Anselm Grün,
Bernd Deininger
Warum musste Abel sterben?
Mordgeschichten und andere Seltsamkeiten der Bibel
Vier-Türme-Verlag
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2020
ISBN 978-3-7365-0292-5
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2020
ISBN 978-3-7365-0345-8
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr
Lektorat: Marlene Fritsch
Covergestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart
www.vier-tuerme-verlag.de
Inhalt
.
Bernd Deininger
Vorwort
Bernd Deininger
Die Wurzel von Schuld und Angst · Genesis 3,1–24
Bernd Deininger
Du sollst deines Bruders Hüter sein · Genesis 4,1–16
Bernd Deininger
Bedingungsloses Vertrauen auf Gott · Genesis 22,1–19
Bernd Deininger
Recht und Gerechtigkeit – Tamar rettet mit ihrem Handeln den Stamm Juda · Genesis 38,1–30
Anselm Grün
Worte des Gerichts – Verdammnis oder Verheißung? · Jesaja 1,27–31 und 2,1–5
Anselm Grün
Gott macht einen neuen Anfang · Jesaja 12,1–13
Anselm Grün
Vernichtung ist auch ein Sieg der Hoffnung · Jesaja 25,1–12
Anselm Grün
Von Gott geformt und beschützt · Jesaja 43,1–7 und 43,18–21
Anselm Grün
Du bist geliebt – so oder so · Jesaja 54,1–17
Bernd Deininger
»Ich werde mit dir und in dir sein« · Exodus 3,1–8
Bernd Deininger
Aufbruch zur Freiheit · Exodus 14,5–31 und 17,1–15
Bernd Deininger
Bei sich selbst sein – unter den Augen Gottes · Exodus 20,1–17
Bernd Deininger
Stellvertretung – aus Liebe zum Menschen · Exodus 32,15–20 und 32,30–34
Anselm Grün
Gott lässt sich nicht benutzen · 1 Samuel 4,1–11
Anselm Grün
Gott in der Stille finden · 1 Könige 19,1–13
Anselm Grün
Gott anklagen · Jeremia 20,7–18
Anselm Grün
Fluch und Segen · Jeremia 31,1–14
Bernd Deininger
Gott zeigt sich, wo man ihn wohnen lässt · Deuteronomium 34,1–12
Bernd Deininger
Debora, oder: Der Krieg der Frauen · Richter 4,1–24 und 5,1–31
Anselm Grün
Gottes unvergleichliche Liebe · Hosea 11,1–11
Anselm Grün
Gesellschaftskritik – damals wie heute · Amos 5,21–27 und 6,1–8
Anselm Grün
Geisterfüllt leben · Joel 3,1–5
Vorwort
Wenn ein evangelischer Psychoanalytiker und ein katholischer Mönch alttestamentliche Texte auslegen, dann entsteht ein interessanter Dialog. Die Leser werden in diesen Dialog hineingezogen und erkennen, dass beide Autoren ihnen dabei helfen möchten, die oft sperrigen Texte zu verstehen. Der Philosoph Hans-Georg Gadamer, Schüler von Martin Heidegger, mit dem Bernd Deininger in den letzten Jahren freundschaftlich verbunden war, meint sogar: einen Text zu verstehen bedeutet immer auch, sich selbst besser zu verstehen. Jeder Text möchte uns zu einem neuen und tieferen Selbstverständnis führen. In den Geschichten des Alten Testaments geht es um zentrale Konflikte, die sich seit Jahrtausenden durch das menschliche Leben ziehen. Die biblischen Autoren verstanden es, psychische Vorgänge zu beschreiben und zu verstehen. Die Themen, die sie behandeln – Geschwisterkonflikte, Konflikte zwischen Eltern und Kindern, Ausgrenzung des Fremden – haben wir erst in den letzten Jahrzehnten wieder neu in den Blick genommen.
Bernd Deininger schaut als Psychoanalytiker auf die biblischen Texte. Pater Anselm versucht sie aus seiner spirituellen Tradition heraus auszulegen. Dabei ist ihm die Verbindung von Spiritualität und Psychologie wichtig. Beide Autoren haben immer die Menschen von heute im Blick. Es geht darum, was diese alten Texte ihnen zu sagen haben. Auslegung ist dabei ein Dialog zwischen dem Text und dem Autor. Insofern ist sie immer subjektiv. Jeder versucht, das Gesagte mit dem eigenen Leben in einen Dialog zu bringen. Doch der Dialog zwischen dem biblischen Text und einem Psychoanalytiker und einem Mönch führt oft zu ähnlichen Ergebnissen. Es entsteht ein gemeinsamer Blick auf den Menschen von heute. Und dieser gemeinsame Blick verbindet die beiden Autoren in ihrer Auslegung von biblischen Texten.
