»Aber wieso?«
»Der Saboteur drang bis ins Zentrum der Basis vor, um dort das älteste Fluggerät zu beschädigen. Kommt Ihnen das nicht auch seltsam vor?«
»Ja, das tut es. Sie glauben, jemand wusste, dass Sie vorhatten, den Huey zu benutzen.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»So ist es.«
»Vergessen Sie Ihr Team«, erklärte Kranemeyer mit Nachdruck. »Die wurden alle gründlich überprüft. Wir wissen alles, was es über jeden Einzelnen von ihnen zu wissen gibt – Sie eingeschlossen. Und Sie kennen Ihr Team so gut wie kein anderer.«
»Über sie mache ich mir auch keine Sorgen«, erwiderte Harry mit eisern klingender Stimme, die klar machte, worauf er anspielte.
»Sie haben den Iraner im Verdacht, was?«
Kranemeyer hatte es ausgesprochen, laut und deutlich. Und es schien ihn zu verärgern.
»Meinetwegen könnte er auch Mitglied der weiblichen Fliegerstaffel sein. Ich habe noch nie zuvor mit ihm zusammengearbeitet. Natürlich mache ich mir da meine Gedanken.«
»Er ist sauber, Harry. Vergessen Sie’s.«
»Was ist mit seinen Eltern? Was wissen wir über sie?«
»Seine Eltern sind während der Revolution '79 geflohen. Sie leben in Dayton. Das FBI hat sie sechs Monate lang überwacht, bevor wir seiner Bewerbung zustimmten. Sein Onkel ist ein örtlicher Imam, aber keiner von ihnen war je auch nur im Ansatz in etwas verstrickt, was uns Sorgen bereitet hätte.« Der DCS schwieg für einen kurzen Augenblick. »An Ihrer Stelle würde ich mich unter Tancrettis Flyboys umsehen.«
»Das werde ich.«
»Vierundzwanzig Stunden, Harry. Lassen Sie mich wissen, falls sich noch etwas ereignen sollte.«
Kranemeyer tippte auf eine Taste seines Telefons und wartete geduldig, bis die Leitung frei war. Irgendetwas lief gehörig schief, so viel war klar. Und es gefiel ihm nicht.
»Nicole«, sagte er. »Geben Sie mir den DDST.«
»Sofort, Sir.« Wenig später hatte er den Deputy Director der wissenschaftlich-technischen Abteilung der CIA in der Leitung.
»Hallo, Scott«, begrüßte ihn Kranemeyer mit ruhiger Stimme, in der nichts seine innere Anspannung verriet.
»Schön von Ihnen zu hören, Barney«, antwortete Scott Hadley, der über den Anruf einigermaßen erstaunt zu sein schien. »Was kann ich für Sie tun?«
»Sie müssen für mich eine vierundzwanzigstündige Satellitenüberwachung zusammen mit Sorenson drüben bei der NRO koordinieren. Ich brauche eine Echtzeit-Beobachtung eines bestimmten Gebietes mit einem Live-Feed direkt in die NCS-Einsatzzentrale.«
»Geben Sie mir einfach die Koordinaten, Sir, und ich kümmere mich sofort darum.«
»Hier sind sie …«
23. September, das Büro des Premierministers, Tel Aviv-Jaffa, Israel, 08:32 Uhr Ortszeit
»General Shoham ist hier, Sir.« Premierminister Eli Shamir sah auf und nickte seiner Sekretärin zu.
»Führen Sie ihn herein.« Die Ankunft des Chefs des Mossad kam alles andere als überraschend. Das einzig Unerwartete war sein Timing. Shamir hatte eigentlich damit gerechnet, dass ihm der General bereits beim ersten Sonnenstrahl die Tür eintreten würde.
»Guten Morgen, General«, begrüßte der Premierminister Shoham herzlich, als dieser sein Büro betrat und die Tür hinter sich schloss.
»Schön wär’s«, antwortete der General spitz, beinahe unterkühlt. Einen Augenblick später schlich sich jedoch ein verlegener Gesichtsausdruck auf sein ledriges Antlitz. »Tut mir leid, Sir. Ich sollte nicht so schroff sein.«
»Nicht der Rede wert, Avi. Setzen Sie sich. Sie sehen müde aus.« Und das tat er tatsächlich , dachte der Premierminister, der den Mann vor sich mit einem finsteren Lächeln musterte.
