Andrew Abbott - Zeit zählt

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Eine zeitgemäße Sozialforschung sollte prozessual angelegt sein, argumentiert der US-amerikanische Soziologe Andrew Abbott. Damit vertritt er einen radikal anderen Blickwinkel auf die soziale Welt als in den Sozialwissenschaften üblich. Nicht die Stabilität gesellschaftlicher Verhältnisse ist der Normalfall, sondern ihr Wandel. Nicht die kontinuierliche Veränderung sozialer Strukturen und kultureller Deutungen ist erklärungsbedürftig, sondern ihre Konstanz. Nicht die Modellierung sozialer Vorgänge mit Variablen wie Bildungsniveau, Haushaltseinkommen oder soziale Herkunft ist die angemessene Methode ihrer Analyse, sondern die Narration ihrer prozesshaften Entfaltungen, Wendungen und Abbrüche. Andrew Abbott geht es darum, die Temporalität des Sozialen als zentralen Aspekt sozialwissenschaftlicher Methodologie und soziologischer Theoriebildung zu verankern.
Mit dem Band «Zeit zählt» liegen erstmals ausgewählte Aufsätze von Abbott gebündelt in deutscher Übersetzung vor. Sie eröffnen den Zugang zu einem Autor, der in den USA und in Frankreich längst zu den prominentesten Sozialwissenschaftlern der Gegenwart gehört und der nicht nur gegen den Strich, sondern auch gegen sich selbst denkt.

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Das klingt trivial, weil es etwas ist, was wir alle wissen. Wir schreiben aber nicht so, als wüssten wir es. Das heißt, mein Argument über die Wichtigkeit der Historizität impliziert ebenfalls, dass es so etwas wie eine Bevölkerungsbefragung mit unabhängigen Wellen wirklich nicht geben kann. Alle in regelmäßigen Abständen wiederholten Befragungen sind in hohem Maße Befragungen impliziter Panel. Das war es, woran Paul Lazarsfeld dachte, als er behauptete, dass »die Leute bei derselben Wahl abstimmen, aber nicht alle über dieselbe«. Er meinte damit, dass viele Wählerinnen mit ihren jetzigen Stimmen auf politische Anliegen reagieren, die viel früher entstanden sind und die ihre Stimmabgabe schon in mehreren vergangenen Wahlen beeinflusst haben mögen. Es lohnt sich, seine Argumentation ausführlich zu zitieren:

»So bildeten sich etwa die Tendenzen, die bei den Wählerentscheidungen von 1948 zur Geltung kamen, nicht nur in der Zeit des New Deal und des Fair Deal heraus. Sie reichten vielmehr auch auf Loyalitäten zu Eltern und Großeltern zurück, auf religiöse und ethnische Spaltungen eines vergangenen Zeitalters sowie auf erkaltete regionale und kommunale Konflikte. In einem sehr realen Sinn ist somit jede Wahl eine Kombination aus verschiedenen Wahlen sowie verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Die Menschen stimmen an einem bestimmten Tag im November für einen Präsidenten, ihre Entscheidung treffen sie jedoch nicht nur auf der Grundlage dessen, was in den vorangegangenen Monaten oder sogar vier Jahren geschehen ist; 1948 stimmten einige Leute faktisch über die Internationalismus-Frage von 1940, die Folgen der Wirtschaftskrise von 1932 und manche sogar über das Zerwürfnis um die Sklaverei von 1860 ab.« 4

Wir sollten bedenken, dass diese kompositorischen Implikationen nur unter der Voraussetzung eines vollkommenen Gedächtnisses geradlinig ausfallen werden. Dies wiederum legt nahe, dass wir uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen sollten, wann, wie und warum sich die Tiefe und Zuverlässigkeit dieser Art von Gedächtnis verändert. Die Wahlforschung hat sich in der Praxis nicht in diese Richtung entwickelt, diente sie doch überwiegend dem praktischen Zweck, bestimmten Kandidaten zur Wahl zu verhelfen, und konzentrierte sich deshalb auf eine bestimmte Folge der Historizität von Individuen: die Tatsache, dass nur ein relativ kleiner Teil der Wählerschaft seine Position von Wahl zu Wahl ändert. Diese »Wechselwähler« waren – aus pragmatischer Sicht – viel wichtiger als der enorm treue Durchschnittswähler und die Historizität, die seine Treue hervorbrachte.

Darüber hinaus sollten wir bedenken, dass der Einfluss dieses Gedächtnisses und dieser Kontinuität – dieser Historizität – sehr stark variieren kann, insbesondere im Zusammenhang mit Ereignissen, die in einem typischen Lebenslauf nur sehr selten stattfinden. Wahlen werden mit großer Regelmäßigkeit abgehalten, dementsprechend ist der Einfluss der Historizität – obwohl massiv – im Zeitverlauf relativ stetig. Bei Ereignissen, die nur selten im Leben geschehen, zeigt sich hingegen: Je später im Leben ein Ereignis üblicherweise eintritt, desto kürzer ist der Schatten, den es auf die Gesamtbevölkerung wirft. Die amerikanische Bevölkerung vergaß schnell, dass es einmal eine Welt ohne Medicare gegeben hat, weil sie 1964 nur zu neun Prozent in ihren mittleren Sechzigern war und somit einen Lebensabend ohne Medicare erlebt hatte. Diese wenigen verschwanden rasch, und so entwickelte sich Medicare schon sehr bald zu einem für selbstverständlich gehaltenen Leistungsanspruch. Die Wehrpflicht hingegen, die nur zehn Jahre später (1973) ausgesetzt wurde, hatten 30 Jahre später noch 28 Prozent der männlichen Bevölkerung Amerikas im Kopf, weil eine Einberufung junge Menschen betrifft, sodass 30 Jahre später 28 Prozent aller noch lebenden Männer irgendwann einmal von ihr betroffen waren. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht könnte mithin leichterfallen als eine Abschaffung von Medicare, weil mehr Menschen, die sich an ihre Einberufung erinnern, noch am Leben sind und folglich einen Präzedenzfall für sie sehen können. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel, dass sie sich ihr aber auch stärker widersetzen könnten, weil sie schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht haben. Die Richtung des Einflusses der Historizität steht nicht von vornherein fest. Fest steht lediglich, dass das Gedächtnis in jeder Diskussion über eine Wehrpflicht eine viel größere Rolle spielen wird als in einer Diskussion über Medicare.

