1 ...8 9 10 12 13 14 ...28 »Danke.«
Nachdem Kafni auf seine Uhr geschaut hatte, klopfte er Declan auf die Schulter. »Ich bin gleich mit meiner Rede dran. Wir sehen uns hinterher wieder. Dann widmen wir uns den schönen Zeiten und guten Freunden, denn das alles gehört einer finsteren Vergangenheit an.«
Declan lächelte und wandte sich ab, um wieder nach vorne zu gehen. Auf dem Weg zurück zu den Gästen, die langsam zur Ruhe kamen, hoffte er, Ruslan Baktayew und seine finsteren Absichten welcher Art auch immer würden tatsächlich der Vergangenheit angehören.
»Worum ging es?«, wisperte Constance, als Declan im nunmehr abgedunkelten Saal neben ihr Platz nahm. Sie saß bei Michael Coulson und einer Frau, die wohl seine Gattin war, sowie zwei weiteren Paaren. Vier Plätze waren noch frei, Declans Stuhl nicht mitgezählt. Einen der Männer erkannte er als amtierenden Kongressabgeordneten seines Wahlbezirks. Er nickte ihm höflich zu, bevor er sich Constance zuneigte und sie schnell auf die Wange küsste. »Nichts Wichtiges«, behauptete er. »Hab mich nur auf den neusten Stand gebracht, was einen alten Freund der Familie angeht.«
»Hast du ganz bestimmt«, entgegnete sie trocken mit kritischem Blick.
Declan lächelte. »Könnte ich dich belügen?«
Constance antwortete gleichsam mit einem kurzen Lächeln, obwohl augenfällig war, dass sie sich davon nicht überzeugen ließ.
»Abgeordneter Mark Alley«, sagte der Mann neben ihr, während er Declan eine Hand entgegenstreckte. Er war jünger als die meisten Politiker, hatte dichtes blondes Haar, kantige Züge und eine einnehmende Art, zu lächeln.
Declan packte beherzt zu und erwiderte: »Hi, alles gut bei Ihnen? Declan McIver.«
»Lassen Sie sich mit der Runde bekannt machen«, fuhr Alley fort. »Das ist meine Frau Sherry, diese beiden netten Menschen hier sind George und Sharon Barton; daneben Botschafter Bartons Sohn und Schwiegertochter, Dr. Michael Coulson und Elizabeth. Außerdem mit uns am Tisch, aber noch nicht eingetroffen: Senator David Kemiss mit seiner besseren Hälfte Mary Ellen, und Kanzler Jerry Falwell Jr. mit Ehefrau Becki.«
Als er die Namen und Titel der Verspäteten hörte, kam sich Declan empfindlich deplatziert vor. Was sollte ein irischer Einwanderer und Immobilienhändler zu einer Tischgesellschaft von weit höherem Stand sagen? Hi, ich bin ein Wähler?
Michael Coulson warf einen nervösen Blick auf seine Uhr.
»Stimmt etwas nicht, Doktor?«, fragte der Abgeordnete.
»Kanzler Falwell sollte mittlerweile hier sein. Er ist gleich mit seiner Rede dran und muss Dr. Kafni vorstellen«, erklärte der Dekan mit gedämpfter Stimme, wobei er sich nach vorne neigte, damit nur seine Tischnachbarn in hörten.
»Nun ja, rufen Sie ihn doch mal an«, schlug Alley vor.
Coulson nickte und stand auf, ging zur rechten Seite der Bühne und verschwand hinter dem Vorhang.
Declan schaute sich um, da Getuschel unter den Anwesenden laut wurde und ein merkliches Gefühl der Ungewissheit den dämmrigen Saal in Beschlag nahm.
Wenige Augenblicke später erschien Coulson hinter dem Vorhang auf der Bühne und trat ans Rednerpult, wobei er sein Anzugjackett zuknöpfte. Nachdem er sich geräuspert und das Mikrofon zurechtgebogen hatte, blickte er in die versammelte Menge.
»Meine Damen und Herren, willkommen«, begann er. »Ursprünglich sah Kanzler Falwell vor, Ihnen kurz etwas über das Gebäude, in dem wir uns befinden, sowie seine Funktion hier für die Liberty-Universität und im Ausland zu erzählen, allerdings habe ich soeben erfahren, dass seine Mutter gestürzt und ins Krankenhaus eingeliefert worden ist, also kann er heute Abend nicht bei uns sein. Lassen Sie uns dafür beten, dass Mrs. Falwell nicht ernstlich verletzt ist, während ich Sie zwischendurch auf dem Laufenden halten werde. Nun denn, Sie werden mir nachsehen müssen, dass meine Ausführungen improvisiert wirken, doch ich will versuchen, Sie rasch über das Gebäude zu informieren, und dann unseren Festredner begrüßen.«
Das Publikum klatschte brav Beifall, während Coulson an einem Becher Wasser nippte, den er unter dem Pult vorgenommen hatte.