Viele Christen tun sich schwer mit den alttestamentlichen Erzählungen. Sie erschrecken vor den Gräueltaten, die darin erzählt werden. Die Texte erscheinen ihnen zu wenig fromm. Doch wenn wir sie mit den Augen eines Psychoanalytikers betrachten, sind sie hochmodern. Sie beschreiben das Geheimnis des Menschen auf seinem Weg der Menschwerdung. Sie scheuen nicht vor den Abgründen der Seele zurück. Aber sie sind zugleich voller Hoffnung, dass jeder, der sich seiner eigenen Wahrheit stellt, letztlich zu dem gelangt, was die Theologie Heil und Heilung, Verwandlung und Erlösung nennt.
Die Autoren haben sich in der Auslegung bewusst auf alttestamentliche Texte beschränkt. Zum einen gibt es dafür wenige Auslegungen, die sich auf den heutigen Menschen beziehen. Zum anderen sind sie gerade für heutige Bibelleser auf den ersten Blick oft schwer zu verstehen. Doch beide Autoren sind mit der ganzen kirchlichen Tradition davon überzeugt, dass das Alte Testament auch für uns Christen Heilige Schrift ist und wesentlich zu unserem Glauben gehört.
Bernd Deininger betrachtet dabei vor allem Geschichtserzählungen aus den fünf Büchern Mose und dem Buch Richter, während Pater Anselm zwei Geschichten aus späteren Schriften, dem 1. Buch Samuel und dem 1. Buch der Könige, meditiert und sich dann mit prophetischen Texten beschäftigt. Die prophetischen Texte sind für heutige Leser genauso fremd wie die oft brutalen Geschichten, in denen von Mord und Schändung die Rede ist. Entweder wird von Gericht und Untergang gesprochen oder aber eine zu heile Welt versprochen. Mit beiden Sichtweisen tun sich Menschen heute schwer. Die Worte vom Gericht erzeugen Angst und Widerstand, die der Verheißung hinterlassen dagegen Zweifel im Leser. Das scheint alles allzu schön zu sein. Man fühlt sich eingelullt von diesen Versprechungen einer heilen Zukunft. Doch beides gehört nicht nur zur Bibel, es entspricht auch der Erfahrung des Menschen, der in der Spannung zwischen Gericht und Heil, Abbruch und Aufbruch, Scheitern und Wiederaufstehen steht.
So wünschen wir den Lesern und Leserinnen, dass die Auslegungen der alttestamentlichen Texte ihren Glauben vertiefen. Wir hoffen, dass sie dabei helfen, das eigene Leben mit neuen, ehrlichen Augen zu sehen, die vor den Abgründen des Lebens nicht zurückschrecken, aber auch mit hoffnungsvollen Augen, die für uns mit all unseren Brüchen und Fragmenten eine gute Zukunft sehen.
In diesem Sinne wünschen wir eine gute, befruchtende und heilsame Lektüre!
Bernd Deininger, Anselm Grün
Bernd Deininger
Die Wurzel von Schuld und Angst · Genesis 3,1–24
Im 3. Kapitel des Buches Genesis wird die grundsätzliche Frage beantwortet, was den Menschen aus dem Paradies treibt. Das Paradies steht hier für Glückseligkeit, ewiges Leben, Konfliktlosigkeit, ewige Liebe, das Spüren der Nähe Gottes. Die Bibel tut dies verdichtet in einem Ursprungsmythos, damit sich in unserem inneren Erleben ein Bild darstellt, in dem sich jeder Mensch wiederfinden kann.
Die Geschichte handelt nicht von einem historischen Menschenpaar, das uns als Adam und Eva bekannt ist, sondern die Intention des Autors ist, dass wir darin die Geschichte eines jeden einzelnen Menschen wiedererkennen können, also auch unsere eigene. Um diese mythische Geschichte zu verstehen, ist es hilfreich, aus der Erzählung symbolhaft Einzelnes herauszugreifen.
Читать дальше