in Zusammenarbeit
mit Josef Bruckmoser
Mein Leben
für Amazonien
An der Seite
der bedrängten Völker
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
© 2014 Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung und Layout: Tyrolia-Verlag, Innsbruck
Umschlagfoto: Andrea Frischauf, Innsbruck, © Tyrolia
Bildnachweis: Alle Bilder, bei denen kein Copyright bei der Bildlegende angegeben ist, stammen von Erwin Kräutler/Archiv Prälatur Xingu
Bildbearbeitung: Artilitho, Trento (I)
Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal
ISBN 978-3-7022-3387-7 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-7022-3388-4 (E-Book)
E-Mail: buchverlag@tyrolia.atInternet: www.tyrolia-verlag.at
Vorwort
Mein halbes Jahrhundert am Xingu
1.Von Koblach über Salzburg nach Amazonien
2.Ein Bischof und Pendler zwischen zwei Welten
3.Wie ich Kraft und Hoffnung schöpfe
4.Aggiornamento – auf den Spuren des Konzils
Mein Einsatz für Mensch und Mitwelt
5.Bedrängnisse, Anschläge und Todesopfer
6.Die anhaltende Vernichtung des Regenwalds
7.Der lange Weg der Indios in die Verfassung
8.Der Alternative Nobelpreis als Ermutigung
Meine Hoffnung für die Kirche
9.Das neue Gesicht der armen Kirche
10.Das neue Gesicht der „katholischen“ Kirche
11.Das neue Gesicht der Gemeinde-Kirche
12.Das neue Gesicht der „Franziskus“-Kirche
Schlusswort
Lebenslauf
Ehrungen
Erwin Kräutler hat die Entwicklung von Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil intensiv erlebt und nachhaltig mitgestaltet. Kein anderer Österreicher kann diese Geschichte so authentisch erzählen wie der gebürtige Vorarlberger. „Dom Erwin“ ist zum Inbegriff für das Lebensrecht der indigenen Völker in Amazonien und für die Bewahrung ihrer Mitwelt geworden. Mit diesem persönlichen Einsatz steht er Wirtschaftsbossen und Landräubern im Weg, die mehrmals nach seinem Tode getrachtet haben.
Die Bischofsstadt Altamira an der Transamazônica im Bundesstaat Pará ist ein Brennpunkt der gesellschaftlichen und sozialen Konflikte in Brasilien. Der Stausee des riesigen Kraftwerks Belo Monte setzt ein Drittel der Stadt unter Wasser. Bis zu 40.000 Menschen verlieren ihre Häuser und ihre Existenz am Flussufer des Xingu. Über diese dramatische Entwicklung hat der Bischof in einer exklusiven Audienz am 4. April 2014 in Rom auch Papst Franziskus informiert.
Erwin Kräutler sagt von sich selbst „Ich bin Brasilianer, in Österreich geboren“. Jahr für Jahr pflegt er den Kontakt zu seiner Familie sowie zu Freunden und Unterstützern in ganz Österreich. Selbstbesteuerungsgruppen und die Aktion SEI SO FREI der Katholischen Männerbewegung tragen die Seelsorge, die Bildungsarbeit und die Sozialprojekte in der Prälatur Xingu maßgeblich und dauerhaft mit.
Seit fünf Jahrzehnten ist der Ordensmann, der am 12. Juli 1939 in Koblach geboren wurde, ein Wanderer zwischen den beiden Welten. Die doppelte Staatsbürgerschaft von Österreich und Brasilien eröffnet ihm über den 75. Geburtstag hinaus hüben wie drüben alle Möglichkeiten. Die Geschichte der Prälatur – von der Mission über die Befreiungstheologie und die Basisgemeinden bis zur Kirche des Volkes Gottes – harrt einer Aufarbeitung. Die Brasilianische Bischofskonferenz kann angesichts neuer Bedrängnisse für die indigenen Völker nicht auf die Expertise ihres langjährigen „Indio-Bischofs“ verzichten. Zahlreiche Gemeinden in Österreich freuen sich, wenn ihre Jugendlichen einem menschlich beeindruckenden und spirituell tief in der Bibel verankerten Firmspender begegnen.
