Schon im Januar 1948 wurde die einheitliche kommunistische Jugendorganisation gegründet. Im Februar wurde die endgültige Vereinigung der Sozialdemokratischen Partei mit der Kommunistischen Partei durchgeführt. Die Gleichschaltung schritt mit mächtigen Schritten voran. Noch im gleichen Monat zeichnete sich ab, dass die Kommunisten „aufzuräumen“ begannen, und zwar durch die Absetzung des Justizministers Lucreţiu Patrăscanu, eines „Nationalkommunisten“. Er wurde zum Tode verurteilt und in Jilava hingerichtet. Ştefan Foriş, ein anderer prominenter Kommunist, war schon vorher mit einem Brecheisen erschlagen worden. Seine Mutter, die zu intensiv nach den Todesumständen ihres Sohnes geforscht hatte, wurde ertränkt.
Im März 1948 fanden die ersten Parlamentswahlen statt. Wie zu erwarten, gewann der Block FDP (Volksdemokratische Front) mit 405 Mandaten vor den Liberalen und der Nationalen Bauernpartei mit sieben und zwei Mandaten. Der Londoner Rundfunk kommentierte diese Wahlen sinngemäß mit den Worten: „Wahlen im Balkanstaat Rumänien waren schon jeher undemokratisch, doch was sich jetzt in Bukarest abgespielt hat, haut dem Fass den Boden raus. Es war der größte Schwindel aller Zeiten.“ Diese Einschätzung stimmte, war aber zugleich ziemlich heuchlerisch, denn schließlich hatte auch Großbritannien seinerzeit Rumänien den Sowjets ausgeliefert.
Zu den ersten tief greifenden Änderungen nach der totalen Machtübernahme der Kommunisten gehörte das Gesetz vom 11. Juni 1948 zur „Nationalisierung“, also Enteignung, der wichtigen Industrieunternehmen, der Bergwerke, Banken, Versicherungen und Transportunternehmen. Im August wurde dann die sogenannte Schulreform beschlossen. Beide Gesetze wurden vom „Volksdemokratischem Parlament“, das jetzt „Große Nationalversammlung“ hieß, verabschiedet. Was die Schulreform angeht, so waren die weitestreichenden Änderungen bei den Humanfächern zu verzeichnen. In der Literatur zum Beispiel waren plötzlich die russischen Schriftsteller die wichtigsten der Weltliteratur und im Geschichtsunterricht drehte sich plötzlich alles um sozialpolitische Bewegungen, Revolten, Bauernkriege und Revolutionen, die zu den größten Ereignissen der Menschheitsgeschichte hochstilisiert wurden. Weitere Änderungen, wie etwa die Tatsache, dass infolge der Reform zukünftig auch Mädchen in unserer Schule zugelassen waren, wirkten sich weniger einschneidend aus. Um die Umerziehung – besonders der Jugend – noch gründlicher zu gestalten, wurden frühere Publikationen aller Art geprüft und nach politisch-ideologischen Gesichtspunkten aussortiert. Aus öffentlichen Bibliotheken wurden mancherorts bis zu 90 Prozent der Bestände entnommen und vernichtet. Täglich rollten Eisenbahnwagen voller aussortierter Bücher zur Schuhfabrik „Banat“, wo mit diesen Büchern die Dampfkessel der Fabrik befeuert wurden. Diese Bücherverbrennung geschah freilich, ohne weltweite Proteste und Empörungen auszulösen.
Diese Zustände wurden keineswegs immer widerstandslos hingenommen. Es gab fast überall örtliche Erhebungen und auch ganz aktive Widerstandsgruppen, hauptsächlich unter dem Kommando ehemaliger Offiziere, die jahrelang die Securitate in Atem hielten. Was aber fehlte, war eine zentrale Organisationsstruktur, weshalb es natürlich nur eine Frage der Zeit war, bis eine Gruppe nach der anderen aufgespürt und vernichtet war. Tausende ehemalige Widerständler sollten, wenn sie nicht hingerichtet wurden, in den folgenden zwei Jahrzehnten die ungezählten Lager und Gefängnisse durchleiden müssen.
In der Zwischenzeit wechselte ich auf die neu entstandene Sportschule, deren Leiter, Professor Iovănescu, ich bereits aus dem Verein für Leichtathletik „Prima Banat“ – später aus politischen Gründen in „Spartac“ umbenannt – kannte. Hier lernte ich neue Freunde kennen, von denen viele Mitglieder unserer Widerstandsbewegung werden sollten. So etwa Jakob Stein, Ernst Warga, Dietmar Brössner und Andreas Jasberenyi. Ferner Emmerich Hochstrasser, Sohn einer angesehenen und wohlhabenden Familie aus Temeschburg, und Egon Zirkl, Sohn des Arztes Emil Zirkl aus Ulmbach, der an den Folgen von Misshandlungen, die er durch serbische Partisanen während seiner zusammen mit seiner Familie im Herbst 1944 versuchten, aber missglückten Flucht nach Deutschland erlitten hatte, schon 1946 verstorben war.
