Thomas Ramge - Augmented Intelligence. Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden

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Augmented Intelligence. Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden: краткое содержание, описание и аннотация

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Wo helfen uns Daten, die Welt besser zu verstehen und bessere Entscheidungen zu treffen? Und in welchen Situationen helfen sie uns nicht oder behindern uns sogar?
Algorithmen können immense Datenmengen bewältigen, und sie können selbst lernen. Doch das führt nicht zwangsläufig zu besseren Entscheidungen. Denn die Maschinen erkennen zwar Muster, der Mensch aber versteht den Grund.
Ein optimiertes Urteilsvermögen entsteht also dann, wenn sich menschliche Erfahrung und das Verständnis für Kausalitäten mit Künstlicher Intelligenz verbinden lassen, wenn unsere Intelligenz durch die der Maschinen ausgeweitet wird – und genau das bedeutet «Augmented Intelligence».

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Thomas Ramge

Augmented Intelligence

Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden

Mit 8 Abbildungen von Dinara Galieva

Reclam

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Für meinen Vater

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961744-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019689-2

www.reclam.de

Vorwort Datenreichtum und Scheinevidenz Es gibt keine Experten für die - фото 1

Vorwort: Datenreichtum und Scheinevidenz

Es gibt keine Experten für die Zukunft. Im Verlauf der Coronakrise traf uns diese alte Erkenntnis mit neuer Wucht.

Im Frühjahr 2020 mussten Politikerinnen und Politiker in aller Welt Entscheidungen von größter Tragweite treffen, ohne die genauen Übertragungswege des Coronavirus zu kennen. Sie wussten nicht, welche und wie viele Bürgerinnen und Bürger in ihrem Land bereits infiziert waren, wie hoch der Anteil derjenigen war, die das Virus asymptomatisch weiterverbreiteten, und wer bereits wieder immun war, also ein ganz normales Leben hätte führen können. Sie verstanden nicht, wer wegen und wer mit Covid-19 starb. Es gab keine klare Evidenz, ob Kinder den Virus übertragen können und Kita- und Schulschließungen sinnvoll oder nur vorsichtig waren. Die Experten stritten darüber, ob ein einfacher Mundschutz nützt, ob er nicht oder nur ein klein wenig hilft.

Die vielen Infografiken und Modellrechnungen, auf die Politiker und Bürger täglich in den Online-Medien starrten, suggerierten Evidenz zum Gesundheitszustand der Welt, fußten auf unvollständigen oder geschätzten Daten und lieferten vor allem eines: Scheinevidenz. Die Entscheiderinnen und Entscheider von Neuseeland über Singapur bis in die USA konnten nur spekulieren, wie hoch die wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Kosten von Lockdowns in ihrer jeweiligen Volkswirtschaft sein werden und inwiefern finanzielle Rettungsschirme für Unternehmen, Kurzarbeitergeld oder Soforthilfen für Soloselbstständige die unerwünschten Nebenwirkungen der Seuchenhygiene abmildern können.

Aus Sicht der Entscheidungsforschung ist die Coronakrise ein Reallabor für Entscheidungsfindung unter den Bedingungen höchster Unsicherheit. Die Kausalitäten sind unbekannt. Risiken lassen sich nur erahnen, aber nicht berechnen. Wir dachten, wir leben im Zeitalter von Big Data, in einer Zeit, in der Algorithmen maschinenlesbare Informationen statistisch aufbereiten und Prognosen ermöglichen, so dass sie unsere Entscheidungsgrundlagen entscheidend verbessern. Und dann kommt eine Pandemie mit Ursprung in China daher, zieht um den Globus und malt ein so unklares, fragmentiertes Datenbild, dass auch die klügsten Experten der Welt an der Interpretation der Gegenwart scheitern. Wer hätte das gedacht?

Das Coronavirus stellte Politiker vor nicht auflösbare Zielkonflikte. Für Entscheidungsforscher wenig überraschend entschieden diese sich fast überall – mit Ausnahme von Schweden – für die Optionen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit, die kurzfristigen Risiken zu mindern. Dafür nahmen sie langfristig hohe Kosten (und Risiken) in Kauf, die sich zum Zeitpunkt der Entscheidung aber nicht einmal halbwegs seriös prognostizieren ließen.

Natürlich kann auch dieses Buch nicht für sich in Anspruch nehmen, eine schlüssige Bedienungsanleitung für Entscheidungsfindung im Kontext von Datenarmut, widersprüchlicher Informationslage und Unsicherheit vom Schlage der Coronakrise zu liefern. Jeder Autor, der dies behauptete, litte vermutlich unter einer pathologischen Form des Overconfidence-Bias , der kognitiven Verzerrung der Selbstüberschätzung seiner Urteilskraft.

