»Stopp! Das will ich gar nicht wissen. Ich komme gerne mal ab und an vorbei, um mit Ihnen einen Cappuccino zu trinken. Aber die Arbeit fehlt mir nicht. Mein Leben besteht nun aus Katzenpflege und Gartenarbeit. Das wöchentliche Highlight ist die Probe des Kirchenchors. Ich lese nicht mal Krimis.«
Klaus Wieland lachte. »Das kann ich gut verstehen. Wenn meine Frau abends den Tatort einschaltet, gehe ich ins Nebenzimmer und lese Zeitung.«
»Die ist doch auch voll von schlechten Nachrichten. Probieren Sie es mal mit Unkrautjäten – das macht den Kopf frei.«
»Ich werde es mir merken. Ist das jetzt Ihr neues Hobby?«
Frederike nickte. Sie tauschten sich noch eine Weile über die Entwicklungen der letzten Jahre aus, dann schaute Wieland auf die Uhr. »Ups, schon so spät. Ich muss los!« Er stand auf. »Ich melde mich, sobald ich etwas weiß.«
»Wird es lange dauern?«, fragte Frederike schnell.
»Also trotz der entspannenden Gartenarbeit immer noch ungeduldig! Es hätte mich auch gewundert«, grinste Wieland, »nein, ich melde mich heute noch. Versprochen.«
»Klasse! Dafür zahle ich Ihren Cappu.« Frederike schwenkte ihre Geldbörse, und Wieland verließ winkend das Lokal.
Frederike bummelte noch eine Weile durch die Altstadt, stellte aber fest, dass der Trubel um sie herum sie einfach nur noch nervte. Also machte sie sich auf den Heimweg. Sie war froh, in Kürze Informationen über Käthe Gilles zu bekommen. Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass hinter diesem Tod mehr steckte. Oder war es doch bloß Zufall? Wie passte das Ganze zu den anderen Todesfällen? Sie wusste es nicht und beschloss, sich von ihren Zweifeln erst einmal nicht abhalten zu lassen. Tja, vielleicht war das Bild mit dem Bluthund gar nicht so falsch! Und irgendwie waren das ja auch ganz liebe Tiere, oder?
Ihre Gedanken wanderten zu Angela und ihrem neuen Galan. Sie machte sich Sorgen. Ein arbeitsloser Chemiker – in einer Region mit einer Arbeitslosenquote unter drei Prozent und nachgewiesenem Fachkräftemangel. Wo gab es denn so was? Hatte sie etwa Vorurteile gegen gut aussehende junge Männer, die auf Kosten der Allgemeinheit lebten? Oder war sie einfach bloß eifersüchtig? Trotzig schüttelte sie diesen Gedanken ab.
Als sie zu Hause ankam, hatte Klaus Wieland ihr schon auf den Anrufbeantworter gesprochen und um Rückruf gebeten. Sie wählte seine Handynummer und lobte: »Das ging ja wirklich schnell.«
»Ja, ich habe eben nicht geschaltet, als Sie mir den Namen sagten. Käthe Gilles – die kennt hier jeder. Sie ist in Düsseldorf als Stifterin und Sponsorin eine große Nummer gewesen, hat jahrelang die UNICEF-Gala organisiert und war eine große Kunstmäzenin. Sie kennen sie übrigens.« Klaus Wieland wartete auf ihre Reaktion.
»Lassen Sie mich nachdenken. Der Name Gilles ist hier in der Region häufiger vertreten, sodass ich keine Verbindung hergestellt habe, und ich bin der Dame hier nie begegnet. Käthe Gilles … mmh … war da nicht irgendetwas mit der Kunstsammlung?«, dachte Frederike laut nach.
»Genau, wir sind ihr im Rahmen der Ermittlungen im Fall Küpper begegnet. Eine nette ältere Dame, sehr vornehm. Klingelt es jetzt bei Ihnen?«
Frederike nickte: »Ja, jetzt wo Sie es sagen. Das war also Käthe Gilles. Eine angenehme Person. Wie schade, dass ich ihr hier nicht mehr begegnet bin. Sie war sehr aufmerksam und hochintelligent.«
»Und schwerreich«, ergänzte Klaus Wieland. »Sie verfügte in Düsseldorf über mehrere Immobilien, teils sogar in Kö-Lage. Dazu gibt es auch noch eine exquisite kleine Kunstsammlung. Die Lady war millionenschwer.«
Frederike pfiff durch die Zähne. »Na, wenn das kein Motiv ist. Gibt es direkte Nachkommen?«
»Soweit ich weiß, nicht. Der Ehemann ist bereits vor zwölf Jahren verstorben, und das Paar war kinderlos. Es gibt natürlich Verwandtschaft. Da wird das Rennen auf das Erbe jetzt losgehen!«
»Haben Sie vielleicht etwas über den Neffen herausgefunden?«
»Nein, so genau habe ich aber auch nicht recherchiert.«
»Man müsste mal einen Blick ins Testament werfen.«
»Da müssen Sie bis zur offiziellen Testamentseröffnung warten. Ohne konkreten Anlass können wir hier keinen Einblick nehmen.« Anscheinend waren die Grenzen von Klaus Wielands Hilfsbereitschaft erreicht.
