Lilly Grünberg - Mein

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Dein, Sein … Mein
Linus ist Pannenhelfer bei den «Orangen Engeln». Auf der Rückfahrt von seinem letzten Einsatz wird die Autobahn plötzlich wegen eines schweren Unfalls gesperrt und Linus steckt mittendrin im Stau fest. Was soll er tun? Seit Wochen trifft er seine neue Bekanntschaft nur im Chat einer Partnervermittlung und heute soll ihr erstes Live-Date sein. Er darf sie auf keinen Fall versetzen, denn sein Horoskop verspricht ihm, dass er genau heute seine Traumfrau trifft. Nur einer kann ihn in dieser Situation retten: sein bester Freund Maik, der von dieser Idee aber überhaupt nicht begeistert ist. Und dann läuft alles völlig aus dem Ruder .

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Beige Halbsäulen durchbrachen die in Ockertönen marmorierten Wände. Vorgezogene Stuckleisten versteckten die Röhren der indirekten, sanften Deckenbeleuchtung. Schwarze Stehlampen und dazu passende Wandlampen mit tulpenartigen Schirmen aus Milchglas setzten stilvolle Akzente. Ein paar echte Aquarelle mit Städtemotiven vervollständigten das Ambiente. Große Blattpflanzen anstelle von Vorhängen verwehrten zu viel Einblick von draußen durch die bodennahen hohen Fenster.

Die Aufteilung des Restaurants durch viele Raumteiler und weitere große Pflanzen in kleine Sitzgruppen erschwerte Maik die Suche. Die Plätze waren bereits gut besetzt, ohne Vorbestellung war es selbst unter der Woche beinahe aussichtslos, abends einen Tisch zu ergattern.

Runde um Runde suchte Maik und wurde allmählich ein wenig nervös. Hatte er Linus nicht richtig zugehört oder war dies das verkehrte Restaurant? Dann, nur wenige Meter vor ihm, stand eine Frau auf, zog den knapp knielangen Rock ihres Kostüms straff und griff nach ihrer Handtasche.

Maiks Sensoren vibrierten auf Hochtouren. Oha, die fackelte nicht lange, wenn die Verabredung zu spät kam. Die schimmernden schwarzen Haare lockten sich sanft den Rücken herab, fast bis zum Po. Das musste sie sein!

»Maureen?«

Langsam, wie in Zeitlupe, drehte sie sich auf ihren Stilettos um. Ein atemberaubender Anblick. Ein damenhaftes, aber nicht überstylt wirkendes Kostüm, darunter eine elegante Bluse. Ausdrucksvolle Augen und ein sinnlich geschwungener Mund. Und Mann, was für tolle lange Beine diese Frau hatte!

Der Blick aus den strahlend blauen Augen allerdings erschütterte ihn bis ins Mark. Es war kaum zu ertragen, ihrer intensiven Musterung standzuhalten. Dabei verzog sie keine Miene. Ihr Ausdruck war weder freundlich noch spöttisch oder herablassend. Er hätte es nicht benennen können, denn auf diese Weise war er noch nie angeschaut worden. Auf jeden Fall aber war Maik davon in eine Art ehrfürchtiges Erstaunen versetzt, sodass sein Gehirn sich von einer Sekunde auf die andere wie leergefegt anfühlte und er sich entsetzlich willenlos vorkam.

»Linus?«

Ihre Stimme war fest und bestimmend, dabei von einer angenehmen Tonlage, nicht schrill oder durchdringend. Und gleichzeitig lag in diesem einen Wort so viel Strenge, dass Maik mit einem Male bewusst wurde, in was für einem Schlamassel er sich befand.

Er war nicht der, den sie erwartete .

Er hieß nicht Linus .

Er war nicht pünktlich .

Er hatte nicht einmal Blumen zur Begrüßung mitgebracht .

Er war nicht passend gekleidet .

Und warum zum Kuckuck war ihm dies auf einmal wichtig?

Endlich fand er Worte. Er streckte ihr die Hand entgegen, wobei er ein klein wenig zu ihr aufschauen musste und war überrascht über den sicheren Händedruck, mit dem sie seinen erwiderte. Als er sich vorbeugte, um sie zusätzlich auf die Wange zu küssen, wich sie ihm aus.

Wer so vorsichtig war, seine Mobilnummer nicht rauszugeben, ließ sich halt auch nicht beim ersten Kontakt gleich abschmusen. Eigentlich hatte sie recht, so zu reagieren.

»Hallo Maureen, ich freue mich ja so, dich endlich persönlich kennenzulernen und …«

Eine Handbewegung genügte und ihre gebieterische Geste ließ ihn innehalten.

»Kommst du immer zu spät?«, schnaubte sie.

7 Bodennebel waberte über die an die Autobahn grenzenden Grünflächen und - фото 12

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Bodennebel waberte über die an die Autobahn grenzenden Grünflächen und zeugte von Feuchtigkeit und fallenden Temperaturen. Der tagsüber zart keimende Frühling versank des Nachts unter einer herb frostigen Decke.