Auf den kommenden rund 100 Seiten versuche ich vielmehr der Frage nachzugehen, warum es uns so schwerfällt, Entscheidungen zu treffen, und wie maschinelle Entscheidungsassistenz uns genau in einem solchen Fall dabei helfen könnte, unsere menschliche Entscheidungsintelligenz zu erhöhen. Oder anders formuliert: Ich suche nach Wegen, wie Künstliche-Intelligenz- bzw. KI-Systeme bei Entscheidungsprozessen zu Intelligenzverstärkern werden können bzw. wie aus der Verbindung von kognitiven Fähigkeiten des menschlichen Gehirns und maschineller Mustererkennung Augmented Intelligence erwächst.

Die ersten beiden Kapitel beschreiben deshalb die Grundlagen der Entscheidungsfindung. Sie zeigen, warum die Coronakrise zwar eine Extremsituation sein mag, aber Unsicherheit und eine diffuse Datenlage grundsätzlich jede Entscheidungssituation prägen. Wer eine Entscheidung trifft, macht sich angreifbar. Wenn alles klar ist, treffen wir keine Entscheidung, sondern setzen eine logische Schlussfolgerung um. Und dennoch können wir deutlich systematischer Entscheidungen angehen.

Kapitel 3 beschreibt darauf aufbauend das Konzept der Augmented Intelligence ausführlich und entwirft ein Entscheidungsmodell mit sechs Schritten: 1. Entscheidungsproblem beschreiben, 2. Ziele und Werte definieren, 3. Optionen erarbeiten, 4. Informationen beschaffen, 5. Bewerten und 6. Entscheidung umsetzen.

Das vierte Kapitel gleicht dann ab, bei welchen der Schritte Daten und Algorithmen helfen können und wo sie wenig bis gar nichts nützen. Die zentrale These lautet hier: Künstliche Intelligenz wird uns helfen, mehr Entscheidungen im Modus der rationalen Abwägung zu treffen, also jener Form der Entscheidungsfindung, die der Verhaltensökonom Daniel Kahneman »langsames Denken« oder »System 2« nennt.

Anschließend suche ich nach Lösungen, wie wir intelligenter mit der Vielfalt der Informationen im Überfluss der (Shopping-)Angebote umgehen können, und gehe der Frage nach, ob sich Management nicht viel stärker automatisieren ließe. Von dem Ergebnis sei schon so viel vorweggenommen: Intelligente Maschinen und schnelles Rechnen werden uns weder das langsame Denken abnehmen noch von der Qual befreien, uns immer wieder entscheiden zu müssen. Das ist gut. So mühsam und unangenehm Entscheidungsprozesse auch sein mögen, kleine wie große, durch Entscheidungen werden wir zu denjenigen, die wir sind. Ohne Entscheidungen gibt es keine Identitätsfindung: Entscheidungen ziehen Grenzen, Grenzen definieren das Selbstverständnis – das Identität immer wieder neu schafft. Und auf absehbare Zeit wird gelten: Auch die intelligentesten Maschinen sind keine Experten für die Zukunft.

Gegen die Coronapandemie hat keine KI uns Linderung verschafft, sondern Linderung brachte uns die wirtschaftlich kostspielige Entscheidung für die Sozialtechnik der sozialen Distanzierung. Und wir wissen heute noch besser als vor der Krise: Die Zukunft lässt sich auch mit den besten Daten nur dann vorherberechnen, wenn sie eine lineare Fortschreibung von Vergangenheit und Gegenwart ist. Wenn sich alles ändert, sind auch Algorithmen aufgeschmissen. Wir sehen uns zurückgeworfen auf die Kernkompetenz menschlicher Intelligenz: herauszufinden, was zu tun ist, wenn wir nicht wissen, was zu tun ist.

I Das Unentscheidbare entscheiden Warum es keine guten Entscheidungen gibt - фото 2

I. Das Unentscheidbare entscheiden

Warum es keine guten Entscheidungen gibt, aber gute Entscheidungsprozesse

Sollte er heiraten oder nicht? Charles Darwin wollte sich bei einer der wichtigsten Entscheidungen seines Lebens nicht gar zu sehr von Gefühlen leiten lassen. Im Alter von 29 Jahren, zurückgekehrt von seiner fünfjährigen Weltreise, hatte der Naturforscher in seiner Cousine zwar eine mögliche Kandidatin erspäht. Doch ob diese als Person die richtige Wahl war, schien Darwin eine zweitrangige Frage. Zunächst musste die grundsätzliche, binäre Entscheidung getroffen werden: ja oder nein? Ist eine Ehe überhaupt sinnvoll, oder wäre ein Junggesellenleben bis ins hohe Alter nicht die attraktivere Option? Für die Entscheidungsfindung griff der Vater der Evolutionsbiologie im Juli 1838 auf ein Werkzeug zur Entscheidungsfindung zurück, das rund 100 Jahre zuvor vom amerikanischen Gründungsvater Benjamin Franklin populär gemacht worden war, die Pro-und-Kontra-Liste.

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