1 ...7 8 9 11 12 13 ...28 »Hi, wie geht es Ihnen?«, grüßte Declan, während er Kafnis rechte Hand losließ und die des Dunkelhaarigen schütteln wollte. Mit seinem runzeligen Gesicht und der glockenförmigen Nase über einem bauschigen Schnurrbart, verkörperte Coulson den typischen Bilderbuch-Akademiker. Sein maßgeschneiderter Anzug knisterte, als er den Arm ausstreckte, als würde der Polyester die Bewegung aus Angst vor einer Falte scheuen.
»Lassen Sie mich raten: Aus dem Osten von Belfast?«, mutmaßte Coulson, als sie sich die Hände gaben, und zeigte lächelnd die Zähne, was ihn ein wenig wie einen Politiker oder Gebrauchtwagenhändler wirken ließ.
»Aus Galway, um genau zu sein; knapp daneben.«
»Na dann … Was soll ich sagen? Ich bin nie gut darin gewesen, Akzente zuzuordnen, nicht einmal nach sieben Jahren an der Queens«, gestand Coulson mit Bezug auf eine Zeit, die er wohl an der Queens-Universität in Belfast verbracht hatte, sei es als Dozent oder Student. Declan interessierte sich nicht so sehr dafür, als dass er nachgehakt hätte.
»Nein, Ihre Einschätzung war nicht schlecht. Mich überrascht, dass es Ihnen überhaupt aufgefallen ist. Ich lebe ja schon lange hier.« Declan wusste, dass der Mann vielmehr durch seinen Namen als aufgrund seiner Aussprache darauf gekommen war. Die Vorsilbe »Mc« stammte im Gegensatz zu den eher irisch anmutenden Namen, die mit »O« begannen, offensichtlich aus dem Britischen. In Ost-Belfast wohnte die Mehrheit der britisch-protestantischen Bevölkerung von Nordirlands größter Stadt, und zumindest darüber schien Coulson im Bilde zu sein.
Da Kafni wusste, dass die Vergangenheit Ereignisse barg, die keiner von ihnen erschöpfend mit Coulson diskutieren wollte, klatschte er laut in die Hände und wechselte das Thema: »Also, das ist deine Frau? Sie ist hübscher, als du sie beschrieben hast, Declan. Du solltest dich schämen.«
Constance errötete, als er ihre Hand leichthin in seine nahm. »Hi, Dr. Kafni, ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
»Abe, bitte nennen Sie mich Abe. Auch ich bin begeistert, Sie endlich kennenlernen zu dürfen.«
Constance lächelte und berichtigte sich: »Gut dann, Abe.«
»Hat Ihnen Ihr Gatte je davon erzählt, wie er mir das Leben rettete?«
»Nein, hat er nicht«, antwortete Constance, während sie Declan fragend von der Seite anschaute. »Ist bestimmt eine aufregende Geschichte.«
»Oh ja, und ich kann es kaum erwarten, sie mit Ihnen zu teilen. Nach meiner Rede plaudern wir drei eingehend, darauf freue ich mich schon. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einen Moment, bevor ich auf die Bühne gehe, allein mit Ihrem Mann sprechen würde?«
»Keineswegs«, beteuerte Constance.
»Ich begleite die Dame zu unserem Tisch«, sagte Coulson.
Declan wartete, bis die beiden gegangen waren und der Vorhang hinter ihnen zufiel. »Hast du mir etwas so Schlimmes zu sagen?«, fragte er, als man sie nicht mehr hören konnte.
Kafni winkte ab. »Nein. Ich war mir nur nicht sicher, inwieweit du sie aufgeklärt hast, und will sie nicht verängstigen. Mir ist sehr deutlich bewusst, wie schwer Familien Vorgänge wie jene verarbeiten, in die du und ich verwickelt waren.«
Declan nickte. »Ja, du kannst wohl ein Lied davon singen. Wie geht es Zeva und den Kindern?«
»Bestens – könnte nicht runder laufen. David hat gerade seinen Abschluss in Rechtswissenschaften gemacht und zieht in Maryland etwas Eigenes auf. Er hofft, mit dem American Center for Law and Justice zusammenarbeiten zu können. Hanah hingegen ist seit dem Frühling mit ihrem Examen an der Virginia Tech fertig und beginnt dort an der tierärztlichen Fakultät.« Kafni sprach über die beiden ältesten seiner fünf Kinder. David und Hanah waren diejenigen, mit denen sich Declan während seiner Dienstzeit als Sicherheitsmann der Familie am häufigsten abgegeben hatte. Die anderen drei, zwei weitere Söhne und eine Tochter, waren wesentlich jünger und besuchten noch die Grundschule.
»Sagt dir der Name Baktayew etwas?«, fuhr der Israeli fort.
