Herr Hupfer hatte sich mit Fräulein Caspari in Verbindung gesetzt und sie gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass bei diesem Sportfest draußen bei Niepels acht Mädchen aus Puckis Klasse einen Volkstanz aufführten. Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgenommen. Die Lehrerin erbot sich, einen hübschen Reigentanz einzuüben. Es wollten nur wenige von Puckis Klassenkameradinnen verreisen, und alle anderen sollten zu dem Sportfest geladen werden und sich nach Möglichkeit daran beteiligen.
»Ich plane einen Wettlauf, Preisringen, scherzhaftes Wettreiten, Hindernislaufen und andere Wettspiele mehr. Dazu sollen die Knaben und Mädchen zeigen, was sie im Turnen leisten können. Herr Niepel lässt auf einer der Koppeln die verschiedensten Turngeräte aufstellen.«
Fräulein Caspari wählte acht Mädchen ihrer Klasse aus. Pucki war nicht darunter. Sie war zu derartigen Dingen nicht zu gebrauchen. Herr Hupfer bedauerte das; er meinte jedoch, er werde sich mit Pucki und Rose Scheele persönlich in Verbindung setzen. Vielleicht könnten die beiden Mädchen ganz aus sich selbst heraus etwas zur Verschönerung des Festes beitragen.
Die Vorbereitungen, die auf dem Niepelschen Gute getroffen wurden, erregten natürlich allgemeine Aufmerksamkeit. Noch nie waren so viele Rahnsburger Kinder hinaus nach dem Gute gepilgert wie während dieser Ferien. Besonders die Turngeräte, die der Gutsbesitzer aufstellen ließ, erregten das helle Entzücken der Knaben. Die Leute, die mit diesen Arbeiten beschäftigt waren, mussten viele neugierige Kinder fortjagen.
Vor allem waren es die Niepelschen Drillinge, die Herrn Hupfer dauernd mit ihren Fragen quälten.
»In Ihrem dicken Sportbuch stehen noch viel mehr Sportsachen: Jagdsport, Schwimmsport, Boxen, Radfahren. Wir müssen noch viel mehr machen, Herr Hupfer.«
»Sorgt nur dafür, dass ihr im Turnen und im Laufen etwas Gutes leistet«, meinte er.
»Speerwerfen und Kugelstoßen muss noch sein«, sagte Walter.
»Es wird wie die Olympischen Spiele«, meinte Paul. »Ich habe in Rahnsburg erzählt, dass wir Olympische Spiele machen, nur wird es noch großartiger. Ich reite wie ein Indianer auf ungesatteltem Pferde.«
»Nicht immer einen solch großen Mund, mein Junge«, mahnte Herr Hupfer. »Ich hoffe, dass ihr euch manierlich betragt. Jeder, der auf dem Sportfest Dummheiten macht, wird ausgeschlossen.«
»Da wird wohl bald keiner übrig sein«, maulte Walter.
»Ich habe nichts dagegen, wenn ihr euch noch ganz heimlich etwas ausdenkt und einübt und uns damit beim Sportfest überrascht. Es darf aber keine Dummheit sein, es muss in den Rahmen der Veranstaltung passen.«
»Geben Sie uns Ihr dickes Buch?«
»Das tue ich gern, doch legt es dann wieder an seinen Platz.«
Von nun an konnte der Hauslehrer mehrfach sehen, wie die drei Knaben voller Eifer das Buch durchblätterten und dabei flüsterten.
Pucki hatte natürlich auch keine Ruhe mehr, seit Herr Hupfer persönlich im Forsthause gewesen war und angefragt hatte, ob sie und Rose auch etwas zur Belustigung der Teilnehmer beitragen wollten.
»Ich klettere an der langen Stange hoch und hole die Schokolade herunter. Ich kann fein klettern! «
»Die lange Kletterstange ist nur für die Knaben.«
»Ich bin wie ein Knabe, sagt Fräulein Caspari immer. Ich ziehe mir den Turnanzug an, dann geht es los!«
»Vielleicht findest du noch etwas Besseres«, meinte Herr Hupfer, »du hast doch immer so hübsche Gedanken, und Rose kann dir manchen guten Rat geben.«
Schon am andern Tage erschien Pucki auf dem Niepelschen Sportplatz. »Ich habe was Feines«, schrie sie dem Hauslehrer und den drei Knaben zu und schlug mit den Armen, als wären es Flügel. »Oh, ich habe ganz was Feines ausgedacht!«
»Was denn?« fragte Paul.
