Antje Ippensen
BitterSüß
www.Elysion-Books.com
Die Autorin:
Antje Ippensen ist eine Mannheimer Autorin. Sie publiziert seit 1989 und ihre Texte wurden bereits vielfach prämiert (u. a. beim Kurd-Laßwitz-Preis und beim FDA Preis für phantastische Kurzgeschichten).
Neben dem Schreiben von phantastischen oder S/M-erotischen Kurzgeschichten (die z. B. im Charon Verlag in den Magazinen »Böse Geschichten« und »Schlagzeilen« erschienen sind) verwirklicht sie mit einer Freundin verschiedene künstlerische Projekte.
Nach den erfolgreichen BDSM Thrillern »Fesselndes Geheimnis« und »NachSchlag« ist »BitterSüß« der dritte bei Elysion-Books erschienene Titel.
Eine Fortsetzung von »Fesselndes Geheimnis«, »Labyrinth der Lust«, ist in der Vorbereitung.
ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH
BAND 4050
Auflage: Januar 2013
VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE
ORIGINALAUSGABE
© 2012 BY ELYSION BOOKS GMBH, GELSENKIRCHEN
ALL RIGHTS RESERVED
UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de
FOTO: © Fotolia/ S.Kassal
LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig
www.imaginary-world.de
ISBN 9783942602297
www.Elysion-Books.com
BitterSüß
Prolog
Rückblick als Vorspann
Tiefe Nacht oder Vor Tagesanbruch
½ Perlfarbene Dämmerung – es wird langsam hell
Morgenröte auf meiner Haut
Danke, dass du immer für mich da warst, während »BitterSüß« entstand; danke für Deine Freundschaft, liebe Josiane.
»Schreiben ist wie Sex.«
(Isabel Allende)
Es war eine grenzenlos öde Miniparty. Jedenfalls für sie. Die anderen Vier schienen sich gut zu unterhalten; deren Geplauder, das dem von Papageien in einem sehr engen Käfig glich, ebbte kaum jemals ab, und beim Hinhören fühlte sie sich, mit einem permanent höflichen Dauerlächeln an ihrem pinkfarbenen Cocktail nippend, in einer Endlosschleife gefangen. Fehl am Platz und das fünfte Rad am Wagen – wie passend bei der Anzahl an Leuten! – das waren ihre Empfindungen. Als sei die berühmte kristallene Mauer zwischen ihr und den anderen jetzt aus Panzerglas.
Sie empfand dies so viel stärker, seitdem sie einen … Identitätsflash gehabt hatte. Und ihr brennendster Wunsch war es, ihre Empfindungen mit jemandem teilen zu können … vorzugsweise mit einer Frau, einem schwulen Mann oder meinetwegen auch mit einem toleranten Heteromann, aber … sie fürchtete sich auch davor. Wenn sie recht überlegte, so war sie hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch es geheimzuhalten und es ausgewählten Leuten zu offenbaren.
Himmel, war das hier zäh. Sie hatte nicht wirklich etwas gegen Smalltalk, doch das hier war schon smallest talk. Oder kam ihr das nur so vor? Weil sie sich gerade so fühlte, als hätte der Fluss ihres Lebens einen scharfen Knick gemacht?
Es war alles noch so frisch …
Sie schaute sich die vier anderen an, auch ihren Bekannten, der sie überredet und mitgeschleppt hatte, und fragte sich, was wohl in ihnen vorgehen mochte, ob nicht jeder einzelne bloß fassadenhaft dieses nichtige Geplapper von sich gab und die Papageienfedern eitel spreizte und IN WAHRHEIT … hm, ein ebenso unorigineller wie trotzdem stimmiger, tiefer Gedanke.
Sie merkte, wie ihr Lächeln verrutschte.
Aber anhaben konnten ihr die Papageienmenschen eigentlich nichts. Sie war geschützt.
Deine starken und warmen Hände. Dein offener, zielbewusster, unbeirrbarer Blick.