Morgen muss ich zum Glück nicht fahren , dachte Lola erleichtert. Vor einigen Monaten war ihr das Arbeiten im Homeoffice genehmigt worden und seither durfte sie Dienstags und Freitags zuhause bleiben. Eine, wie sie fand, sehr viel effizientere Art zu arbeiten. Niemand kam herein, um sie abgesehen von einer einzigen wichtigen Frage darüber hinaus in einen längeren privaten Plausch zu verwickeln. Ab und zu war das ja ganz nett und natürlich wollte auch sie ein bisschen mehr von ihren Kollegen erfahren, aber manchmal nervte es sie auch, wenn sie gerade an einer kniffligen Sache saß. Irgendwelche Fragen ließen sich erfahrungsgemäß schneller per Email oder Telefon abklären.

Seither kochte Lola sich an diesen Tagen gegen sechs oder halb sieben Uhr morgens eine Tasse Tee und setzte sich noch im Pyjama an den Rechner. So arbeitete sie am liebsten, im Hintergrund leise Musik aus dem Radio oder von einer ihrer Lieblings-CDs. Ein stressfreier Morgenbeginn, ohne den Krieg auf der Straße. Meistens schaffte sie bis zehn Uhr mehr als an den anderen Tagen und gönnte sich dann ein verspätetes, ausgiebiges Frühstück. Inzwischen freute sie sich schon auf der abendlichen Heimfahrt darauf.

Die beiden Männer schwatzten erstmal eine Runde, ehe sie sich um ihr Auto kümmerten. Vielleicht kannten sie einander von anderen Fällen? Atemwölkchen stiegen vor ihren Gesichtern auf und verloren sich im Dunkeln. Dann endlich nahm der Abschleppwagen seinen kleineren Artgenossen Huckepack.

Wehmut machte sich in Lola breit. Hoffentlich fehlte ihrem Schätzchen nichts Ernstes. Wie süß sich das angehört hatte, als der Pannenhelfer ihren Wagen als »Knutschkugel« bezeichnet hatte. Ja, diesem Auto haftete schon etwas »Nettes« an, so klein und kompakt wie es war. Wobei der Mini sich sportlicher gab, als sie selbst vermutet hatte und ihren Ansprüchen völlig genügte. Und geknutscht hatte sie darin noch nie. Mangels Gelegenheit.

Der Mann vom Abschleppdienst klopfte an die Scheibe und öffnete die Beifahrertür für die Unterschrift unter ein Formular. Er fragte Lola nach ihrem Ziel und ihrer Wunschwerkstatt und sie nannte ihm die Adresse.

Linus startete den Wagen und gähnte kurz hinter vorgehaltener Hand. Mühelos reihten sie sich hinter dem vorausfahrenden Abschleppwagen ein. Vom Stau war inzwischen nichts mehr zu sehen und auch alle Hinweise auf den verursachenden Unfall waren verschwunden.

»Müde?«, fragte Lola und fühlte selbst eine gewisse Schwere in den Gliedern.

»Ein wenig. Jetzt wäre ein doppelter Espresso recht, oder wenigstens ein Kaffee. Aber meine Thermoskanne ist leider auch schon leer.«

»Seit wann sind Sie denn unterwegs?«

»Heute seit acht Uhr.«

»Variiert das?«

»Oh ja, das kommt auf den Einsatzplan an. Manchmal muss ich eine Woche lang morgens um vier raus, dafür die andere Woche erst um zwei Uhr nachmittags, und dazwischen sind wir natürlich auch wechselweise für Wochenend- und Nachtdienst eingeteilt.«

»Ist es nicht recht anstrengend, zu so unregelmäßigen Zeiten zu arbeiten?«

»Eigentlich nicht, daran gewöhnt man sich im Laufe der Jahre. Und wir vertreten ja den Anspruch, zu jeder Tages- und Nachtzeit den Autofahrern zu helfen«, sagte Linus, mit heraushörbarem Stolz. »Und Sie?«

»Ach, ich stehe um fünf Uhr auf, aber ich glaube, daran werde ich mich nie gewöhnen. Das ist einfach nicht meine Zeit.« Lola lächelte. »Wenigstens muss ich an zwei Tagen die Woche nicht ganz so früh raus, weil ich da Homeoffice mache, so wie morgen.«

»Und? Ist das gut oder sind Sie da oft in Versuchung, mal eben zwischendurch die Waschmaschine anzuwerfen oder den Geschirrspüler auszuräumen?«

Lola lachte. »Die Versuchung, sich ablenken zu lassen, ist schon da. Aber das hab ich im Griff. Dafür stehlen mir keine Kollegen die Zeit, die bei mir im Büro herumstehen und reden und reden und vergessen haben, wo die Tür ist.«

»Tja, das kann mir natürlich nicht passieren«, erwiderte Linus und schaute lachend wieder kurz zu ihr herüber.

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