Damals konnte ich in Absprache mit dem DFB erreichen, dass Schiedsrichterbeobachter aus Deutschland zu den Freundschaftsspielen entsandt wurden. So weit ich informiert bin, liegt die Ansetzung eines Schiedsrichters für ein Vorbereitungsspiel im Aufgabenbereich des jeweiligen Fußballverbandes des Austragungsortes. In Belek wäre also der türkische Fußballverband, in Málaga der spanische Fußballverband verantwortlich. Der DFB hat somit keine Möglichkeit, eigene Schiedsrichter einzusetzen. Aber sollte nicht jeder Fußballverband Interesse daran haben, dass die Spiele manipulationsfrei ablaufen? Doch Jahr für Jahr geschieht das Gleiche: Die Verbände der Mannschaften, die ihre Trainingslager im Ausland durchführen, halten sich heraus. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ein Wort noch zu den Agenturen, die solche Komplettpakete anbieten. Auch hier gibt es schwarze Schafe, die auf besondere Weise mit den Schiedsrichtern zusammenarbeiten. Oder gar ganze Mannschaften dazu benutzen, um zu manipulieren.
Und damit wäre ich bei der nächsten Methode, mit der ich im Rahmen der Ermittlungen zu tun hatte: Eine nur zum Zweck der Manipulation gegründete Sportagentur schreibt Nationalverbände an, um sich als Organisator von Länderspielen anzubieten. Afrikanische Staaten etwa finden in der Auswahl von internationalen Freundschaftsspielen weniger Beachtung. So ist es selten der Fall, dass eine europäische Nationalmannschaft gegen ein kleines afrikanisches Land ein Länderspiel austrägt. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen. Dass das so ist, haben nicht nur die Gespräche mit unterschiedlichen Funktionären der FIFA und der UEFA bestätigt, sondern die Kriminellen wählen genau deswegen solche Nationen als Ziel ihrer kriminellen Machenschaften aus.
Wenn eine Agentur auftaucht und damit wirbt, Länderspiele zu organisieren, finden sie bei kleineren Nationen sofort Gehör. Und wenn sie zudem noch anbietet, die komplette Nationalmannschaft mit Trainingskleidung auszustatten und den Spielern, Trainern und Funktionären ein »nettes« Handgeld offeriert, dann werden wenige dieser Nationen dieses – unmoralische – Angebot ablehnen. Selbst wenn die Agentur dann plötzlich vorgibt, wie viele Gegentore fallen müssen, damit sich der Aufwand lohnt, werden keine Fragen gestellt. Der eigene Mehrwert ist zu groß, um zu widerstehen, zumal weitere Länderspiele in Aussicht gestellt werden. Also im Grunde eine Gewinnerchance für ein kleines Land.
Wir sollten nicht so vermessen sein, nun gerade hier den Zeigefinger zu erheben und dieses Handeln zu verurteilen. Es gibt keinen Zweifel, dass auch diese Manipulationen den Sport töten. Es gibt ebenso wenig Zweifel daran, dass dieses Handeln falsch und strafrechtlich zu ahnden ist. Gleichwohl sollte man aber wenigstens einmal ein paar Minuten lang überlegen: Warum machen die das? Und vielleicht kommt man dann zu dem Ergebnis, dass womöglich innerstaatliche Strukturen von Korruption durchtränkt sind. Da leben Leute, die wachsen in einem Land voller Gewalt auf, wo das Recht des Stärkeren siegt. In diesen Ländern regiert die Willkür oder gar der Terrorismus. Bürgerkriegsähnliche Zustände sind an der Tagesordnung. Und jetzt sagen wir den Fußballspielern, die unter solchen Bedingungen aufwachsen: »Hört zu, es ist absolut nicht richtig, dass ihr einen Trainingsanzug und ein paar Fußballschuhe annehmt und dafür im Gegenzug zwei Gegentore absichtlich kassiert.« Wer will das rechtfertigen? Ich jedenfalls nicht.
