»Ich bin noch nicht dazu gekommen, mir die Leitungen anzusehen. Wir haben erst vor ein paar Wochen mit diesem Projekt begonnen. Wo liegt das Problem?«
»Na, dieser Bürohengst hier behauptet, das ganze Teil müsse raus, weil es verrostet ist«, erklärte Regan barsch. »Der einzige Rost, den ich aber sehe, ist dieser Fleck hier, nicht größer als eine Vierteldollarmünze. Schau nur, den kann man abkratzen.«
»Lass gut sein, Brendan«, lenkte Declan ein. »Wir alle hier sind vom Fach.«
»Vom Fach? Von wegen! Der Typ hat keinen Plan.«
»Das reicht jetzt. Mr. Terry arbeitet für die Stadt, und falls wir unsere Geschäftsbeziehungen nach Lynchburg ausweiten wollen, müssen wir uns seine Worte zu Herzen nehmen. Warum wartest du nicht oben, während ich das hier erledige?«
»Gut, du kriechst gern in Ärsche? Dann mach«, grummelte Regan, bevor er sich zwischen Declan und dem Inspektor durchdrängelte. Auf dem Weg zur Treppe murrte er: »Blöder Paragrafenreiter, Sesselfurzer.«
Declan sah zu Terry, während Regan hinaufging. Der Mann schaute ihm mit abschätzigem Blick hinterher.
Dann kehrte sich der Inspektor wieder Declan zu, der sogleich ein Lächeln bemühte. »Ich versuche schon, seit er 30 ist, ihm Manieren beizubringen«, entschuldigte er das Verhalten seines Angestellten, bevor er sich nach vorne beugte, um das Schaltbrett genauer zu betrachten. Mit einem Multifunktionswerkzeug, das er aus seiner Gesäßtasche zog, löste er die Blende der Anschlussdose am unteren Teil des Kastens. Aus dem Inneren ergoss sich rostbraune Flüssigkeit auf den Boden.
»Da haben wir das Problem, Mr. Terry: Grundwasser«, sagte Declan, schloss eine Hand um ein Bündel schludrig isolierter Drähte und zog es heraus. »Wir verlegen einen neuen, wasserdichten Kabelkanal und setzen eine Dose nach NEMA-4-Standard ein. Das genügt doch für eine Nutzungserlaubnis, oder?«
Terry nickte. »Ja, das genügt.«
»Vielen Dank, Sir.« Declan richtete sich auf und gab dem Inspektor wieder die Hand. »Nehmen Sie eine Visitenkarte von mir mit. Darauf steht meine Mobilnummer für den Fall, dass Sie weitere Mängel feststellen.«
Terry steckte sie ein und nahm eine eigene aus seiner Tasche. »Ich komme wieder, um eine letzte Untersuchung durchzuführen, wenn Sie mit der Renovierung fertig sind«, sagte er und reichte Declan die Karte.
Der nickte und folgte ihm die Kellertreppe hinauf. Nachdem der Mann das Haus verlassen und die Eingangstür hinter sich zugezogen hatte, drehte sich Declan um und schaute in die Küche. Constance saß unbequem auf einem umgedrehten Fünf-Gallonen-Eimer, während Regan und Dex neben ihr standen, wobei Regan dämlich grinste, weil er sich bemühte, in ihren Ausschnitt zu schauen. Declan musste auch lächeln, als sie den Dicken mit einem genervten Blick abstrafte und ihre Jacke zusammenzog.
»Du bist also fertig?«, fragte er.
Constance sprang auf und antwortete: »Ja doch, auf jeden Fall.«
»Dex, gute Arbeit, Mann«, lobte Declan, während er seiner Frau die Tür aufhielt. »Ich schau am Montag noch mal vorbei, um euch auf der Terrasse hinterm Haus zu helfen. Regan, du gibst dir in der Zwischenzeit Mühe, uns nicht die ganze Stadtverwaltung auf den Hals zu hetzen, ja?«
Der Angesprochene brummelte noch irgendetwas, als Declan die Tür schloss.
Vor dem Haus ließ sich Constance ein »Bist gefeuert« von den Lippen ablesen.
Declan lächelte sie an. »Er arbeitet für ein geringes Gehalt«, sagte er, schlang einen Arm um ihren Oberkörper und führte sie zurück zum Wagen. »Fahren wir zum Hotel und checken ein.«
18:02 Uhr, Eastern Standard Time – Freitag, C.H. Barton Center – Liberty-Universität, Lynchburg, Virginia
Gegen sechs Uhr am Abend hatte leichter Regen eingesetzt. Als sie zum Campus zurückkamen, folgte Declan den Anweisungen der Parkhelfer mit den orangefarbenen Westen und stellte den Sportwagen seiner Frau auf einem zugewiesenen Platz ab.
