»Es wird wirklich was Großartiges, aber nur, weil wir – na, das ist unser Geheimnis.«
»Höre, Paul, mir kommt es vor, als hättet ihr eine besondere Überraschung.«
Paul wandte dem Hauslehrer den Rücken und lief davon.
Aber auch im Forsthause Birkenhain war keine Ruhe mehr. Pucki konnte kaum den Sonntag erwarten. Und als der ersehnte Tag endlich anbrach, wollte sie schon am frühen Morgen hinaus nach dem Niepelschen Gute.
»Der Wagen ist um einhalb zwei Uhr in Rahnsburg und holt Fräulein Caspari und die kleinen Tänzerinnen ab«, sagte Frau Sandler. »Dann fährt er hier vor und holt uns.«
»Wenn er doch erst käme!«
Die beiden Kinder hatten in den letzten Tagen manche geheime Beschäftigung. Sie äußerten wiederholt, dass sie einen besonderen Spaß für das Sportfest vorbereiteten.
»Ach, Mutti, wir haben schon viel geübt. Es wird herrlich! Der Harras ist ein sehr liebes Tier.«
»Der Harras kommt aber nicht mit, Pucki.«
Das Kind machte ein entsetztes Gesicht. »Der Harras ist doch die Hauptsache, Mutti, der muss mit, sonst geht es nicht.«
»Aber Pucki!«
»Mutti, Mutti«, bat Pucki erregt, »wenn der Harras nicht mitkommt, können wir alles nicht machen.«
So wurde schließlich die Erlaubnis erteilt. Förster Sandler wollte, nachdem er ein Stündchen dem Turnen der Kinder zugeschaut hatte, mit dem Hunde wieder heimgehen.
Hätte Pucki gewusst, dass auf der Koppel Claus Gregor und sein jüngerer Bruder Eberhard emsig bei der Arbeit waren, um eine kleine Schießbude zu errichten, dann wäre sie auch ohne Erlaubnis der Eltern nach dem Gute gelaufen, um den Freunden zuzusehen. Oberförster Gregor meinte, dass zu einem Sportfest eine Schießbude unbedingt gehöre. Claus hatte sich erboten, die Aufsicht zu übernehmen und die Gewehre selbst zu laden, damit kein Unglück entstände.
Endlich war es so weit. Der festlich geschmückte Leiterwagen hielt vor dem Forsthause. Acht kleine Mädchen saßen mit Fräulein Caspari darin. Jedes Kind trug einen Pappkarton, in dem sorgsam ein Dirndlkleid verpackt war. Fräulein Caspari hatte Mühe, die unruhige Kinderschar in Ordnung zu halten.
Pucki und Rose brachten einen Puppenwagen aus dem Hause.
»Was soll der Wagen?« fragte Frau Sandler.
»Lass nur, Mutti, den brauchen wir für die Vorstellung.«
Rose trug auf dem Arm den gelben Kater, den geliebten Peter.
»Soll der auch mit?«
»Den brauchen wir auch!«
Dann kamen noch die große Puppe und mehrere Pappschachteln auf den Wagen. Schließlich pfiff das Kind nach dem Harras, der mit einem Satz mit auf den Leiterwagen sprang, zur Freude aller Kinder.
Unter Lachen und Scherzen kam man auf dem Niepelschen Gute an. Es gab eine laute, stürmische Begrüßung. Die Drillinge schrien den Ankommenden entgegen, was alles für Vorbereitungen getroffen wären, und dann gingen alle auf den Sportplatz. Die hohe Kletterstange erregte sogleich Puckis Interesse.
»Da komm' ich schon 'rauf«, stellte sie prüfend fest. »Was dort oben hängt, hole ich mir.«
Man zögerte nicht lange mit dem Beginn des Sportfestes. Aus Rahnsburg und dem Dorf, das in der Nähe des Gutes lag, hatten sich zahlreiche Zuschauer eingefunden. Die aufgestellten Bänke waren dicht besetzt. Pucki begrüßte den Oberförster mit seiner Familie und flüsterte Claus zu, dass sie alles von der Stange herunterreißen würde.
Herr Hupfer eröffnete die Veranstaltung, indem er dreimal klingelte und eine kurze Ansprache hielt. Sport sei heute für die Jugend unerlässlich, sagte er, und alle Knaben und Mädchen sollten ihr Bestes hergeben, damit man sähe, dass sie mit Lust und Liebe bei der Sache wären.
Die Knaben trugen Turnanzüge und ebenso die Mädchen. Nur die, welche am Volkstanz beteiligt waren, hatten sich in ein Zelt zurückgezogen, in dem sie sich unter Aufsicht von Fräulein Caspari umkleideten. Sie trugen alle hübsche, bunte Dirndlkleider.