Eine zum Zweck der Spielmanipulation ins Leben gerufene Sportagentur macht sich gerade die schwierigen Lebensbedingungen in den besagten Ländern zu Nutze. Ich habe etliche Schriftstücke und Kommunikationen zwischen einer derartigen »Sportagentur« und Fußballverbänden ausgewertet. Die Masche ist immer ähnlich: Es werden ein paar Referenzen genannt, dann schlägt man ein Länderspiel vor, zeigt sich bereit, sämtliche Kosten für die Reise und Übernachtungen zu übernehmen. Anschließend wartet man auf eine Reaktion des Verbandes, die in der Regel nicht lange auf sich warten lässt: Der Verband zeigt sich interessiert. Dann wird seitens der Agentur eine Teilnehmerliste für die Reise angefordert. Und schon dabei fällt auf, dass der Verband offensichtlich großes Interesse daran hat, jedem, der irgendwie zum Kreis der Nationalmannschaft gehört, in den Genuss eines solchen Angebotes kommen zu lassen. Offensichtlich hat man auch beim Fußballverband recht schnell erkannt, dass die Anfrage nicht aus rein sportlichem Interesse gestellt wurde, sondern man weiß sehr wohl, in welche Richtung diese Geschäftsbeziehung gehen wird.
Und dann ist es nicht unüblich, dass der Verband sogar noch Forderungen stellt. Es soll noch so etwas wie eine Antrittsprämie plus Ausstattung plus Handgeld gezahlt werden. Diesen Forderungen kommt die Sportagentur gern nach. Denn schließlich kann ein Länderspiel bewettet werden. Und in den Wettbüros – insbesondere in den asiatischen – spielt es keine Rolle, ob die Nationen, die da gegeneinander spielen, eher unbedeutend für den Weltfußball sind.
Mit welcher Dreistigkeit in Sachen Spielmanipulation vorgegangen wird, zeigt ein weiteres Beispiel, mit dem ich im Laufe unserer Ermittlungen zu tun hatte. Den Formen der Manipulation sind anscheinend keine Grenzen gesetzt. So gab es in der Vergangenheit immer wieder sogenannte Geisterspiele. Das sind Fußballspiele, die nur auf dem Papier und im Angebot verschiedener Wettanbieter existieren. Kriminelle Wettsyndikate organisieren fiktive Partien und sorgen dafür, dass Wettanbieter diese Spiele in ihr Angebot aufnehmen. Da weltweit jeden Tag Tausende Fußballspiele stattfinden, haben Wettanbieter sogenannte Daten-Scouts vor Ort in den Stadien oder an den jeweiligen Fußballplätzen. Durch diese Scouts wird der Spielverlauf digital an den Wettanbieter übermittelt, und dieser erstellt daraufhin die entsprechende Wettquote. In der Realität sieht das folgendermaßen aus: Der Scout übermittelt den Spielverlauf und entscheidende Spielereignisse wie zum Beispiel Spielerwechsel, Rote Karten, Gelbe Karten usw. Natürlich auch Tore. Und auf diese Scouts haben es die Kriminellen abgesehen: Sie werden bestochen und mit einem fiktiven Spielverlauf ausgestattet, den sie an den Wettanbieter übermitteln sollen – und fertig ist das sogenannte Geisterspiel.
In Erinnerung blieb mir auch ein besonders kurioser Fall: Während einer Geburtstagsfeier von hochrangigen Kriminellen liefen auf unterschiedlichen TV-Geräten Fußballspiele. Es stellte sich heraus, dass diese Spiele manipuliert waren und dem Geburtstagskind als »Geschenk« überreicht wurden. Die »Schenkenden« waren Schiedsrichter und Fußballspieler.
Es gibt natürlich noch eine Vielzahl weiterer Manipulationsmöglichkeiten. Auch mit diesen hatten wir im Laufe der Ermittlungen zu tun. Sie betrafen auch weitere Sportarten wie zum Beispiel Tennis oder Eishockey. Insbesondere der Tennissport ist sehr anfällig für Manipulationen, denn es handelt sich um eine Einzelsportart – der Sportler muss sich nicht im Kollektiv bewegen und hat jederzeit alle Handlungsmöglichkeiten. Außerdem ist die Einkommenssituation junger oder weit hinten in der Weltrangliste geführter Spieler vielfach geradezu prekär.
Eines ist klar: Die Kriminellen lassen sich ständig neue Methoden einfallen, um durch ihre Manipulationen und Wettsetzungen Gewinne zu generieren, deren Umfang weit jenseits normaler Maßstäbe liegt.
Die Manipulation von Fußballspielen hat im Übrigen nichts mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Liga, mit dem Amateur- oder Profibereich zu tun. Gut und Böse kennen keine Grenzen. Das versuche ich auf den nachfolgenden Seiten zu erklären. Geschildert werden ausschließlich reale Erlebnisse. Nichts ist fiktiv oder hypothetisch.
Kapitel 2
ES BEGANN MIT EINER LÜGE – MEIN WERDEGANG BEI DER POLIZEI
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