Unser Widerstand 1948–1951
Vor dem Hintergrund der geschilderten Gesamtumstände jener Zeit reifte bei meinen Freunden und mir der Entschluss, gegen die neuen Machthaber Widerstand leisten zu müssen, und zwar organisierten Widerstand. Gleichzeitig wollten wir uns für den großen Krieg zwischen Ost und West, von dessen Ausbruch in naher Zukunft wir – und nicht nur wir – felsenfest überzeugt waren, vorbereiten. Wir dachten an einen freiwilligen Einsatz als Untergrundkämpfer im Falle des Ausbruchs eines Dritten Weltkrieges und wollten zu diesem Zweck weitere Mitstreiter, aus Sicherheitsgründen vorerst nur Deutsche, in einer großen Organisation zusammenfassen.
Die konkrete Gründung unserer Geheimorganisation erfolgte im Herbst 1950, als wir unser Hauptziel definierten: Wir wollten die kommunistische Gewaltherrschaft in enger Zusammenarbeit mit dem rumänischen Widerstand mit allen verfügbaren Mitteln beseitigen. Sozusagen als Solidaritätsbeitrag der deutschen Minderheit.
Zu diesem Zweck wollten wir:
•neue Mitglieder werben und in die Organisation eingliedern,
•Material und Ausrüstung für den bewaffneten Kampf beschaffen,
•Ausrüstungsgegenstände – soweit möglich – fertigen,
•uns eine theoretische Kampfausbildung aneignen bzw. eine solche vermitteln,
•praktische Gelände- und Schießübungen durchführen,
•Propagandamaterial fertigen und verteilen,
•Maßnahmen der Gegenpropaganda durchführen,
•Sabotageaktionen durchführen und
•eine Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Geheimorganisationen versuchen.
Wegen meiner schon im Vorfeld gezeigten Initiative sollte ich die Führungsrolle übernehmen. Zu den ersten Mitgliedern unserer Gruppe gehörten Fredi Prack, Franz Bayer und später Harry (Engelhard) Mildt, mein verlässlichster und aktivster Mitstreiter.
Das Sammeln von pyrotechnischen Materialien hatte – wie bereits geschildert – bei uns „Tradition“. Von den seinerzeit gesammelten Materialien hatten wir einen ganz ansehnlichen Haufen gelagert, vor allem Elektron aus Stabbrandbomben, Thermitpulver (ebenfalls aus Brandbomben), militärisches Schießpulver aus Artilleriegranaten und einige Kilogramm TNT in Form von Stangen, Würfeln und Bruchstücken. Dazu ein 0,5-Kilogramm-Würfel Nitrozellulose aus Wehrmachtsbeständen. Wir sammelten auch fleißig deutsche Granatwerfer- und Artilleriegeschosse, manche ohne Zünder, was besonders günstig war, weil man dann gefahrlos an die Sprengstoffladung gelangen konnte. Von meinem Bekannten Hans Portscheller erfuhren wir zum Beispiel von einem aufgegebenen Munitionslager außerhalb der Stadt. Wir begaben uns hin, sammelten etwa 20 Sprengkörper und vergruben sie in einem Granattrichter, von welchen es viele in der Umgebung gab. Geplant war, später den gesamten Munitionsbestand nach und nach in die Stadt zu schaffen. Vorläufig nahmen wir jedoch nur zwei oder drei Geschosse mit, aus welchen ich fast zwei Kilogramm TNT gewinnen konnte.
Eine heiklere Aufgabe war die Fertigung von brauchbaren Brandsätzen, Nebeltöpfen, Zündkapseln, Zündschnüren und der Kleinkalibermunition für Schießübungen. Als Material für Brandsätze besaß ich noch die erwähnten unverbrannten Wandungsstücke der Brandbomben, doch konnten wir deren Bearbeitung nur während der Abwesenheit meines Vaters in dessen Werkstatt vornehmen. Das war meistens sonntags möglich, und zwar im Sommer, wenn meine Eltern beim Angeln waren. Ich blieb an solchen günstigen Tagen daheim, für gewöhnlich mit der Ausrede, dass ich zu einer sportlichen Veranstaltung müsse. Dann wurden meine Kameraden schnell zur Arbeit zusammengetrommelt und es wurden aus Stabbrandbombenresten zylindrische Körper gedreht, aus denen Brandsätze gefertigt werden sollten. Wir haben nach und nach etwa ein Dutzend hergestellt und gelagert. Die Erprobungen dieser von mir entwickelten Brandsätze wurden im Gelände an der Temesch durchgeführt. Im letzten Jahr unserer geheimen Tätigkeit wurde Herbert Winkler zu unserem Chemiker. Die von ihm geschaffenen Zündschnüre brannten verlässlich, sogar unter Wasser, und nachdem es ihm gelungen war, auch Füllungsmaterial für Nebelgranaten zu mischen, bauten wir auch solche.
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