Vor dem akuten lebensbedrohlichen Zustand sind die Folgen Symptome wie chronischer Husten, aushusten von gelbem oder grünlichem Schleim, eine verstopfte Nase, Nasenpolypen, Kieferhöhlenentzündungen, sowie eine allgemeine eingeschränkte körperliche Leistungsfähigkeit.
Neben der Lunge ist auch der Verdauungstrakt betroffen. Denn dort sind auch besonders viele Schleim- oder Flüssigkeit bildende Zellen vorhanden. Auch dort ist der Schleim oder die produzierte Flüssigkeit zu zähflüssig. Besonders ungünstig ist dies im Falle des von der Bauchspeicheldrüse produzierten Verdauungssaftes. Der dickflüssige Bauchspeicheldrüsensaft verstopft die feinen Kanäle in der Bauchspeicheldrüse, sodass bald gar kein Saft mehr in den Darm gelangt. Dieser Saft ist notwendig, um alle Nahrungsmittel und Getränke, die wir zu uns nehmen, in kleine Teilchen aufzuspalten. Nur so kann alles überhaupt vom Darm resorbiert werden. Der gesunde Ablauf ist, dass alles, was konsumiert wird, zuerst im Dünndarm resorbiert wird und erst dann in den Dickdarm gelangt, wenn es sozusagen bereit zur Ausscheidung ist. Wenn die Nahrungsmittel nicht mit diesem Verdauungssaft vermischt werden, können sie jedoch nicht im Dünndarm resorbiert und dann auch nicht verstoffwechselt werden. Das heißt, es gehen alle Nährstoffe und Kalorien verloren, die sie mit sich bringen. Und Zucker, Fette und Eiweiße gelangen vom Dünndarm gänzlich unbearbeitet in den Dickdarm. Dieser versucht dann die Nahrungsbestandteile mit seinen Bakterien der Darmflora abzubauen. Diese Aufgabe ist aber natürlich für ihn allein zu groß. Die Betroffenen leiden deshalb an Blähungen und fettig glänzenden Stühlen oder sind von Durchfall und Bauchschmerzen geplagt. Deshalb sind CF-Betroffene meist auch trotz großer Essensmengen sehr dünn und gedeihen rein physiologisch nicht erwartungsgemäß. Die gute Nachricht ist, dieser Verdauungssaft kann künstlich hergestellt werden und steht in Form von Mini-Kügelchen in Kapseln verpackt zur Verfügung.
Die Lungenfunktion nimmt in der Regel über die Jahre immer mehr ab. Dies wird oftmals von schweren Infekten begleitet, welche im Regelfall medikamentös mit Antibiotika behandelt werden.
Die Krankheit gilt in der Schulmedizin bis heute als unheilbar und die Lebenserwartung für Neugeborene liegt aktuell im Durchschnitt bei knapp vierzig Jahren. Zur Zeit meiner Geburt war diese deutlich geringer. Da galt es schon als ein Wunder, wenn ein CF-ler das Erwachsenenalter erreichte.
In der Schweiz sind rund 1'000 Personen von CF betroffen, in Deutschland etwa das Zehnfache dieser Zahl.
So, nach diesen ganzen Erklärungen zum Krankheitsbild, gehen wir jetzt also zurück zu meinem Lebensanfang mit der Diagnose CF.
Wir sind wieder bei meiner Geburt. Der bereits erwähnte Schweißtest wird gemacht, das Resultat, du kannst es dir denken, ich bin ein CF-ler, genau wie meine Schwester Monika. Auf Grund der nur 25-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass ich ebenfalls ein krankes Kind sein würde, ist dies natürlich ein harter Schlag für meine Eltern. Nun haben sie zwei kranke Kinder. Und als ob dies nicht genug wäre, kommt ein gutes Jahr nach mir mein Bruder Robert zur Welt und auch er ist „krank“. Wie kann man so viel Pech haben, denkst du jetzt vermutlich.
Mein Bruder als das dritte Kind war eigentlich nicht geplant. Meine Eltern entschließen sich, kein Risiko mehr einzugehen und meine Mutter lässt sich unterbinden (eine Maßnahme, weitere Schwangerschaften zu verhindern).
Als er halbjährig ist, finden meine Eltern meinen Bruder leblos in seinem Bett. Obwohl die Wahrscheinlichkeit seines Todes meinen Eltern bekannt war, ist es sehr schmerzhaft. Ich möchte hier jedoch auch schonungslos ehrlich sein. Wenn man drei kranke Kinder hat, ist neben der Trauer über ein Totes auch die Erleichterung dabei, sich nun „nur“ noch um zwei kranke Kinder kümmern zu müssen.
