1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 »Nicht, dass ich wüsste.«
»Ausgezeichnet.«
Taine setzte sich seine ballistische Sonnenbrille auf die Nase und trat ins Sonnenlicht, um seine Einheit zu treffen.
Die Kleinstadt Rotorua, Montagabend
Nathan Kerei schob sich das letzte Stück des panierten Schnitzels in den Mund. Noch kauend legte er Messer und Gabel ordentlich neben seinem Teller ab, dann schlang er den Bissen hinunter. »Ich hab heute einen Anruf bekommen. Morgen früh muss ich weg, Liebes.«
Aus ihrem Sessel vor dem Fenster und mit einem Auge auf die Wiederholungen von Downtown Abbey fragte ihn Paula: »Noch eine Gruppe? Es ist ziemlich spät für Touristen.«
»Es sind keine Touristen. Die Armee will mich haben.«
»Wieso? Sind wir im Krieg?«, wollte Nathans Enkel wissen. Der Teenager saß neben Nathan. Vor ihm auf dem Küchentisch lagen seine Geographie-Hausaufgaben – sein Lehrbuch, ein paar Buntstifte und ein zerfledderter Schulblock.
Brandon lebte nun schon seit ein paar Monaten bei ihnen, seit Nathans Tochter einen neuen Mann anschleppte und mit ihm ein Baby bekam, Kimbra. Mary war glücklich, doch der arme Brandon kam nie wirklich mit seinem Stiefvater aus. Als die Spannungen zwischen ihnen zu viel für Mary wurden, schalteten sich Nathan und seine Frau ein und boten an, Brandon so lange bei sich aufzunehmen, bis sich die Wogen wieder geglättet hatten.
»Sie wollen mich als Fremdenführer haben.«
»Wieso benutzen sie keine Karte?«
»Weil sie jemanden suchen, der sich besonders gut in der Gegend von Maungapōhatu auskennt.«
Brandon blätterte in seinem Buch herum und zeigte Nathan dann eine Seite darin. »Sie brauchen eine topografische Karte, so wie diese.«
»Das ist nicht das Gleiche, als wenn man den Ort wirklich kennt, Sohn.«
»Aber wieso müssen sie ihn denn kennen?« Brandon blieb beharrlich.
Nathan schob den Anflug von Verärgerung beiseite, den Brandons unablässige Fragen auslösten. Die Teenager von heute stellten eine Menge Fragen. Das brachten sie ihnen in der Schule bei. Anscheinend lernten sie auf diese Weise besser. »Ich bin nicht sicher«, antwortete Nathan. »Es sind wohl auch ein paar Wissenschaftler unter ihnen.«
»Ich wette, das ist nur ein Vorwand für etwas anderes.«
»Und ich wette, es ist nur ein ganz normaler Forschungstrip.«
»Wieso schicken sie dann die Armee?«
Nathan zuckte mit den Schultern. »Um ihnen zu helfen. Die Armee half auch aus, als die Rena vor der Küste von Tauranga Schiffbruch erlitt, erinnerst du dich? Sie säuberten den Strand von Öl und diesen verfaulenden Fleischpasteten. Das gehört zu ihrem Job.«
»Aber haben sie denn dazu überhaupt die Erlaubnis?«, blieb Brandon hartnäckig. »Der Strand gehörte allen, aber Te Urewera gehört uns Tūhoe.«
Nathan trug seinen Teller zur Spüle und schob mit der Rückseite seines Messers ein Stück Fett in den Mülleimer. »Ich nehme an, sie haben um Erlaubnis gebeten, sonst würden wir nicht aufbrechen.« Er spülte seinen Teller ab und stellte ihn auf das Abtropfbrett.
»Aber wen würden sie fragen, Koro? Es gibt mehr als eine Gruppe, die glaubt, für den gesamten Stamm sprechen zu dürfen.«
Da musste er dem Jungen recht geben. Vielleicht waren die ständigen Fragen gar nicht so schlecht für den Jungen.
»Wirst du lange weg sein?«, fragte Paula und unterbrach die Diskussion. Sie streckte einen Arm aus und rollte noch etwas mehr von der rosafarbenen Wolle ab.
»Ein paar Tage, eine Woche vielleicht. Mehr nicht.«
»Dann lege ich dir besser ein paar warme Sachen raus«, sagte sie und stand auf. Sie wickelte den Rest der Wolle auf, beugte sich nach vorn, um ihre Strickarbeit in ihren Handarbeitsbeutel zurückzustecken, schaltete den Fernseher aus und verschwand im Flur. Ein paar Minuten später huschte Nathan in die Garage, um seine Wanderschuhe zu holen.
