf dem Monitor wurde größer. Seine ohnehin mandelförmigen Augen verengten sich weiter. »Dein Gesicht ist rot«, sagte er. »Und du schwitzt. Was ist los?«
»Wir warten noch auf Harvey«, sagte Roof. »Er ist noch nicht online.«
Manuse spießte mit seiner Gabel etwas auf und schaufelte es sich zwischen die Zähne. Seine Augen bewegten sich nach rechts, während er mit offenem Mund kaute. »Ich sehe ihn auch nicht. Wo steckt er denn?« Der Mann mit den roten Stiefeln brachte ihm eine Flasche Bier und zog sich dann in den hinteren Bereich des Raumes zurück.
»Woher soll ich das wissen?«, entgegnete Roof. »Es ist Sonntag. Normalerweise bleibt er da im Haus.«
»Hm.« Manuse setzte die Flasche an die Lippen und stürzte den Inhalt hörbar hinunter. Sein ausgeprägter Adamsapfel hob und senkte sich, während er so lange trank, bis die Flasche leer war. Er ließ die Lippen erneut aufeinanderschmatzen und leckte die schaumige Flüssigkeit ab.
»Du kannst mir genauso gut gleich sagen, was los ist, und der Kollege Logan wird es dann eben später herausfinden«, sagte Manuse. »Vielleicht spielt er ja mit seinem Baby. Oder er macht mit seiner jungen Mieze rum. Auf jeden Fall habe ich keine Lust, zu warten.«
»Gut«, schnaubte Roof. »Doch es betrifft ihn eigentlich mehr als dich. Einer seiner Captains, Charlie Pierce, ist entweder tot oder wird es bald sein.«
Manuse leckte sich über die Zähne. »Der, den du in den Canyon geschickt hast? Der Spion?«
»Genau«, antwortete Roof. »Er hatte einige gute Informationen für uns, aber er ist offenbar aufgeflogen. Inzwischen haben sie ihn wahrscheinlich gefangen genommen.«
»Das ist alles?«
»Nein«, sagte Roof. »Ich habe noch ein paar Dinge zu besprechen. Als Erstes; hast du deine Trupps aus Dallas losgeschickt?«
»Sie brechen morgen früh auf«, erwiderte Manuse. »Sie werden aber nur langsam vorankommen. Wahrscheinlich brauchen sie einen Tag, bevor sie am Ziel sind. Sie nehmen sich den nördlichen Rand des Canyons vor, wie wir es geplant haben. Als ich zuletzt mit Logan gesprochen habe, hatte er vor, seine Männer nach Nordwesten schwenken zu lassen, damit sie von der Westseite des Canyons aus angreifen können. Sie sollten heute Nacht nach Einbruch der Dunkelheit aufbrechen.«
Roof nickte. »Gut. Die Männer aus San Antonio sind ebenfalls unterwegs. Sie rücken durch Skinners Territorium vor und passieren Abilene auf dem Weg nach Norden. Sie werden den südlichen Rand angreifen. Ich habe außerdem einen Voraustrupp aus Wichita Falls, der schon heute Abend eintreffen könnte. Alles gute Männer, allesamt Bosse mit eigenen Trupps. Sie kommen den Highway 287 entlang und nähern sich dann von Südosten. Sie werden die Lage weiter aufklären und zusammen mit den Informationen von Pierce erhalten wir ein gutes Gesamtbild.«
Manuse steckte einen Finger in ein Nasenloch und popelte ungerührt darin herum, während er sprach. »Und deine Männer in Lubbock dringen von Amarillo aus zum westlichen Rand vor?«
»So ist es.«
»Wir werden uns in einiger Entfernung aufstellen und sie dann in Wellen angreifen«, erklärte Manuse. »Dieser Canyon ist nämlich ein zweischneidiges Schwert.«
»Warum?«
»In den steilen Felswänden können sie sich gut verschanzen«, sagte Manuse. Er redete lebhaft mit seinen Händen. »Sie können es sich dort richtig nett und gemütlich machen, aber es ist für sie unmöglich, uns aus allen Richtungen kommen zu sehen. Sie sind einfach zu wenige, um den ganzen Canyon abzudecken. Wenn wir sie angreifen, werden wir sie umzingeln. Leichte Beute.«
»Vielleicht«, sagte Roof. »In der Vergangenheit mussten sie immer nur einen Teil des Randes bewachen. Sie haben nur die direkten Wege hinunter in den Canyon bewacht und sich sonst auf die Unwegsamkeit des Geländes verlassen.«
»Wir sind auch noch nie mit derart geballter Kraft vorgegangen wie jetzt«, wandte Manuse ein. »Wir haben sie stets glauben lassen, sie könnten sich behaupten und uns in Schach halten. Doch damit ist jetzt Schluss.«
Roof verschränkte die Arme vor der Brust. Er starrte auf den linken Bildschirm, der immer noch schwarz war und erinnerte sich daran, was er mit Skinner gemacht hatte. Eine Welle von Übelkeit überkam ihn, als er darüber nachdachte, wie Marcus Battle die Verteidigung des Canyons koordinieren würde. Er hatte einen Fehler gemacht, als er Battle am Leben gelassen hatte. Trotz der Informationen von Pierce war es das nicht wert gewesen.
Battle mochte einen taktischen Fehler begangen haben und sich auf einem einsamen Abstieg in den Wahnsinn befinden, aber er war ein Glückskind, ein Mann, der einen Schatz am Ende des Regenbogens fand, wo es nicht einmal einen Regenbogen gab. Und in einer Sache hatte Skinner recht: Battle wusste einfach nicht, wann er verloren hatte.
Roof hatte vor nichts und niemandem Angst gehabt, seit er das kleine Feuerwerk in Aleppo überlebt hatte. Er hatte danach beschlossen, furchtlos und rücksichtslos und unmoralisch zu sein. Er verlor sich in der Schwärze des leeren Bildschirms und dachte an die Angst, die unter den unruhigen Stromschnellen durch seinen Darm rauschte.
Marcus Battle machte ihm Angst! Jetzt war es raus. Der Mann, der so lange vor sich hin gelogen hatte, schaffte es schließlich doch, sich die Wahrheit einzugestehen. Deshalb hatte er ihn nicht getötet oder von Skinner erledigen lassen. Er hatte schlichtweg Angst.
Читать дальше