HELGE-ULRIKE HYAMS
Das Alphabet der Kindheit
Von A wie Atmen
bis Z wie Zaubern
»Es ist deine Zukunft, an die du dich erinnerst.«
Anne Michaels
Vorwort VORWORT »Wie kamen unsere Kinder zustand? Wie wurden sie groß?« Giorgos Seferis Die Struktur des Alphabets – sie steht unerschütterlich fest. Jeder Buchstabe nimmt seinen angestammten Platz ein und folgt dem vorhergehenden. Die Themen dieses Alphabets der Kindheit dagegen wählte ich frei und subjektiv. Ich bin mir sicher, dass jeder von Ihnen eine andere, ebenso eigensinnige, ebenso subjektive Auswahl treffen würde. Jeder von uns trägt sein eigenes Wörterbuch der Kindheit in sich, gespeist von seinen persönlichen Erfahrungen und Neigungen. Eine Anleitung, wie das Alphabet der Kindheit zu lesen sei, gibt es nicht. Seine 26 Buchstaben, jeder für sich einzigartig in Wesen und Gestalt, sind unsere treuen Begleiter. Sie schaffen das Gerüst und den Rahmen, der uns Orientierung gibt beim Durchwandern der Kindheit. Es liegt ganz an Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ob Sie diese abschreiten von A bis Z, so wie Sie es damals als Kind in der Schule gelernt haben, oder ob Sie nach eigenem Begehren zwischen den Buchstaben herumspazieren wie in einem wilden Garten. Alles ist möglich. Helge-Ulrike Hyams
Einleitung
A
ABC-Lernen
Adoption
Anders sein
Angst
Archetyp Kind
Atem
Autismus
B
Baum
Bindung
Blind
Brot
C
Clique
D
Däumling
Disziplin
E
Eifersucht
Einsamkeit
Eis
Ekel
Eltern
Ende der Kindheit
Engel
Erstes Mal
Essen
F
Familie
Farben
Ferien
Film
Fliegen
Fragen
Freunde
G
Gang
Garten
Geburt
Gedichte
Geheimnis
Geruch
Geschwister
Gesicht
Glück
Großeltern
H
Haare
Hände
Haus
Heimweh
Honig
Hören
I
Ich
Initiation
Insel
J
Ja und Nein
Jugend
K
Karussell
Kindermord
Kinderwunsch
Kindheitserinnerungen
Kindheitsgeschichte
Kleidung
Körper
Krankheit
Kunst
Kuscheltier
L
Lachen
Lamm
Langeweile
Lehrer
Liebe
Lob
Luftballon
Lügen
M
Magisches Denken
Märchen
Milch
Murmeln
Musik
Mutter
N
Namen
Nest
Neue Medien
O
Opfer
Osterei
P
Pippi Langstrumpf
Puppe
Q
Quälen
R
Raum
Rechts und links
Rituale
S
Sammeln
Sauberkeit
Scham
Scheidung
Schießgewehr
Schlafen und Wachen
Schmetterling
Schnee
Schokolade
Schulschwänzen
Schulweg
Sehnsucht
Selbstmord
Sexualität
Spielzeug
Sprache
Stehlen
Stille
Strafen
Struwwelpeter
T
Tanzen und sich drehen
Teddybär
Tiere
Tod
Träume
U
Ungeborene Kinder
Urvertrauen
V
Vater
Verbotenes
Vögel
W
Wachsen
Wiederfinden
Wiederholung
Wille
Wolfskinder
Wunderkind
Wünschen
Würde
X
Xenophobie
Y
Youngster
Z
Zahl
Zärtlichkeit
Zaubern
Zeit
Zwillinge
Anmerkungen
Zitatnachweise
Für Yannis Behrakis
»Wie kamen unsere Kinder zustand? Wie wurden sie groß?«
Giorgos Seferis
Die Struktur des Alphabets – sie steht unerschütterlich fest. Jeder Buchstabe nimmt seinen angestammten Platz ein und folgt dem vorhergehenden. Die Themen dieses Alphabets der Kindheit dagegen wählte ich frei und subjektiv. Ich bin mir sicher, dass jeder von Ihnen eine andere, ebenso eigensinnige, ebenso subjektive Auswahl treffen würde. Jeder von uns trägt sein eigenes Wörterbuch der Kindheit in sich, gespeist von seinen persönlichen Erfahrungen und Neigungen.