Beim Aussteigen schaute er über die Candler's Mountain Road nach Süden. Man betrieb einen erheblichen Sicherheitsaufwand, gerade wie er es erwartet hatte. Weiße Geländewagen mit blinkenden LEDs blockierten Zufahrten und Männer in marineblauen Uniformen, an deren Gürteln gut sichtbar Glock-Pistolen vom Kaliber .40 hingen, standen am Bordstein der Bürgersteige. Nachdem er die Beifahrertür geöffnet hatte, wartete er, bis seine Frau ausgestiegen war.
Aus der Ferne hörte man die empörten Rufe einer Gruppe Demonstranten, die auf einem Gehweg direkt vor dem Universitätsgelände ausharrten, wo eintreffende Gäste sie allerdings nicht übersehen konnten. Manche Dinge änderten sich nie … Abidan Kafni geriet wie viele andere, die lautstark für Amerika und Israel eintraten, ständig ins Kreuzfeuer der Kritik. Man winkte provokant mit Schildern, auf denen Sprüche wie ›für ein freies Palästina‹ oder ›Besatzung ist ein Verbrechen‹ prangten, und stimmte Sprechgesänge an, ein lautes »Stoppt die israelische Aggression« gegen jeden, der sich dem Pulk bis auf 50 Yards näherte.
»Reist Kafni immer mit so viel Geleitschutz?«, fragte Constance, während sie zwischen geparkten Autos zum Haupteingang gelotst wurden.
»Nein, ich glaube nicht – jedenfalls bisher nie. Abgesehen von ihm sind heute Abend ja noch viele andere Gäste da: Senatoren, Kongressabgeordnete und wahrscheinlich auch einige Botschafter. Sehen und gesehen werden.«
»Dass du aber auch immer so ein Pessimist sein musst«, mäkelte sie und verdrehte die Augen.
»Ich ziehe den Begriff ›Realist‹ vor, wenn es um Politiker geht.«
Zwischen dem neuen C.H. Barton Center und dem Hauptcampus verlief die Route 460 vierspurig. Eingebettet im Hang des Liberty Mountain unter dem riesigen Universitätslogo am Berg gab es ein beeindruckendes Bild ab. Das Barton Center – so würden Studentenschaft und Fakultät es wohl verkürzt nennen – war ein ambitioniertes Architekturprojekt. Die Hochschule, die sich nie vor Herausforderungen scheute, hatte es wie erwähnt Thomas Jeffersons einstigem Ruhesitz nachempfunden, nur in einem größeren Maßstab.
Es handelte sich um ein achteckiges, dreistöckiges Bauwerk mit je zwei raumhohen Fenstern pro Seite auf allen Ebenen. Das Gebäude verfügte wie Monticello, die Plantage des früheren Präsidenten, an Vorder- und Hintereingang über je einen weißen Portikus mit Giebeldach, das von vier Marmorsäulen gestützt wurde, während sich an der Ostseite – genau dort, wo auf dem ursprünglichen Anwesen die Bediensteten untergebracht waren – eine lang gezogene, einstöckige Halle anschloss. Am Fuß der Treppe zum Vorbau lag ein kreisrunder Platz, umgeben von einer Hecke, der mit Pflastersteinen ausgelegt an eine Haltestelle für Kutschen erinnerte. In der Mitte ragte ein stattlicher Thomas Jefferson aus Bronze auf, der einen Federkiel und eine Abschrift der Unabhängigkeitserklärung in den Händen hielt. Sein sanfter, aber wissender Blick zeugte von der Ernsthaftigkeit dessen, was er 236 Jahre zuvor auf den Weg gebracht hatte.
Nachdem sie über den Platz zum unteren Treppenabsatz gegangen waren, betraten Declan und Constance ein Zelt, das als abgeschlossener Empfangsbereich fungierte. Mehrere Limousinen entließen ihre Smoking tragenden Insassen, die in den Vorbau eilten, als kämen sie zu spät zu einem wichtigen Treffen.
»Siehst du, was ich meine?«, fragte Declan trocken, während sie auf das Sicherheitspersonal zugingen und einer jener piekfeinen Herren an ihnen vorbeilief, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.
»Ihr Name, bitte«, verlangte ein Wachmann an einem grauen, quadratischen Tischchen.
»Declan und Constance Mc–«
»Ich sagte Name, nicht Namen. Vorausgesetzt, sie ist nicht stumm, darf sie gleich für sich selbst sprechen.«
»Offensichtlich hat sich der Umgangston im Lauf der Jahre nicht großartig geändert«, brummte Declan, ehe er sich laut und deutlich vorstellte: »Declan McIver.«
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