Dieses Buch zeichnet ein halbes Jahrhundert Leben in Amazonien nach. Es handelt vom Österreicher in Brasilien, vom bedrängten und verfolgten Freund der Armen und der Indios sowie vom Verkünder einer befreienden, frohen Botschaft. Zwei Tage lang hat Erwin Kräutler mir dafür in Koblach aus seinem reichen und erfüllten Leben erzählt. Dazu kamen wichtige Dokumente, Ansprachen und Predigten aus seinem unerschöpflichen persönlichen Archiv. Nachhaltig spiegeln sich in Text und Bild auch meine persönlichen Eindrücke von einer zehntägigen Projektreise in Amazonien. Wolfgang Heindl hat diese Begegnungen an den Wirkungsstätten des Bischofs in Altamira, an der Transamazônica und am Xingu umsichtig vorbereitet und begleitet.
Aus diesen Quellen habe ich als Co-Autor ein Manuskript verfasst. Bischof Erwin selbst hat den Text zuletzt in tagelanger Kleinarbeit ergänzt, präzisiert und vervollständigt. Mit vereinten Kräften ist auf diese Weise „Amazonien, mein Leben“ entstanden.
Salzburg, im April 2014
Josef Bruckmoser
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KAPITEL |
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Mein halbes Jahrhundert am Xingu
1.Von Koblach über Salzburg
nach Amazonien
Aufgewachsen in Vorarlberg – mit der KAJ
Ich bin in Koblach 153, heute Dorf 48, in Vorarlberg geboren und aufgewachsen. Dort hat mich schon früh die Erfahrung mit der KAJ, der Katholischen Arbeiterjugend, sehr geprägt. Obwohl Student, habe ich in den 1950er Jahren in Koblach die KAJ mitbegründet. In den Ferien habe ich auf dem Bau gearbeitet. Unsere Familie war eine Großfamilie mit sechs Kindern. Der Vater war Alleinverdiener. Damit ich auch selbst einmal etwas in der Tasche hatte, nutzte ich die Schulferien, um etwas Geld zu verdienen. So bin ich mit der Arbeiterschaft in Kontakt gekommen, mit den Bauarbeitern und habe mich mit ihnen befreundet. Diese Freundschaften halten bis heute an.
Sehr beeindruckt haben mich in meiner Gymnasialzeit die französischen Arbeiterpriester. Irgendjemand, ich weiß absolut nicht mehr, wer es war, gab mir den Roman Die Heiligen gehen in die Hölle von Gilbert Cesbron zu lesen. Der Roman erzählt, wie der Priester Pierre sich entschloss, in der Banlieue von Paris mit Fabrikarbeitern zusammenzuleben, und selbst Fabrikarbeiter wurde. Hautnah erlebte er die familiären und Einzelschicksale der Arbeiter und bewies in einem vom Klassenkampf geprägten Milieu, dass die Liebe mächtiger ist als aller Hass. Ich war begeistert von dieser Art, Priester zu sein. Es gab auch in Vorarlberg einige Priester, die in diese Richtung gegangen sind. Sie waren keine Arbeiterpriester im engeren Sinne, aber sie waren für mich Vertreter einer Kirche, die heruntersteigt. Das war genau das, was ich mir damals von der Kirche erwartet habe, dass sie herabsteigt und im Arbeitermilieu landet.
Ich habe in Vorarlberg ganz konkret die Probleme der Arbeiter erfahren, ich möchte fast sagen, ihre Orientierungslosigkeit. Man kann sich das heute nicht mehr so vorstellen, aber jeder Arbeiter hat etwas gesucht, jeder wollte, dass sein Leben gelingt. Gleichzeitig hat aber jeder erlebt, dass er als Arbeiter zur untersten Kategorie in der Gesellschaft gehörte – „Wir sind eben nur Maurer, Baraber, Handlanger“.
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