»Also, wie Sie alle wissen«, fuhr er fort, »befinden Sie sich im C.H. Barton Center für Internationale Beziehungen und Politik. Es wurde nach Dr. Charles Henry Barton benannt, der bis zu seinem Tod vor zwei Jahren geschätzter Professor der Bachelorstudenten im Fach Internationale Beziehungen hier an der Liberty war. Ferner war er ein guter Freund von Jerry Falwell Sr. und einer der wichtigsten Ratgeber im Zusammenhang mit der Universitätsgründung 1972. Abgesehen von seiner Professur hier vertrat er unser Land während der Amtszeiten von Ronald Reagan und George H.W. Bush auch als Botschafter in Frankreich und Deutschland.«
Coulson trank einen weiteren Schluck Wasser und tupfte sich nervös die Stirn.
»Gedulden Sie sich noch ein klein wenig, ich werde Ihnen kurz erklären, was es mit dem Gebäude und seinem akademischen Zweck auf sich hat. Es wurde offensichtlich als Replik von Thomas Jeffersons Monticello konzipiert, welches nur wenige Meilen von hier entfernt steht. Da er einer von Amerikas Landesvätern war, zu unseren ersten auswärtigen Diplomaten zählte und in Bezug zu dieser Region steht, fanden Kanzler Falwell und das Direktorium den Entwurf angemessen.« Coulson lachte zaghaft, ehe er fortfuhr: »Und wenn Sie versprechen, nicht weiterzusagen, dass Sie es von mir wissen: Ich schätze, die Idee rührte auch daher, dass wir hier an der Liberty im Geiste unseres Gründers einfach nicht anders können, als bei solchen Projekten zu klotzen, statt zu kleckern.«
Daraufhin lachten auch seine Zuhörer vergnügt, wobei Declan kurz zu seiner Frau schaute. Sie schien sich zu amüsieren. Für ihn bedeutete gute Unterhaltung zwar wahrlich nicht, in einem Saal voller Menschen zu sitzen, mit denen ihn wenig bis gar nichts einte, und dabei einen Anzug zu tragen, doch weil er versuchen wollte, Constance über seine Vergangenheit aufzuklären, gab Abidan Kafni einen guten Ausgangspunkt, und diese Gala bot den perfekten Rahmen für ein Treffen.
Nachdem das Gelächter verklungen war und die Gäste aufgehört hatten, untereinander zu plappern, griff Coulson seinen Faden wieder auf: »Der Saal, in welchem Sie gerade sitzen, wird als kleine Bibliothek mit Quellenmaterial über Nationen weltweit genutzt werden, darunter Karten, Fotografien, Beispiele ihrer Landessprachen in Ton und Schrift, Einzelheiten zu etwaigen Konflikten, in die sie verstrickt waren, und viele andere für Examensstudenten nützliche Dinge. Im ersten Stock sind zehn moderne Kursräume untergebracht, wo ebendiese Studenten unterrichtet werden, und das Obergeschoss ist den Büros für die Lehrkräfte des Programms – Dr. Kafni und meine Wenigkeit – vorbehalten. Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angekommen. Ich möchte Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihre freundliche Unterstützung danken.«
Erneut klatschten die Anwesenden kurz, wobei Coulson sie sichtlich erleichtert anstrahlte. Nachdem er sich wieder geräuspert hatte, kam er zum nächsten Punkt.
»Unser Festredner heute Abend ist ein Mann, den man nicht weiter vorzustellen braucht. Seit seinem Umzug aus Israel in die USA Mitte der 1990er lässt er sich nicht von der internationalen Politbühne wegdenken. Seine Bücher Aufziehender Sturm: Der Krieg, den wir alle austragen müssen und Gegen das Vergessen standen weltweit auf Platz Eins der Bestsellerlisten. Er gastiert regelmäßig als Kommentator in Nachrichtensendungen von Moderatoren wie Bret Baier, Piers Morgen oder Sean Hannity. Ich bitte Sie nun um einen warmen Empfang und kräftigen Applaus für meinen Kollegen, Dr. Abidan Kafni!«
Die Gäste boten stehende Ovationen, als Kafni hinter dem blauen Seidenvorhang rechts neben der Bühne vortrat. Er hielt kurz inne, um sein Publikum ins Auge zu fassen, und winkte. Dann eilte er mit großen Schritten zum Pult, wo er mehrere Seiten Papier aus seiner Jacketttasche zog und vor sich auffaltete.
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