Avi Ben Shoham, Held des Golan im Krieg 1973 und jener Panzersoldat, auf dessen Konto in den ersten Wochen des Krieges insgesamt achtzehn zerstörte syrische Panzer gingen, bevor er zwei seiner Crewmitglieder aus dem Wrack eines brennenden Centurion zog. Avi Ben Shoham, der Mann, dessen Großcousin zu den ermordeten Athleten in München gehörte. Avi Ben Shoham, seit fünf Jahren Kommandeur des Mossad. Wenn es einen Mann gab, der ein Recht darauf hatte, schroff zu werden, dann ihn. Aber darum ging es hier gar nicht.
»Als wir gestern miteinander sprachen, sagten Sie, dass Sie einen Krisenplan erarbeiten würden, General. Wie ist der Stand?«
Avi erhob sich, lief zum Schreibtisch des Premierministers und überreichte ihm eine dicke Akte.
»Projekt RAHAB, Sir.«
Shamir nahm die Akte schweigend entgegen und begann, aufmerksam darin zu blättern.
Als er zwanzig Minuten später damit fertig war, blickte er den General an. »Was wollen Sie von mir, Avi?«
»Ich benötige die Erlaubnis, eine Spezialeinheit des Sajeret Matkal für die Dauer von RAHAB unter mein Kommando stellen zu dürfen.«
»Erlaubnis erteilt. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Danke, Sir«, sagte General Shoham, erhob sich aus seinem Sessel und ging zur Tür. Die Stimme des Premierministers ließ ihn innehalten.
»Danken Sie mir nicht, Avi«, ermahnte ihn der Premierminister mit ungewöhnlich finsterem Blick. »Erledigen Sie die Sache einfach. Und seien Sie vorsichtig.«
»Das werde ich.«
Ein Safe-House, Gazastreifen, 09:31 Uhr
»Die Luft ist rein, Commander.«
Ibrahim Quasim stand aus seinem Sessel auf, lief zu dem Fenster hinüber und schob die Jalousien ein wenig beiseite, um vorsichtig auf die Straße hinuntersehen zu können. Nichts rührte sich. Es war Zeit, zu gehen. Er sah zu seinen beiden Leibwächtern. »Wir müssen uns beeilen.«
»Ich gebe Muhammad Bescheid, dass er den Wagen vorfährt«, erklärte der Größere von beiden und zog ein Funkgerät aus seiner Tasche. Er schaltete es an und meldete danach hastig in Arabisch: »Er ist auf dem Weg.«
»Gut«, antwortete Quasim und sah zu, wie eine kleine, schwarze Limousine in die Straße einbog. Ein verdrecktes, unauffälliges Fahrzeug. Nichts, was die Aufmerksamkeit der israelischen Verteidigungsstreitkräfte oder des gefürchteten Mossad erregen würde – Aufmerksamkeit, die der Lieutenant der Hamas am wenigsten gebrauchen konnte.
Der Wagen kam vor der Haustür ruckartig zum Stehen und Quasim drehte sich zu seinen Leibwächtern um. »Es geht los.«
»Die Zielperson verlässt Gebäude N-32. Er wird von zwei Leibwächtern flankiert. Ein vierter Mann im Wagen, eine schwarze Limousine. Zielperson steigt jetzt ins Auto, Rücksitz, rechte Seite. Habe VISDENT von Ibrahim Quasim.« Der junge Mann hielt kurz inne und entsicherte mit dem Daumen seine 9mm-Beretta.
»Los! Los! Los !«
Vier Straßen weiter stieg der AH-1-Cobra-Kampfhubschrauber auf und flog mit dem ohrenbetäubenden Wupp-Wupp-Wupp seiner Rotoren dicht über die Dächer der Gebäude hinweg.
Quasim sah den Hubschrauber wenige Augenblicke, bevor ihn auch seine Leibwächter bemerkten. Er wusste, was das bedeutete. Sie waren hinter ihm her. Er streckte die Hand aus und zerrte am Türgriff. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit …
Im nächsten Moment schossen 2.75-Inch-Raketen aus dem seitlich montierten Rohrstartbehältern des Cobra. Punktgenau schlugen sie in den Wagen ein, warfen ihn auf die Seite und setzten ihn in Brand.
Die Explosion schleuderte Quasim gewaltsam durch die Luft, weg von dem Wagen. Er schrie, spürte, wie sich Metall-Schrapnelle in seine Beine bohrten und Flammen an seiner Hose züngelten.
Ein Teil des Autowracks fiel auf ihn. Schmerz flutete seine Adern, während es ihn auf das Pflaster presste. Er stemmte sich auf die Ellbogen, versuchte, sich selbst unter dem Wrackteil hervorzuziehen. Versuchte, die brennenden Schmerzen zu ignorieren und das Blut, das aus seinem Körper floss. Er musste sich bewegen. Entkommen.
Читать дальше