***
Brandon rechnete sich aus, dass ihm etwa fünfzehn Minuten für einen Anruf blieben, während sein Koro – sein Großvater – auf der Rückseite eine rauchte. Als er hörte, wie seine Großmutter die Schubladen im Schlafzimmer öffnete und wieder schloss, schnappte er sich das Telefon.
»Die schicken die Armee in den Park«, berichtete er dem Jungen am anderen Ende mit leiser Stimme. »Mein Koro wird mit ihnen mitgehen.«
»Die Armee? Das ist verdammt mutig.«
»Denke ich mir auch.«
»Was wollen sie da?«
»Das hat Koro mir nicht verraten.«
»Suchen sie wieder nach diesen Separatisten?«
»Wie ich schon sagte, Koro hat nichts verraten. Außer, dass sie einen Führer brauchen.«
»Mein Dad wird es wissen. Und wenn nicht, wird er es herausfinden.«
»Was wird er unternehmen?«
»Ich weiß nicht. Irgendwas. Die Armee hat hier nichts zu suchen. Der Park gehört dem Volk der Tūhoe.«
Brandon schnitt ihm das Wort ab – diese Alle-Macht-dem-Volke- Ansprache hatte er schon oft genug gehört. »Vergiss nur nicht, deinem Vater zu erzählen, dass Nathan bei ihnen sein wird.«
»Ja, okay, ich sag’s ihm. Mach dir keine Sorgen, deinem Großvater wird nichts passieren. Ich sollte auflegen. Danke für den Tipp.«
»Keine Ursache.«
Central Business District, Sydney, Australien
Die Bedienung des Collar & Thai führte Caren an einen Tisch in einer Nische, wo dicht gewebte Wandteppiche im schwachen Licht schimmerten. Es war noch sehr früh für ein Mittagessen, gerade erst kurz nach 11 Uhr, aber es saßen bereits erste Grüppchen an den Tischen verteilt, ihre Einkaufstaschen übereinandergestapelt gegen die schwarz lackierten Tischbeine gelehnt.
Caren schlüpfte auf die Bank und ärgerte sich, nicht selbst in einer der Boutiquen Halt gemacht zu haben, um nun auch eine Einkaufstasche zwischen ihre Beine klemmen zu können. Damit wäre sie zwischen den anderen Damen, die hier speisten, nicht aufgefallen. Carol hätte beinahe laut aufgelacht – eine Dame, die hier speiste.
Nun, ganz sicher nicht diese Dame.
Ein paar Minuten später bahnte sich ein großer, rotgesichtiger Mann mit Lippen, die ihr immer ein wenig zu schwülstig und feucht schienen, seinen Weg durch das Labyrinth aus Stühlen und Tischen. Caren sah auf die Uhr und lächelte; pünktlich auf die Minute.
Sie stand auf und der Texaner reichte ihr die Hand. Caren ergriff sie und hielt sie bewusst etwas länger fest. Seine Hände waren schwitzig.
»Vernon. Wie nett von dir, dass du dir in deinem Urlaub die Zeit genommen hast«, sagte sie und musste sich zwingen, ihre Hände nicht an ihrem Rock trockenzuwischen.
Mit einem Kopfnicken deutete Vernon auf den Tisch und die beiden setzten sich.
»Zur Mittagszeit wird es hier gern mal richtig voll, also hab ich mir die Freiheit genommen, schon mal für uns zu bestellen«, sagte Caren. Sie schob sich ihre Hände unter die Pobacken und zog dabei ihren Rock unter ihr zurecht. »Barbecue-Enten-Curry und scharfer Rindfleisch-Salat.«
Ein finsterer Blick huschte über das Gesicht ihres Begleiters.
Dumm, dumm, dumm.
Caren hätte sich am liebsten in den Hintern getreten. Sie hätte nicht für ihn bestellen dürfen. Männer wie Vernon Bonnar brauchten das Gefühl, Herr der Lage zu sein, eigene Entscheidungen zu fällen. Zu bestimmen, wo es lang ging. Dieser kleine Fehler konnte sie ihren Deal kosten. Unbehaglich drehte Caren an dem Opal an ihrem Finger und widerstand dem Drang, die Luft anzuhalten. Bonnar aber schien bester Laune zu sein, denn er ignorierte ihren Patzer und rief mit einem Fingerschnippen die Bedienung an ihren Tisch. Er deutete auf einen Punkt in der Weinkarte und scheuchte das Mädchen dann davon.
»Diese Entdeckung … diese Information … ist sie echt?«, wollte er schließlich wissen. Seine gedehnte texanische Sprechweise donnerte dabei durch das Restaurant.
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