»Das sage ich nicht. – Na, ihr werdet Freude daran haben!«
»Und wir machen noch was Feineres«, sagte Walter, »das sagen wir auch nicht.«
So wurde die Geheimnistuerei immer größer. Die Rahnsburger Mädchen erzählten von einem wunderschönen Volkstanz, der viel schöner sei als alles das, was sie bisher in der Schule getanzt hätten.
Pucki lief zum Pferdestall und liebkoste das weiße Pferdchen, das sie schon so oft zur Schule gefahren hatte.
»Rennst du auch mit, kleines Pferd?«
Der Schimmel wieherte freudig. Er kannte Pucki genau, die ihm stets Zucker brachte. Auch jetzt wieder holte sie ein Stück Zucker hervor und reichte es ihm.
»Ich habe heute den Kaffee ohne Zucker getrunken, weil ich wusste, dass ich heute zu dir komme. Pferdchen, bin ich deine gute Freundin?«
Das Tier rieb seinen Kopf an Puckis Schulter.
Vom Pferdestall lief Pucki zum Schweinestall. Walter hatte ihr verraten, dass dort sechs kleine Schweinchen angekommen wären. Sie schaute von einer Boxe in die andere und freute sich, wenn sie von den Tieren mit Grunzen begrüßt wurde. Schließlich fand sie die Sau mit den sechs Jungen. Sie setzte sich auf den Rand der Schweinebucht und schaute verzückt den kleinen Tierchen zu, die an der Mutter sogen. Schließlich sprang sie sogar in die Schweinebucht hinein und streichelte die kleinen Tiere.
»Ihr lieben Marzipanschweinchen, ihr seid so niedlich!«
Während Pucki noch in der Schweinebucht weilte, hörte sie draußen lautes Rufen. Es war die Stimme des Hauslehrers.
»Fritz – Walter – Paul! Wo seid ihr denn wieder!«
Die Tür des Schweinestalles wurde geöffnet. Pucki schaute vergnügt lachend über die Brüstung. »Hier ist keiner, hier bin nur ich!«
»Aber Pucki, wie siehst du nur wieder aus! – Was willst du denn bei den schmutzigen Tieren?«
»Die sind nicht schmutzig«, erwiderte das Kind entrüstet, »sieh mal her, wie weiß und schön sie sind.«
»Komm schnell heraus! – Weißt du nicht, wo die Jungen sind?«
»Nein.«
»Willst du nicht rasch mal ins Haus laufen oder nach den Scheunen? Einer der Knaben soll sofort zu mir kommen.«
Pucki nahm erst von den kleinen Schweinchen Abschied, tätschelte jedes einzelne und schwang sich dann, einem Knaben gleich, über die gemauerte Brüstung.
»Du kannst gut turnen«, lobte Herr Hupfer.
»Ich klettere auch an der glatten Stange hoch und hole die Schokolade.«
»Na, na, das will geübt sein!«
Das leuchtete dem Kinde ein. Es gab im Walde ja so viele hochgewachsene Bäume, dort konnte sie üben. Außerdem war sie in der Turnhalle der Schule immer die erste, die an Leitern und Stangen oben an der Decke war. Mit diesen Leistungen stellte sie ihre Mitschülerinnen in den Schatten.
Sehr langsam schritt Pucki über den Gutshof, dem Hause entgegen. Die unsauberen Schuhe zog sie von den Füßen und nahm sie in die Hand. Mit lauter Stimme rief sie nach den Knaben. Frau Niepel kam herbei und sagte, dass die drei auf dem Sportplatz wären.
»Da sind sie nicht, Tante Niepel.«
»So stecken sie wahrscheinlich in der großen Scheune, Pucki. Dort wirst du sie finden.«
Aber in der großen Scheune waren sie auch nicht. Interessiert schaute das Kind den Landarbeitern zu, die auf dem jenseits des Weges liegenden Felde arbeiteten. Und bald war eine Unterhaltung in Gang gekommen; Pucki vergaß, dass sie von Herrn Hupfer geschickt worden war, um die Knaben zu suchen.
Plötzlich stürmte Pucki der Landstraße zu. Mit ihren scharfen Augen hatte sie Oberförster Gregor bemerkt, der eben im Begriff war, in den kleinen Waldweg einzubiegen. Anscheinend hatte er Niepel einen Besuch abgestattet und war nun auf dem Wege zur Oberförsterei.
»Weidmannsgruss, Onkel Oberförster«, schallte es laut, »warte doch ein bisschen!«
Der alte Herr blieb stehen. Seine kleine Pucki musste er natürlich begrüßen. Das Kind war ihm von klein auf ans Herz gewachsen. Und wieder begann ein fröhliches Geplauder.
»Machst du auch beim Sportfest mit, Pucki?« fragte er.
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