Wie immer spendeten ihr diese Bilder Kraft. Sie nahmen die Farben der Umgebung auf und intensivierten die inneren Filmsequenzen noch einmal, und der Außenwelt blieben nur fade und gedämpfte Töne. Sogar ihr Drink, der Limettensaft, weißen Rum, Ananassaft und etwas Grenadinesirup enthielt, sah auf einmal sandgrau aus, und sie schob ihn beiseite. Er schmeckte sowieso nicht, was nicht an der Mixtur selber lag, nein, das nicht … seit ihrem einschneidenden Erlebnis mied sie Alkohol; sie kannte jetzt etwas, das wahren Geschmack verhieß.
Gerade als sie sich – in eine Smallest-Talk-Pause hinein – vernehmlich räuspern wollte, sah sie zum Glück, wie ihr Bekannter verstohlen auf die Armbanduhr schaute und dann höflich den Gastgeber ansprach. Immerhin hatte er nicht vollends verdrängt, dass sie beide schließlich zu einem bestimmten Zweck hier waren, nicht bloß zum Plaudern.
»Ach ja richtig«, sagte der Hausherr. »Ihr wolltet euch die Bücher oben ansehen und mitnehmen, was ihr brauchen könnt. Ist ’ne große Hilfe, denn so ein Umzug ist einfach die Hölle.« Er verzog das Gesicht, kippte den Rest seines Bieres und brachte sie dann auf den staubigen und spärlich beleuchteten Dachboden.
Bald waren sie fleißig am Stöbern und Zusammenpacken; es gab so einiges an Schätzen in gedruckter Form. Ihr Bekannter durchforstete eine Ecke am anderen Ende des Speichers, als sie eine Truhe fand, auf der fingerdick der Staub lag.
Sie hob den Deckel und sah in blaues Leinen gebundene schmale Schriftstücke, die ihr direkt »Tagebuch« entgegenriefen. Ihre Neugier schoss augenblicklich hinauf in die Stratosphäre, sie setzte sich unter die herabbaumelnde Glühbirne in einen zerschlissenen geblümten Ohrensessel und steckte ihre Nase in diesen ungewöhnlichen Fund.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Vor zehn Jahren hatte eine ihr unbekannte Frau über ihr Leben geschrieben und ihr Werk dann auf dem Dachboden verschwinden lassen; weshalb wohl?
Das war unglaublich, phantastisch!
Wie ein Zeichen, ein Omen, denn kurz zuvor hatte sie sich doch gewünscht, Erfahrungsaustausch zu bekommen und mit jemandem über die außergewöhnliche Wendung in ihrem Leben reden zu können?
In gewisser Weise ging ihr Wunsch in Erfüllung.
Tantalusqualen. Ich nehme an, dass die noch immer einigermaßen bekannt sind – und jeder und jede sie schon einmal erfahren hat. In heftiger oder abgeschwächter Form. Tantalusqualen: Etwas unerreichbar scheinendes immerzu zum Greifen nahe und doch unberührbar vor sich zu sehen; es weicht jedoch bei jedem Versuch, es zu erlangen, scheu zurück.
Genau betrachtet, klingt das eigentlich nicht sooo schlimm. Nicht wie in der eigentlichen antiken Sage selbst, wo Tantalus, von den Göttern für einen Frevel bestraft, vor Hunger und Durst fast umkam und sowohl Speise als auch köstlich erquickendes Wasser dicht vor der Nase hatte, beides ihm jedoch jedesmal, wenn er danach haschte, gnadenlos entzogen wurde.
Und doch – damals fühlte ich mich ein wenig so, wie er sich gefühlt haben musste, dieser Tantalus.
Mein ganz spezielles Problem, das mir diese Qualen verursachte, bohrte sich von Tag zu Tag tiefer in mich hinein und beschäftigte mich immer umfassender.
Es hatte allerdings nichts mit der Nahrungsaufnahme und nichts mit Getränken zu tun. Allerdings ging es um etwas ähnlich Lebenswichtiges.
Es war manchmal wie ein Traum, der mir im Aufwachen entglitt. Wie etwas, das mir auf der Zunge lag, aber einfach nicht über die Lippen kommen wollte. Es war eine schattenhafte Gestalt, von der ich gerade noch einen Mantelzipfel wahrnahm, aus dem Augenwinkel … die vor mir flüchtete, die ich um die Ecke herum verfolgte und GLEICH eingeholt haben würde … bog ich aber um diese Ecke, war sie weg.
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