Die Knaben kamen zuerst an die Reihe. Sie zeigten ihr Können an Reck und Barren. Mitten auf der Koppel stand Herr Hupfer und leitete die Vorführungen. Er hatte seine helle Freude an den Leistungen, denn seine drei Zöglinge zeigten sich heute von der besten Seite.
Dann kam der Volkstanz. Es war ein reizendes Bild, die acht Mädchen so frisch und fröhlich tanzen zu sehen. Ihre Leistungen wurden laut beklatscht. Sie sangen zu ihrem Tanz ein altes Bauerntanzlied.
Claus Gregor schaute sich nach Pucki um. Sie war verschwunden, und Rose fehlte auch. Man wollte gerade zum Dauerlauf antreten, als das Hausmädchen an den Hauslehrer herantrat und ihm etwas zuflüsterte. Herr Hupfer klingelte.
»Mit dem Dauerlauf warten wir noch ein wenig. Försters Pucki und Rose Scheele wollen uns nun durch eine besondere Überraschung erfreuen.«
Vom Gutshause her bewegte sich ein eigenartiger Zug. Ein Puppenwagen wurde von einem Jagdhunde geschoben, der brav auf den beiden Hinterpfoten ging. Rechts und links neben dem Wagen schritt je ein kleines Mädchen, das einen Blätterkranz trug. In den Händen hielten die beiden je ein Windrädchen, das sich lustig drehte. Die Windrädchen hatte Rose Scheele aus buntem Papier gefertigt. Beim Näherkommen der Gruppe sah man im Kinderwagen eine Katze liegen, die ein rosa Jäckchen trug.
»Der Kater mit den Sachen der kleinen Agnes!« rief Frau Sandler entsetzt.
Herr Niepel brach in lautes Lachen aus. Der kleine Zug, der sich langsam an den Bänken vorbei bewegte, sah entzückend aus. Erst jetzt waren alle Einzelheiten zu sehen. Harras, der kluge, gutmütige Hund, war am Schwanz mit einer leuchtend roten Schleife geschmückt, und auf den Kopf hatten ihm die Kinder eine Haube gesetzt, die mit Bändern unter dem Maul zusammengebunden war. Eine Schärpe aus grünen Blättern vervollständigte seine Ausrüstung. Der Kater lag regungslos im Wagen.
Ein lautes Gelächter brach los. Puckis Augen glitten erfreut über die Anwesenden. Die viele Mühe, die sich Rose und sie selber gemacht hatten, wurde heute belohnt; alle fanden diese Vorführung äußerst reizvoll. So fuhr der Puppenwagen mehrmals hin und her, bis der Kater schließlich aus dem Wagen sprang und unter hellem Lachen der Zuschauer über den Sportplatz lief. Das schien auch für Harras das Zeichen zu sein, seine Rolle als Kindermädchen zu beenden. Er lief mit langen Sprüngen hinter Peter her. Trotzdem beklatschten alle den Einfall der beiden Mädchen lebhaft. Sie konnten viel Lob dafür einheimsen.
Sehr bald waren Rose und Pucki zum Sportplatz zurückgekehrt. Nun konnte es an den Dauerlauf gehen. Pucki, die immer wieder zur großen Stange hinüberschaute, vertrödelte damit viel kostbare Zeit und wurde eine der Letzten. Dagegen erhielt Rose Scheele einen Preis.
Das Hindernislaufen fiel für Pucki noch schlechter aus. Sie stolperte sogar über einen Balken und lag auf der Nase. Hier wurde Martin der Sieger, der mit einem Satz über den Zaun sprang. Er erhielt als Preis das längst ersehnte Taschenmesser.
Wieder klingelte Herr Hupfer, denn die Kaffeepause war gekommen.
»Jetzt wird bei Kaffee und Kuchen ausgeruht, dann geht es ans Klettern und ans Reiten für die Kleinen. Dann folgt das Geräteturnen und zum Schluss eine Überraschung meiner Zöglinge, von der ich selber nicht weiß, was es sein wird.«
»Und das wird das Feinste«, schrie Paul. »Alles, was gewesen ist, war doch nichts«, flüsterte er Martin zu.
»Nach Schluss des Sportes dürft ihr euch an der Würfel- und Schießbude belustigen. Auch stehen zwei Pferde zur Verfügung. Da wir aber ein Sportfest veranstalten, wollen wir während des Kaffeetrinkens noch ein wenig Denksport treiben und Rätsel aufgeben. Ein jeder, der ein hübsches Rätsel weiß, darf es sagen.«
Alle riefen durcheinander, denn jeder wusste ein Rätsel. So hatte Herr Hupfer Mühe, wieder Ordnung in die aufgeregte Kinderschar zu bringen. Es gelang ihm jedoch bald.
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