Meine Beispiele der Wahlen und politischen Positionen betreffen das Gedächtnis von Individuen im buchstäblichen Sinne. Eine viel allgemeinere Form von Historizität liefert uns aber die erwerbstätige Bevölkerung. Es handelt sich dabei nicht um die deskriptive Historizität von Erinnerungen und Akten, sondern um eine allgemeine substanzielle Historizität wie die des Körpers.

Dafür ein Beispiel. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Zeitraum zwischen 2000 und 2005 in Rente gehen, sind nicht nur eine beliebige Gruppe von Menschen, die zufälligerweise gerade ihren Ruhestand antreten. Sie bringen vielmehr zum Moment der Rentenentscheidung ein ziemlich spezifisches historisches Gepäck mit. Einiges von diesem Gepäck kann abgelegt werden, beispielsweise ihr Ausbildungsniveau; es hat keine speziellen Folgen, dass sie im Durchschnitt deutlich weniger gut ausgebildet sind als die gegenwärtige Arbeitnehmerschaft. Manches von ihrem historischen Gepäck allerdings ist höchst folgenreich. So spielt es beispielsweise eine große Rolle, dass etwa die Hälfte der Arbeitnehmer in dieser Rentenkohorte Veteranen sind, denen eine Vielzahl spezieller Leistungen zusteht. Es spielt eine sehr große Rolle, dass zwar Tariflohn und Leistungsprämien in ihrem frühen Arbeitsleben auf einem Höhepunkt waren (ein Spitzenwert, von dem ältere Gewerkschaftsmitglieder zur damaligen Zeit hervorragend leben konnten), dann aber gerade zu dem Zeitpunkt in ihrer beruflichen Laufbahn rasch sanken, als sie Pensionsgelder hätten ansparen sollen. Die finanziellen und praktischen Ressourcen, die diese Kohorte in den Ruhestand mitbringt, sind somit entscheidend durch ihre historische Arbeitsbiografie geprägt; ihre Vergangenheit ist in Form mangelnder Rentenmittel, über die ihre Eltern an einem vergleichbaren Punkt in ihrem Leben verfügten, in ihre Gegenwart »eingeschrieben«. Und natürlich bedeuten medizinische Fortschritte, dass heutige Rentnerinnen damit rechnen können, ein volles Jahrzehnt länger im Ruhestand zu leben als ihre Eltern – mit den entsprechenden Kosten. Aufgrund dieser Einschreibungen des Vergangenen in die Gegenwart bieten diese 14 Millionen Menschen (das in den Ruhestand tretende Segment der 55- bis 64-jährigen Kohorte der amerikanischen Erwerbsbevölkerung, darunter rund 55 Prozent Männer) einen enormen Speicher an Kontinuität, an Prozess und Struktur unterhalb der sich wandelnden Oberflächen der Arbeitswelt der Vereinigten Staaten in den vergangenen 40 Jahren. Diese Kontinuität umfasst persönliche Erinnerungen, gemeinsame soziale und politische Erfahrungen und Einstellungen, gemeinsame Muster an materiellen Ressourcen und ein erhebliches Maß an gemeinsamen Erfahrungen als Arbeitnehmer. 5

Diese Masse an persönlichen Attributen und Erfahrungen, die über die Zeit mitgeführt werden, lässt sich als eine vierte Art von Historizität denken, die ich als substanzielle bezeichnen werde. Ein bekanntes Konzept, das eine substanzielle Historizität verkörpert, ist jenes des Lebenseinkommens, das sporadisch als Gradmesser für Ungleichheit herangezogen worden ist. Wenn man es aber als Maß für Ungleichheit betrachtet, versteht man es schlicht als ein Ergebnis, das weiter keine Konsequenzen hat und das wir schlicht dazu verwenden, einen Lebenslauf im Vergleich mit einem anderen zu bewerten. So wichtig dieser Vergleich ist, 6gilt das prozessuale Interesse am Lebenseinkommen auch dessen eigenen weiteren kausalen Konsequenzen zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Lebensverlauf. Das heißt, wir sind am Lebenseinkommen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch aufgrund der Frage interessiert, was es an einem späteren Zeitpunkt schließlich ermöglicht oder verhindert – eine entspannte oder schwierige Pensionierung beispielsweise. Jeder derartige Aktivposten wird (wie jede Verbindlichkeit) über die Zeit mitgeführt und konfrontiert seinen Besitzer jederzeit mit einer Vielzahl von Möglichkeiten und Beschränkungen.

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