Doch Frederike wollte auch gar nicht mehr. »Nein, das ist klar. Ich bin froh über die Infos. Damit kann ich arbeiten. Ich habe den Eindruck, dass zumindest der Neffe keine Zeit verlieren wird, einen Erbschein zu beantragen. Sollten Sie etwas hören oder lesen, vielleicht in der Rheinischen Post , lassen Sie es mich wissen.«
»Das mache ich. Es war schön, mal wieder mit Ihnen zu plaudern«, verabschiedete sich Klaus Wieland.
Käthe Gilles – Frederike erinnerte sich gut an die hochgewachsene stolze Frau mit dem klaren Blick und der melodischen Stimme. Ihre Begegnung war schon mehrere Jahre her. Das musste in den Neunzigern gewesen sein. Käthe Gilles entsprach überhaupt nicht dem blond gefärbten und braun gebrannten Klischee der typischen Düsseldorfer Hautevolee. Ihre Kleidung war schlicht und geschmackvoll, und sie hatte sich viel Zeit genommen für die Ermittler. Damals wieselte ein kleiner weißer Zwergpudel um sie herum, den sie sogar mit in die Kunstsammlung nahm. Das war aber auch das einzige Indiz, das für ihre Sonderstellung sprach, denn normalerweise herrschte hier striktes Hundeverbot. Frederike fühlte eine leichte Trauer, als sie sich an die Begegnung erinnerte. Sie hatte die Frau gemocht. Schade, dass es nun zu spät für ein Wiedersehen war. Es wäre schön gewesen, hier in der Eifel ein Gesicht aus der alten Heimat zu entdecken. Frederike fragte sich, was Käthe Gilles in die Eifel verschlagen hatte. Vielleicht war es Käthe ja genauso gegangen wie ihr – zurück zu den Wurzeln.
Sie atmete geräuschvoll aus, stand auf und ging in die Küche, um Hannelores Abendessen zuzubereiten.
Für den nächsten Tag hatte sich Frederike wieder Gartenarbeit verordnet. Dabei konnte sie ihre Gedanken fließen lassen. Jetzt, nachdem sie sich an die Begegnung erinnert hatte, war Käthe Gilles’ Tod zu etwas Persönlichem geworden. Sie würde keine Ruhe geben, bis sie das Geheimnis um den Todesengel gelüftet hatte. Und sie war sicher, dass es ein Geheimnis gab. Noch kannte sie nicht alle Fakten, aber das wäre nur eine Frage der Zeit. Und der richtigen Herangehensweise.
Die Zeit verging im Nu. Nachmittags stand unerwartet Angela am Gartentörchen. »Na, kann ich helfen?«
Frederike erhob sich stöhnend aus dem Blumenbeet, das sie gerade von Unkraut säuberte, und zog ihre schmutzigen Arbeitshandschuhe aus. »Gut, dass du da bist. Pause!«
Angela lachte. »Da komme ich ja gerade richtig! Soll ich uns einen Kaffee machen? Ich habe Teilchen mitgebracht.« Sie hob eine Tüte von der Dockweiler Biobäckerei in die Höhe.
Frederike lief das Wasser im Mund zusammen. »Wundervoll! Du bist ein Engel.«
Beide gingen ins Haus. Frederike wusch sich die Hände und wechselte die Schuhe, während Angela den Kaffeekocher auf den Herd setzte. Kurz danach zog würziger Kaffeeduft durch die Küche. Die beiden nahmen sich Tassen und Teller aus dem Regal und setzten sich an den alten Küchentisch. Frederike schob einen Hocker heran und legte die Füße hoch. Beide tranken schweigend ihren Kaffee und verzehrten die Fruchtschnitten. So konnte man das Leben genießen!
»Schön, dass du hier bist. Ich wollte sowieso etwas mit dir besprechen«, eröffnete Frederike das Gespräch, nachdem beide ihren ersten Hunger gestillt hatten. »Aber zunächst interessiert mich mal dein neuer Freund: Wie läuft es mit Jochen?«
Angela begann zu strahlen. Sie sprang auf und umarmte Frederike. »Ach, Tantchen, ich bin so glücklich. Jochen ist so ein wunderbarer Mensch. Jeden Tag schickt er mir kleine verliebte Botschaften aufs Handy. Und wir telefonieren jeden Abend, manchmal stundenlang. Er ist so verständnisvoll.«
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