“Feuer einstellen!” wollte ich rufen, konnte aber nur ein lahmes Krächzen hervorbringen. Ich hatte nichts mehr zu befürchten. Die Bestie begann zu schwanken, sie kämpfte gegen die Medikamente in ihrem Blutkreislauf, aber ich hatte ihr genug verabreicht, um einen großen Elefanten einzuschläfern. Selbst die Atlanen waren nicht so robust.
Jack feuerte einen Schuss. Zwei. Genau wie Trinity, und zielte dabei auf die Hive-Implantate an den Beinen und Schultern der Bestie, bis diese schließlich bewusstlos umkippte.
Trinity nahm ihren Helm ab und blickte zu mir, dann blickte sie mit einem zaghaften Leuchten in den Augen auf den gefallenen Atlanen. “Warum hast du das getan, Seth? Warum sollten wir ihn retten?”
“Weil er mein Freund ist.” Einer der wenigen, die noch am Leben waren, wenn man ein Dasein mit Hive-Implantaten als Leben bezeichnen konnte. Aber zumindest hatte er jetzt eine Chance. Die Ärzte würden ihm den Großteil der Technik entnehmen und ihn in die Kolonie schicken. Er würde nie wieder kämpfen, aber wenigstens würde er überleben.
Vielleicht würde er mich dafür hassen. Irgendwie konnte ich es ahnen. Aber ich hatte zu viele Tote gesehen. Er würde einfach damit klarkommen müssen. Er könnte sich für eine Braut testen lassen, so wie meine Schwester Sarah es mir letztes Jahr aufgeschwatzt hatte. In einem schwachen Moment, voller Whisky und Erinnerungen an die Heimat hatte ich nachgegeben und war mit ihr zum Abfertigungszentrum gegangen. Ihr Weihnachtsgeschenk sozusagen. Sie und ihr Auserwählter, Kriegsfürst Dax, waren dermaßen verliebt, dass ich einfach nicht nein sagen konnte. Sie hatte alles riskiert, um mich zu retten. Ihr diesen einen Herzenswunsch abzustreiten stand außer Frage.
Der Test? Nun, der hatte sich als riesiger Fehler entpuppt. Erstens war ein Jahr vergangen, seit ich in diesem blöden Stuhl gesessen hatte und ich hatte immer noch kein Match. Zweitens bezweifelte ich, dass ich bis zum Ende meiner Dienstzeit überleben würde, um eines zu bekommen. Und sollte ich verpartnert werden, bevor mein Dienst zu Ende war, dann würde ich ungern eine trauernde Witwe zurücklassen wollen. Eine schwangere Frau? Ein Kind? Niemals. Denn sollte ich eine Partnerin bekommen, dann würde ich das komplette Programm durchziehen, aber das war unmöglich. Das war mehr als grausam. Ich konnte nicht dermaßen egoistisch sein.
Sarah verstand es nicht. Sie führte ein anderes Leben. Kriegsfürst Dax war nach ihrer Verpartnerung in den Ruhestand gegangen und die beiden lebten jetzt als Zivilisten auf Atlan. Sie waren wohlhabend, wohnten in einem riesigen Haus mit Dienern und er hatte für seine Zeit in der Koalitionsflotte unendlich viele Auszeichnungen erhalten. Sie veranstalteten Dinnerpartys und spielten mit ihrer Tochter. Ein völlig anderes Leben und nicht das, was ich einer Frau bieten konnte.
Dorian kauerte an meiner Seite und wir blickten uns in die Augen. “Mills, du bist total durchgeknallt.”
Ich musste grinsen. Es war nicht das erste Mal, dass Dorian exakt diese Worte zu mir sagte und ich bezweifelte, dass es das letzte Mal sein würde.
“Danke, dass du mich gerettet hast. Und was von meiner Crew übrig ist. Wie lange bleibt uns, bis mein Schiff in die Luft fliegt?” fragte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ich blickte auf den Countdown in meinem Helmvisier. “Zwei Minuten.”
Er grinste nur. “Mehr als genug Zeit.”
Gruppenweise hetzten wir zum Evakuierungsshuttle, sechs Prillonen trugen den ohnmächtigen Atlanen in ihrer Mitte. In den Transporträumen würde es nur so vor Hive-Gesindel wimmeln und uns blieb keine Zeit für eine weitere Auseinandersetzung.
Dorian stürzte sich auf den Pilotensitz und ich gesellte mich hinter ihn, Trinity nahm zu seiner Rechten Platz. Sie war Pilotin. Ich nicht.