Und eines der zwei zurückgebliebenen kranken Kinder bin ich, nun also fünf Jahre alt. Es fängt somit die Zeit an, an die ich mich bis heute gut zurückerinnern kann.
Ich habe das Glück, dass ich wie ein Kind ohne schwere Krankheit aufwachsen darf. Meine Eltern behandeln und erziehen mich gerade so, als wäre ich gesund. Das heißt, keine Vorzüge und auch keine Nachteile. Weder sind meine Eltern extrem übervorsichtig mit mir, noch versuchen sie mich vor allem zu schützen. Sie sind beide von Haus aus Bauernkinder und stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Dieser Kraft, die sie in meine Kindheit gebracht haben, habe ich viel zu verdanken. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es damals für sie war und wie sie mit der ganzen Situation umgingen und umgehen, findet bis heute meine uneingeschränkte Bewunderung.
Ich gehe wie alle anderen Kinder in den Kindergarten. Mir wird nach und nach gewahr, wie meine Schwester in der zweiten Schulklasse mit Abstand die klügste Schülerin ist. Wegen ihres eher schlechten Gesundheitszustandes muss sie aber öfters der Schule fernbleiben. Sie hat große Mühe mit der Atmung und hustet sehr oft. So kommt es, dass andere Schulkameraden oder auch ich häufig ihren Schulranzen tragen.
Nun bin auch ich in der Schule angelangt und darf endlich rechnen und schreiben lernen. So klug wie meine Schwester bin ich nicht, aber ich komme auch ganz gut und ohne große Mühen durch alle Fächer durch.
Zu diesem Zeitpunkt merkt man bereits, dass ich in der körperlichen Entwicklung leicht zurückbleibe. Mein Alltag wird von vereinzelten Kontrollterminen beim Hausarzt, ein Minimum an Therapiestunden und durch Einnahme von Medikamenten begleitet. Ansonsten merke ich selbst nicht viel von meiner Krankheit.
Meiner Schwester aber geht es immer schlechter. Irgendwann kann sie nicht mehr zur Schule. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten darf auch sie ihren Leidensweg auf dieser Erde mit neun Jahren verlassen und Zuhause in den Armen meiner Mutter einschlafen. Ich bin zu diesem Zeitpunkt draußen am Spielen und bekomme erstmal nichts mit.
An den Tod meines Bruders kann ich mich kaum erinnern, da ich zu dem Zeitpunkt selbst erst knapp zwei Jahre alt war.
Hier, als Monika stirbt, bin ich sieben und erinnere mich. Jedoch verdränge ich die damit verbundenen Gefühle meisterhaft. Dies ist für Kinder in diesem Alter vermutlich eine ganz normale Reaktion, die dem Eigenschutz dient. So kommt es, dass ich das ganze überspiele und bei meinen Schulkameraden wie auch im übrigen Umfeld sogar ins lächerliche ziehe, indem ich Witze darüber mache wie z.B., dass ich jetzt endlich nicht mehr teilen oder streiten müsse.
Von nun an bin ich also ein Einzelkind. Dies werde ich in Zukunft noch vermehrt (teils berechtigt - teils nicht) zu hören bekommen.
Meine Angehörigen tun mir in diesem Zeitraum kaum einen Gefallen, indem sie mich vor allem Mitleid spüren lassen und das Gefühl, ich sei etwas Besonderes. Natürlich nehme ich das niemandem übel und weiß, dass solche Dynamiken immer unbewusst und ohne bösen Willen entstehen. Meine Eltern, die in mir jetzt das letzte Kind haben, klammern sich natürlich umso mehr an mich. Hinzu kommt, dass sie zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass auch ich vor ihnen sterbe und wohl kaum das Erwachsenenalter erreiche.
Zusammengefasst, es ist wahrscheinlich der reinste Horror für sie.
In den nächsten Jahren folgen weitere Todesfälle in der Verwandtschaft und ein schwerer Autounfall meiner Mutter. Es scheint fast, als wäre unsere Familie von dieser Thematik verfolgt.
Weitere Schicksalsschläge und Todesfälle in der Familie respektive Verwandtschaft folgen in den nächsten Jahren, so dass das „Elend“ kein Ende zu nehmen vermag.
Immerhin können es sich meine Eltern ein Jahr nach dem Tod meiner Schwester leisten, mit mir nach Gran Canaria in die Ferien und somit das erste Mal ans Meer zu fliegen. Endlich können wir alle einmal etwas abschalten und die schönen Seiten des Lebens genießen. Meine Eltern lassen es sich in der Folge nicht nehmen, fast jährlich wieder mit mir ans Meer zu fahren. Dabei stehen Destinationen wie Mallorca und Süditalien auf dem Programm.
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