Frage: Sie haben bis 1952 eine sehr ansprechende Entwicklung genommen. Sie haben die Volksschule, Hauptschule, dann die Oberschule besucht, haben einen Beruf erlernt …
Antwort: Ich bin in Friedland zur Schule gegangen.
Frage: 1952 wurden Sie erstmals in die Nervenheilanstalt Großschweidnitz eingeliefert. Was war der Anlass dafür?
Antwort: Also, man kann sagen, 1952 bin ich das erste Mal hingekommen. Aber das war keine eigentliche Behandlung. Das war mehr zur Beobachtung. 1953 bin ich das erste Mal zur Behandlung hingekommen.
Frage: Was hat man denn 1952 bei Ihnen beobachtet?
Antwort: Das weiß ich nicht.
Frage: Wer hat Sie denn nach Großschweidnitz geschickt? Sind Sie von allein hingegangen?
Antwort: Nein. Herr Dr. Knoch-Weber hat mich überwiesen. Wegen meinem nervlichen Zustand. Erst bin ich depressiv gewesen, dann bin ich wieder lebhaft und unruhig gewesen. Das fing 1952 an.
Frage: Warum hat das 1952 angefangen? Gab es einen Grund?
Antwort: Vielleicht berufliche Anstrengungen. Es hat 1952 vor meiner Verlobung angefangen, da war ich beruflich überanstrengt. Da war ich niedergeschlagen. Vielleicht sollte ich mich nicht erst verloben …
Frage: Worauf ist die Nervengeschichte zurückzuführen?
Antwort: Vielleicht auch schon mit der ganzen Sache an der Weberkirche … Das hat schon etwas dazu beigetragen. Es steckte in mir, dass ich die Tat begangen habe.
Frage: Haben Sie schon früher so etwas gehabt?
Antwort: Nein.
Frage: Was haben Sie in Großschweidnitz dem Arzt erzählt? Er wird Sie doch sicher gefragt haben, was Sie für Sorgen haben, für Nöte. Wie es Ihnen geht. Und Sie werden ihm ja eine Antwort gegeben haben. Können Sie sich daran erinnern? An das Aufnahmegespräch.
Antwort: Wenn man in Großschweidnitz aufgenommen wird, dann wird man dem Arzt vorgestellt. Und der Arzt setzt sich mit der Frau in Verbindung, oder mit der Braut. Oder mit den Eltern setzt er sich auch in Verbindung. Der Arzt wird wahrscheinlich auch mit meinen Eltern gesprochen haben.
Frage: Hat er auch mit Ihnen gesprochen?
Antwort: Mit mir hat er auch gesprochen.
Frage: Was haben Sie denn da gesagt?
Antwort: Dem habe ich überhaupt nichts gesagt. Vielleicht habe ich es auf den Beruf geschoben, auch arbeitsmäßige Überlastung.
Frage: Sie sagten vorhin: Vielleicht hat es schon in mir gefressen. Warum haben Sie ihm das nicht gesagt?
Antwort: Über so etwas kann man nicht einfach sprechen. Da versucht man wieder drüber wegzukommen. Aber auf die Dauer ist das auch nichts Gutes.
Frage: Herr Morche, wissen Sie nach so vielen Jahren, wie die Frau heißt, wo sie gewohnt hat, was sie gemacht hat, ob sie Angehörige oder Kinder hatte?
Antwort: Welche Frau meinen Sie?
Frage: Die Frau, die Sie niedergeschlagen haben.
Antwort: Marianne Böhmer. Sie wohnte auf der Freudenhöhe gegenüber der Gaststätte. Früher war da die Fleischerei. Jetzt ist, glaube ich, ein Gemüseladen drin. Der Eingang zu diesem Haus ist von der Dresdner Straße. Unten, wenn man die Straße runtergeht … Ich weiß nicht, was da jetzt drin ist. Vor einiger Zeit ist der VEB Kohlehandel drin gewesen.
Frage: Wie kommen Sie auf diese Frau und diesen Namen?
Antwort: Die Frau hat auch einen Sohn. Der wohnt noch in diesem Haus.
Frage: Woher wissen Sie, dass sie Böhmer hieß?
Antwort: Es wurde damals doch viel davon gesprochen und erzählt.
Frage: Haben Sie die Frau schon früher gekannt?
Antwort: Nein, da habe ich sie nicht gekannt.
Frage: Es ist also für Sie eine fremde, unbekannte Frau gewesen?
Antwort: Eine ganz fremde Frau. Bloß später, wo das passiert war, erfuhr ich, dass sie auf der Freudenhöhe wohnte. Und der Junge war damals noch klein.
Frage: Wie alt war denn der Junge damals?
Antwort: Das weiß ich nicht. Jetzt ist er groß und erwachsen und arbeitet auch in der HO.
Frage: Von wem haben Sie denn erfahren, dass die Frau auf der Freudenhöhe wohnt und Böhmer heißt?