Binnen Sekunden gingen die beiden durch ihre Checkliste und meine Knie knickten kurz ein, als das Shuttle sich vom Frachter abkoppelte. Der Ruck bewirkte, dass alle die nicht angeschnallt waren kurz das Gleichgewicht verloren.
“Bereit?” fragte Dorian.
“Bereit,” bekräftigte Trinity, während ihre Hände routiniert über die Steuerung huschten. Ich war zu erschöpft, um auch nur zu versuchen, ihren Bewegungen zu folgen. Das Shuttle schlingerte vorwärts, als die Druckwelle des explodierenden Frachters uns von der Seite traf und mich gegen eine Steuerkonsole hinter Dorians Pilotensitz schleuderte.
Zu meiner Linken schrillte ein Alarm und Dorian langte mit einer irritierten Handgeste nach hinten. “Mills, rühr hier bloß nichts an.”
“Halt’s Maul und flieg,” pöbelte ich zurück.
Er schmunzelte nur und Trinitys Schultern entspannten sich zusehends, als wir uns weiter und weiter von den zertrümmerten Überresten des Hive-kontaminierten Frachters entfernten.
Als wir in sicherem Gebiet waren, in einer Schutzzone, die von den Patrouillen der Kampfgruppe Karter überwacht wurde, ergriff Trinity das Mikrofon. “ReCon 3 für Karter.”
“Schlachtschiff Karter. Ihr Status ReCon 3.”
Trinity blickte zu Dorian, dieser seufzte. “Wir haben acht Crewmitglieder verloren sowie alle Ladegüter des Frachters.”
“Sieben Überlebende?” Richtig, und sie wusste es. Verdammt, so schwer war die Rechnung nun auch nicht. Ich war überrascht, dass diese sieben Mann so lange durchgehalten hatten.
Als Dorian nickte, gab sie die Information an die Kommandobrücke auf der Karter weiter. Ohne Zweifel hörte Kommandant Karter persönlich mit.
“Hier ist Kommandant Karter.”
Ich verdrehte die Augen, als ich die Stimme hörte. Klar hatte er mitgehört.
“Ich möchte gerne Captain Seth Mills Status erfahren.”
Trinity blickte erschrocken zu mir auf. Das war eine Premiere, Karter, der nach einem spezifischen Crewmitglied fragte. Ich beugte mich nach vorne, um ihm selber zu antworten. “Hier bin ich, Kommandant.”
“Ausgezeichnet.” Ich hörte ein scharrendes Geräusch und Kommandant Karter sprach erneut, aber seine Stimme klang leise, als würde er zu jemandem sprechen, der weiter weg war. “Sagt der Erde sie sollen mit dem Transport beginnen.”
“Erde?” fragte ich.
“Ihre ausgewählte Partnerin wird in wenigen Stunden eintreffen, Captain. Ich gratuliere.” Der Kommandant klang erfreut, mein Herz aber wurde plötzlich schwer wie Blei, als das nackte Entsetzen mich überkam. Ach du Scheiße. Einen Hive-gesteuerten Atlanen zu bekämpfen fühlte sich jetzt gar nicht mehr so furchterregend an.
Eine interstellare Braut.
Von der Erde.
“Schickt sie zurück,” plärrte ich.
Dorian wandte sich um und zog sich den Helm vom Kopf, mit weit aufgerissenen, goldenen Augen starrte er mich an. “Was zum Teufel redest du da, Mills? Eine Braut ist das Beste, was dir passieren kann.”
“Nicht für mich.” Ich stierte auf das Steuerpult, als ob ich den Kommandanten dazu bringen konnte mir zu gehorchen. “Schicken sie sie zurück, Sir. Ich kann keine Braut annehmen.”
“Das ist nicht ihre Entscheidung, Captain.” Die Stimme des Kommandanten klang jetzt ungnädig, meine Antwort hatte jegliche Freude über die frohe Botschaft zunichtegemacht. “Sie sind getestet worden und ihnen wurde eine ausgewählte Partnerin zugesprochen. Ihre Braut wird dreißig Tage lang Zeit haben, sie zu akzeptieren oder zurückzuweisen. Diese Entscheidung obliegt ihnen nicht. Ihre Partnerin hat jetzt das letzte Wort, Mills. Ich schlage vor, dass sie zur Karter zurückkommen und sich am Kopf untersuchen lassen. Deck 3.”
“Jawohl, Sir.” Dorian antworte eine Bruchsekunde bevor die Verbindung abbrach. Dann wandte er sich Trinity zu. “Kannst du uns reinbringen?”
“Ja, Sir.”
“Tu es.” Er erhob sich, packte mich am Arm und zerrte mich aus der Pilotenkanzel. “Mills, du kommst mit mir.”
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