Er hielt das Messer noch lange genug in die Höhe, um das blanke Entsetzen in den Augen des Mannes explodieren zu sehen.
DAS ist Schmerz!
Božanović presste die Klinge gegen den Oberschenkel, zog sie von links nach rechts, und begann danach, die Klinge nach unten zu ziehen und den Mann zu filetieren. Die Haut rollte sich bis zum Knie nach oben, wie ein Holzspan, der von einem Stück Holz abgezogen wurde, ein Stück Gewebe, das er schließlich abschnitt und achtlos den Straßenkötern zum Fraß zuwarf, die nachts durch die Straßen liefen.
Der Serbe kämpfte vergeblich gegen seine Peiniger an, starrte dabei auf die Wunde, in der sich nun deutlich die Muskelfasern abzeichneten, und schrie lauter, als Božanović je einen Menschen hatte schreien hören.
Božanović hatte gelächelt, und das Messer wurde zu seinem neuen Freund, der ihm seine Unverwundbarkeit zurückgegeben hatte. Wieder einmal lag es in seiner Macht, über Leben oder Tod zu befinden. Und der Serbe hatte sein Schicksal bereits besiegelt, so heftig, wie das Blut aus Božanović Wunde sickerte und seine Uniform tränkte.
Der Kroate fuhr fort und zog einen zweiten Streifen vom Bein des Mannes ab, dann einen dritten. Der Mann unter ihm litt derartige Qualen, dass er schließlich ohnmächtig wurde. Aber so leicht wollte Božanović ihn nicht davonkommen lassen. Er ließ den Mann von seinem Team in ein heruntergekommenes Safe-House bringen, wo der Serbe immer wieder zu Bewusstsein kam, nur um in das lächelnde, fürchterlich zugerichtete Gesicht des Kroaten zu blicken, der scheinbar niemals schlief. Die Wunde in seinem Gesicht war dürftig vernäht worden, eine eilige Versorgung von ungeübter Hand, die Božanović ein frankenstein-ähnliches Aussehen verlieh. Sein Gesicht wirkte furchtbar entstellt und böse, mit dem heruntergezogenen Auge und der nach oben verzogenen Lippe, die seinen Mund zu einem beständigen verächtlichen Grinsen zwang.
Nachdem er dem Serben die Gelegenheit gegeben hatte, zu erkennen, dass es Božanović war, der mit seinem Messer wieder vor ihm stand, sollte Božanović die Klinge so lange über den Oberkörper des Mannes ziehen und ihn häuten, bis der Serbe drei Tage später an seinen Wunden starb.
An diesem Punkt begründete Božanović seinen Ruf als ein Mann, den man fürchten musste. Ein Mann, der seine Macht durch andere verkündete, indem er deren Körper als Leinwände benutzte, um seine Nachrichten zu verbreiten. Sein Messer diente ihm nun als Pinsel, mit dessen breitem Strich er sich und seiner Kunst Ausdruck verlieh.
Und er gab das Messer nie auf, benutzte es immer und immer wieder, bis er seine Kunst perfektioniert hatte und zu einem Picasso des Schlachtfeldes geworden war.
Diese Gedanken und Vorstellungen trieben ihn dazu an, immer stärker, reicher und mächtiger zu werden – um schließlich allgegenwärtig und allwissend zu sein. Das war sein Traum. Das war sein Ziel.
Und so strebte er 1995, als Kroatien seine Unabhängigkeit gewann, nach Höherem, indem er ein Cleaner für die kroatische Mafia wurde. Seine Entschlossenheit und sein Durchsetzungsvermögen erregten schließlich die Aufmerksamkeit der Mafiaführer, die Božanovićs rücksichtslose Neigungen erkannten, die ihn zu einem perfekten Werkzeug machten, wenn es darum ging, ganz besondere Botschaften zu verschicken … besonders mit der Klinge eines Messers.
Die kroatische Mafia setzte sich aus drei Familien zusammen, welche die tragenden Säulen des Heroinschmuggels, des Menschenhandels und der Geldwäsche repräsentierten. Außerdem pflegten sie enge Beziehungen zur italienischen Mafia und der IRA. Nach drei Jahren in der Organisation hatte Božanović seine Hände in beinahe jedem Geschäft und profitierte von jedem Fehler. Ungestraft tötete er jeden, der versuchte, etwas von den Profiten der Mafia abzuzweigen.