Eine Anleitung, wie das Alphabet der Kindheit zu lesen sei, gibt es nicht. Seine 26 Buchstaben, jeder für sich einzigartig in Wesen und Gestalt, sind unsere treuen Begleiter. Sie schaffen das Gerüst und den Rahmen, der uns Orientierung gibt beim Durchwandern der Kindheit.
Es liegt ganz an Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ob Sie diese abschreiten von A bis Z, so wie Sie es damals als Kind in der Schule gelernt haben, oder ob Sie nach eigenem Begehren zwischen den Buchstaben herumspazieren wie in einem wilden Garten.
Alles ist möglich.
Helge-Ulrike Hyams
»… hinter der Wissenschaft die Dinge erspüren und verehren, auf die es eigentlich ankommt und über die so schwer zu sprechen ist.«
Werner Heisenberg
Im Zentrum des Buches steht das Kind. Es befindet sich in ständigem Wandel: Es wird gezeugt 1und wächst im Mutterleib heran 2, es wird geboren und durchwandert alle Phasen des Wachstums. Dabei pendelt es andauernd zwischen Rückbindung und zukunfts-gerichtetem Vorwärtspreschen.
Ich meine, all diese Erscheinungsformen der kindlichen Metamorphose lassen sich nur ungenügend in vorgegebene theoretische Konzepte pressen. Obgleich lange Zeit als wissenschaftliche Pädagogin tätig, entferne ich mich deshalb hier bewusst vom akademischen Diskurs und fühle mich einem fließenden Denken verpflichtet 3, einem Denken, das Wissenschaft und Kunst, Alltagsbeobachtungen und philosophische Erkenntnis beweglich verbindet.
»Das Leben des Individuums wiederholt das Leben der Spezies.« 4Dieser knappe Satz des englischen Psychiaters Ronald D. Laing durchzieht die Texte wie ein roter Faden. Das Kind, das da geboren wird, kommt niemals als Tabula rasa zur Welt. Es hat bereits einen weiten Weg hinter sich. In seinem individuellen Werdegang, den es nun antritt, wird es noch einmal die verschiedenen Stufen der Menschwerdung durchlaufen, welche die Gesellschaft als Kollektiv schon durchwandert hat. Es wird zunächst die Phase des Vorsprachlichen durchleben 5, es wird – wie seine Spezies – den aufrechten Gang lernen und sich in Sprache und Denken einüben, als sei es der erste Mensch. 6In Wirklichkeit wiederholt es also die Etappen der Menschwerdung am eigenen Leib. Es ist angewiesen auf die Unterstützung der anderen, auf ihr Vorbild, auf ihre Sprache und ihr Mitgefühl, ohne die es nicht wirklich Mensch werden kann.
Dieses Wunder der Wiederholung der Menschheitsgeschichte im einzelnen Kind spielt sich weitgehend unbewusst ab. 7Zu tief gelagert sind die Erinnerungsspuren an jene fernen Zeitdimensionen, in denen die Menschheit sich als solche heranbildete. Nur manchmal, meist in ganz unerwarteten Momenten und gleichsam als Sternstunden der Kindheit, schimmert etwas durch von diesen Reminiszenzen der kollektiven Vergangenheit. Dann nämlich, wenn das Kind in seine Träume versinkt, wenn es mit den Gestalten der Märchen und Mythen verschmilzt und wenn seine ganz eigene Logik von der unseren entrückt zu sein scheint.
Читать дальше