2007, als er bereits Papst war und die Bischofsversammlung von Aparecida in Brasilien eröffnete, habe ich ihn noch einmal getroffen. Da war er sehr abgeriegelt, aber ich habe diese meines Erachtens total übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen missachtet. Ich habe mir gedacht: Kann mir denn wirklich jemand verbieten, dem Papst die Hand zu drücken? Die Sicherheitsleute wollten mich wegschieben und wurden handgreiflich. Aber ich bin trotzdem hingekommen und habe ihm die Hand gereicht. Der Papst war überrascht: „Ah, Bischof Kräutler, ich habe erfahren, dass Sie im Leben bedroht sind. Sie stehen unter Polizeischutz. Beten wir füreinander!“
1992 war auch das einzige Mal, dass ich als Bischof mit der Nuntiatur in Brasilien zu tun hatte. Die Festrede, die ich in Salzburg nicht halten durfte, habe ich dann im Wiener Rathaus auf Einladung von Bürgermeister Helmut Zilk (1927–2008) gehalten. Der Besuch war überwältigend. Das Thema meines für Salzburg vorbereiteten Vortrags über 500 Jahre Lateinamerika war „Die Nacht ist noch nicht vorüber“. Ich habe dabei auch ohne Umschweife auf die Fehler der Kirche bei der Evangelisierung Lateinamerikas hingewiesen und die Schuld, die sie auf sich geladen hat. Es ging mir nicht um eine pauschale Verurteilung, sondern darum, dass wir aus Fehlern lernen und heute andere Wege einschlagen müssen. Das hat offenbar jemand im Auftrag der Nuntiatur in Wien mitgeschrieben. Man konnte mir aber nichts anhaben. Ich habe dem Nuntius sogar das gesamte Manuskript geschickt. „Die Nacht ist noch nicht vorüber“ ist beim Picus Verlag, Wien, in der Reihe Wiener Vorlesungen , Band 124, erschienen.
Aber es gab da jemanden, der den Vortrag gehört hat und furios nach Rom berichtete, ich hätte die Kirche und den Papst angegriffen. So bekam ich über die Nuntiatur in Brasilien einen Brief mit der Aufforderung, dazu Stellung zu beziehen. Das habe ich bis heute nicht gemacht. Ich habe nicht geantwortet. Der Brief war so etwas wie ein Schlag in die Magengegend und bereitete mir mindestens eine schlaflose Nacht. Welcher Bischof will denn schon einen solchen Brief von der Nuntiatur bekommen.
Was sollte ich tun? In meiner Not rief ich Dom Tiago Ryan an, meinen Nachbarbischof von Santarém. Ein US-Amerikaner, ein heiligmäßiger Mann Gottes! Er war mir ein väterlicher Freund und starb 2002 an meinem Geburtstag. Als ich ihm sagte, ich hätte einen Brief von der Nuntiatur erhalten, fragte er scherzend: „Was hast du denn angestellt?“ – „Angestellt habe ich nichts. Der Brief nimmt Bezug auf meinen Vortrag in Wien.“ – „Schreib nicht zurück!“, sagte er kurzerhand. Das hat mir zuerst nicht ganz eingeleuchtet. Ich war ziemlich in Fahrt, denn ich wurde zu Unrecht beschuldigt. Aber Dom Tiago gab mir einen weisen Rat: „Wenn du antwortest, dann wird ein Akt angelegt. Das musst du vermeiden.“ Ich habe nicht zurückgeschrieben und tatsächlich war die Sache damit offenbar erledigt. Ich bekam kein weiteres Schreiben von der Nuntiatur und ich nehme an, dass es auch keinen Aktenvermerk „Kräutler/Wien“ gibt.

Der Fluss Xingu in Amazonien, Lebensader und Verkehrsweg der Diözese von Erwin Kräutler (© Fotolia)

Die Bischofsstadt Altamira (© SEI SO FREI/Wolfgang Heindl)

Erwin Kräutler als junger Priester in einer Gemeinde am Xingu

Am Tag seiner Bischofsweihe mit seinem Onkel und Vorgänger im Bischofsamt Erich Kräutler

Ad-Limina-Besuch in Rom bei Papst Johannes Paul II. im Jahr 1990

Ad-Limina-Besuch bei Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010

Mit dem bekannten Indio-Vertreter Raoni Metuktire, ein Kayapó aus Mato Grosso

Bei einer Demonstration gegen Belo Monte im Jahr 2008

Die Kayapó-Frau Moiangri klopft dem Bischof auf die obere Brusthälfte und sagt mehrmals „i kra“, mein Sohn.

Beratung mit dem führenden Indio Motê

Bischof Kräutler zeigt jenen Stadtteil von Altamira, der wegen des Staudamm-Projekts Belo Monte überflutet wird. (© Josef Bruckmoser)

Am Schreibtisch in der Prälatur von Altamira. Der Laptop ist die Verbindung in die Welt und das Archiv für Dokumente. (© Josef Bruckmoser)

Begegnung mit der Selbstbesteuerungsgruppe „Bischof Kräutler“ in Vorarlberg

Mit Verantwortlichen der Aktion SEI SO FREI in Salzburg, v. l.: Wolfgang Heindl, Helmut Dachs und Peter Ebner (© Andreas Praher)

Aufnahme in die Academia de Letras des Altamira am 30. September 2011

Verleihung des Alternativen Nobelpreises in Stockholm am 6. Dezember 2010 (© Kommunikation Right Livelihood Award)
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