Er wurde bewundert, dann gefürchtet und schließlich zum Elite-Killer innerhalb der Hierarchie erhoben. Wann immer es Aufträge von enormer Wichtigkeit zu erledigen gab oder eine Spur aus Leichen zurückgelassen werden sollte, um ein Zeichen zu setzen, war Božanović der Mann, der genau dafür sorgte. Er verfolgte seine Geschäfte mit einer solchen Skrupellosigkeit, dass sein missgestaltetes Gesicht am Ende zu einem Spiegel seiner dunklen Seele wurde; ein Mann, der von der Oberfläche seines Fleisches bis tief in die Essenz seiner Seele hinein verdorben war.
Er war das personifizierte Böse geworden.
Während er in dem Van saß und seine frischen Opfer beobachtete, gab er dem Mann neben sich einen knappen Befehl. »Folge Ihnen«, sagte er. »Finde heraus, was du kannst. Wenn Sie Touristen sind, will ich es wissen.«
»Ja, Sir.« Der Beifahrer stieg aus dem Van und schloss hinter sich die Tür.
Neben der Rekrutierung von Opfern war eine genaue Beobachtung in seinem Gewerbe ebenfalls entscheidend. Oft fiel seine Wahl auf Menschen aus anderen Ländern, weil diese keine direkten Verbindungen zu der Gegend hatten. Mangelnde Kenntnis der Landessprache und die fehlende Vertrautheit mit der Region verzögerten nicht selten den Fortschritt, den die Familien einer Zielperson mit der örtlichen Polizei erzielten, und verhinderten eine sofortige Suche.
Durch das geöffnete Beifahrerfenster erklärte Božanović: »Ich muss mich noch um eine andere Angelegenheit kümmern. Finde heraus, wo Sie wohnen, dann gib mir Bescheid. Ich werde ein anderes Team schicken, um einen Perimeter zu bilden. Wenn die Zeit reif ist, schlagen wir zu.«
Der Kroate nickte. »Verstanden, Sir.«
»Verliere sie nicht.«
Božanović startete den Van. Er warf dem Mann durch seinen heruntergezogenen Augenbrauen einen finsteren Blick zu, in dem das Böse flackerte, dann legte er einen Gang ein, fuhr davon und ließ seinen Handlanger allein zurück.
Mehrere Stunden lang folgte der Mann der Familie: der Mutter, dem Vater und den beiden als Zielpersonen auserkorenen Töchtern. Zuerst besuchten sie ein Straßencafé und aßen. Als sich der Tag dann dem Ende zuneigte, kehrten sie in ihr Hotel an der Rue Cler zurück.
Der Handlanger Božanovićs versuchte so unauffällig wie nur möglich zu wirken, als er nur wenige Augenblicke nach der Familie die Hotellobby betrat, einen Sicherheitsabstand hielt und sie durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille beobachtete. Nachdem die Familie den Fahrstuhl betreten hatte, kontaktierte der Mann Božanović über sein Handy. Das Gespräch zwischen ihnen war kurz, die einzelnen Antworten abgehackt.
Jetzt wusste Jadran Božanović, wo sich seine neuen Opfer befanden.
Obwohl der Mann Božanović nicht sehen konnte, wusste er doch, dass der Kroate in diesem Moment bei dem Gedanken an die Dollarzeichen lächeln musste, die vor seinem geistigen Auge vorbeizogen. Es ging immer nur ums Geld.
Wenn die Pariser Polizeibehörden nach der Entführung schließlich wachgerüttelt worden waren, würde die Spur der jungen Fremden bereits so kalt sein, dass man sie nie wieder finden würde.
Shari Cohen und ihre Familie gastierten im Hotel de La Motte Picquet auf der Rue Cler, einem bekannten Marktviertel in Paris.
Es war später Abend und die Mädchen lagen bereits in ihren Betten in der angrenzenden Suite.
Gary sah erschöpft aus, mit grauen Halbmonden unter den Augen, als er neben Shari unter die Bettdecke schlüpfte. »Die Mädchen sind eingeschlafen«, sagte er. »Ab ins Traumland.«
Sie schmiegte sich an ihn und ließ ihre Fingerspitzen über seine Brust gleiten. »Du siehst müde aus«, sagte sie.
»Müde ist nicht das richtige Wort. Ich bin völlig fertig. War ein langer Tag.«
»Ich glaube, den Mädchen hat es gefallen.«
»Das hat es. Steph ist im Moment einfach ein wenig schwierig. Ich weiß das, sage mir aber immer, dass das nur eine Phase ist. Aber sie taut gerade ein wenig auf.«
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