»Könnte man ihn je vergessen?«
Mit den Baktayews, zwei tschetschenischen Brüdern, war Kafni im Rahmen seines letzten Auftrags als Agent des Mossad in Konflikt geraten. Nachdem er den einen während eines stümperhaften Waffenhandels erschossen hatte, in dessen Zuge der Geheimdienst darauf aus gewesen war, einen iranischen Terrorführer festzunehmen, hatte der Jüngere ihn rächen wollen, als Kafni anderthalb Jahre später nach Amerika ausgewandert war. Declan war dank unfassbar glücklicher Umstände am richtigen Ort gewesen und hatte von dem Mordplan erfahren, woraufhin es ihm gelungen war, diesen zu vereiteln, da ihm der Israeli Jahre zuvor in Irland eine ähnliche Gunst erwiesen hatte. Deshalb durfte man ohne Zweifel behaupten, dass ohne den jeweils anderen keiner der beiden mehr am Leben wäre.
»Ich dachte, die Brüder hätten ins Gras gebissen, aber mich beschleicht das Gefühl, dass du mir gleich das Gegenteil unterbreiten wirst.«
»Die beiden ältesten Brüder Vadim und Deni sind tatsächlich tot. Letzteren hast du eigenhändig umgebracht. Aber es gibt einen Dritten: Ruslan Baktayew. Ich erfuhr von ihm, als ich eine Morddrohung von ihm bekam. Gemäß unserer üblichen Verfahrensweisen überwachten wir ihn mithilfe meiner Kontakte sorgfältig. Nach dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges gab er es aber auf, und die Sache verlief sich. Seit Ende des Geiseldramas von Beslan 2004 sitzt er in einem russischen Gefängnis.«
»Er steckte da mit drin?«
»Jawohl, sogar als einer der Drahtzieher.«
»Aber, wenn er hinter Gittern sitzt, warum auf einmal solches Aufheben seinetwegen?«
»Vor 14 Tagen verließ er das Gefängnis und wurde seitdem nicht mehr gesehen.«
Declan verzog das Gesicht. »Korruptes Personal, hm?«
»Oh, davon bin ich überzeugt.« Kafni hob seine Augenbrauen. »Wie du weißt, lässt sich das russische Militär andauernd schmieren, während Moskau macht, was man von Moskau erwartet – lügen wie gedruckt. Angeblich ist Baktayew bei einer Auseinandersetzung mit einem anderen Häftling umgekommen und eingeäschert worden, doch der Mossad hatte einen Sayanim in die Anstalt geschleust – einen Sympathisanten, wenn du es so ausdrücken willst –, also wissen wir aus sicherer Quelle, dass er bestimmt nicht ins Gras gebissen hat.«
»Und du glaubst, er ist wieder hinter dir her?«
»Ach, ich habe keine Ahnung«, seufzte Kafni achselzuckend. »Meine Familie und ich, wir sind wohlbehütet. Ich erzähle dir das, weil dieser Mann einen persönlichen Feldzug gegen mich und vermutlich auch dich führt. Obwohl du in meinem Namen gehandelt hast, bist du für Deni Baktayews Tod verantwortlich. Ich hielt es für angemessen, dir das zu sagen, damit du entsprechende Maßnahmen ergreifen kannst, um dich und deine Frau zu schützen. Könnte er in die USA einreisen, würde er bestimmt versuchen, mich zu töten – und dich möglicherweise auch, falls er weiß, wer du bist.«
»Und das ist ein sehr großes ›falls‹, Abe. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass dieser Typ jetzt auf der Flucht ist und sich versteckt. Vorstellbar, dass er in irgendeiner heruntergekommenen Zeltstadt im Kaukasus hockt und darum betet, nicht zu erfrieren.«
»Unter normalen Umständen würde ich dir zustimmen, doch was mich besonders stutzig macht, ist die Art und Weise, wie er entwischte. Er konnte das Gefängnis ungehindert verlassen, und Moskau streitet es rigoros ab. Auch wenn das russische System notorisch korrupt ist: Bist du dir im Klaren darüber, welche Beziehungen und Gelder man bräuchte, um so etwas zu schaffen? Es gibt jemanden, der ihn aus gutem Grund herausholen wollte.«
»Hat er irgendwelche Bekannte mit entsprechenden Mitteln?«
»Terrornetzwerke wie al-Qaida haben den Tschetschenen im Lauf der Jahre oft geholfen, aber meines Wissens kennt Baktayew niemanden mit genug Geld, um eine solche Nummer abzuziehen. Die Brüder standen Mitte der 1990er mit einem iranischen Finanzgeber in Kontakt: Sa'adi Nouri, der jedoch schon seit 10 Jahren tot ist, und dessen Organisation ihn nicht überlebt hat.« Kafni fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Pass auf, niemand kennt den genauen Grund, und eventuell hat es auch gar nicht mit uns zu tun, aber ich fand trotzdem, du solltest Bescheid wissen.«
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