Antwort: Das wurde so erzählt auf der Neusalzaer Straße. Oder es wurde auch bei uns in der Werkstatt erzählt. Oder auf der Oybiner Straße. Und dann hat es auch in der Zeitung gestanden. Und das wurde erzählt und davon gesprochen.
Frage: Sie sagten vorhin, Sie wollten Ihren Cousin rächen. Das habe ich noch nicht so richtig begriffen, was der Tod Ihres Cousins mit der Frau zu tun hat. Sie haben eben gesagt, dass Sie die Frau nie zuvor gesehen und nicht gekannt haben.
Antwort: Ich habe die Frau nicht gekannt.
Frage: Warum haben Sie sich ausgerechnet an dieser Frau gerächt?
Antwort: Wie ich an dem Abend nach Hause gehe und ich bin am Volkshaus ran, kam die Frau. Und ich bin der Frau hinterhergegangen. Und da, bei der Weberkirche, wo es so finster ist, habe ich zugeschlagen.
Frage: Hätten Sie das auch getan, wenn es ein Mann gewesen wäre?
Antwort: Das kann ich nicht sagen.
Frage: Dass es aber eine Frau war, haben Sie erkannt?
Antwort: Ich habe gesehen, dass es eine Frau war. So mit den Rüschen, mit dem weißen Häubchen. Männer tragen auch Bauchläden, das gibt es auch. Aber eine Frau läuft anders. Die tritt nicht so schwer auf wie ein Mann. An dem Gehen ist das schon zu sehen, ob es ein Mann oder eine Frau ist.
Frage: Und warum wollten Sie sich wegen Ihres Cousins rächen?
Antwort: Mein Cousin ist im Krieg geblieben. Und damals, vier Jahre nach dem Krieg … Als ich es getan habe, es mag eigenartig sein, aber …
Frage: Was hatte die Frau mir Ihrem Cousin zu tun?
Antwort: Gar nichts zu tun.
Frage: Wie fühlen Sie sich? Sind Sie müde? Abgespannt?
Antwort: Etwas müde.
Frage: Aber Sie verstehen uns?
Antwort: Ich kann Sie gut verstehen.
Frage: Möchten Sie schlafen?
Antwort: Nein, ich möchte jetzt nicht schlafen.
Frage: Wenn wir jetzt sagen würden: Sie können jetzt schlafen gehen, würden Sie da gleich schlafen?
Antwort: Das kann ich nicht genau sagen, ob ich gleich einschlafen würde. Etwas müde bin ich. Aber ob ich sofort einschlafen würde, das kann ich nicht sagen.
Frage: Trinken Sie Alkohol?
Antwort: Ja, ich trinke, wenn wir mit der Musik unterwegs sind. Wir haben vorgestern Abend auch gespielt. Zur Urlauberbetreuung im Chemieheim in Olbersdorf. Wir sind Kollegen vom Betrieb. Wir sind Amateurmusiker. Da haben wir zur Urlauberbetreuung gespielt. Wenn wir unterwegs sind, da trinke ich auch manchmal ein paar Biere. Oder zu Hause trinke ich auch mal eine Flasche Bier. Oder Freitag und Sonnabend kaufe ich mir auch im Geschäft mal ein paar Flaschen Bier.
Frage: Was verdienen Sie im VEB Robur?
Antwort: Ungefähr 500 MDN brutto.
Frage: Beim Musikmachen verdienen Sie auch?
Antwort: Da verdiene ich auch etwas. Das kommt auf die Stunden an. Manchmal jeden Sonnabend, manchmal auch wochentags. Im Durchschnitt so 25 MDN pro Abend.
Frage: Sparen Sie das Geld?
Antwort: Manchmal kann ich mir etwas sparen. Manchmal brauche ich es für die Miete. Oder wenn ich mir halt etwas zum Anziehen kaufe. Oder zu essen.
Frage: Haben Sie überhaupt etwas gespart? Wo haben Sie das?
Antwort: Bei der Bank für Handwerk und Gewerbe.
Frage: Fühlen Sie sich gegenwärtig ruhiger als in den vergangenen Jahren und Tagen?
Antwort: Etwas.
Frage: Was bedrückt Sie denn noch?
Antwort: Die Ungewissheit, was mit mir werden soll.
Frage: Möchten Sie lieber nach Hause gehen?
Antwort: Ich kann nicht nach Hause gehen. Nicht ohne weiteres. Sie können mich hierbehalten.
Frage: Herr Morche, bedroht Sie jemand? Haben Sie vor irgendjemandem Angst?
Antwort: Nein, mich erpresst niemand. Mich bedroht auch niemand, und Angst habe ich auch nicht.«
Montag, 3. Juli
Der Staatsanwalt des Kreises Bautzen, Kroschk, stellt auf Anforderung der Ermittler die Akte in der »Mordsache Hölzel« dem Volkspolizeikreisamt Zittau zu. Dem Anschreiben ist zu entnehmen: zu Händen »Genossen Oberleutnant Strengeld«.
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