Es ist nicht mehr genau festzustellen, wann die erste Oper in einem Theater übertitelt wurde. Burton erwähnt eine Opernaufführung Anfang der 1980er in Hongkong, wobei die Titel jedoch chinesisch waren und daher seitlich neben der Bühne liefen, nicht über ihr (Burton 2009: 58). Im Verlauf der 1980er wurden Übertitel z. B. in Großbritannien zunehmend populär (Burton 2009: 59).
Die Frage, ob Opern überhaupt übertitelt werden sollen, spaltet das Publikum. Bei nicht allen Opern sind es die Texte, die Begeisterung auslösen. Oft versteht man die Texte auch in der Muttersprache in gesungener Form nicht (siehe die Wagner-Aufgabe zu Beginn). Viele Zuschauer mögen die Übertitelung daher nicht und empfinden sie als störend. Nach Burton wünschen sich Zuschauer die Übertitelung, während eher Regisseure und Kritiker dagegen seien (Burton 2009: 60). Vermutlich hat die Einstellung zu Untertiteln mit dem Alter und der Opernkenntnis der Zuschauer zu tun. Für viele Opernliebhaber gilt die Regel: „Prima la musica, poi le parole.“ (Die Musik kommt zuerst, dann erst die Worte.)
Das heißt nicht, dass Opernliebhaber sich nie mit den Texten beschäftigen. Viele lesen in Opernführern zumindest die Handlung nach, bevor sie ins Theater gehen, oder kaufen sich ein Programmheft. Burton weist darauf hin, dass es in früheren Zeiten üblich war, dass wohlhabende Theaterbesucher während der Vorstellung das LibrettoLibretto mitlasen (Burton 2009: 60). Das ist bei der heutigen Aufführungspraxis nur bei konzertanten Aufführungen möglich, sonst ist es zu dunkel. Außerdem findet zu geräuschvolles Blättern oft nicht den Beifall der Nachbarn.Klavierauszug2
16. Noch eine ganz andere Frage: Wie ist es denn mit Opernübertragungen im RadioRadio? Auch diese erfreuen sich bei Opernliebhabern großer Beliebtheit.
Für Opernuntertitelungen auf DVD gelten andere Richtlinien als für die Untertitelung von gesprochenem Dialog. So heißt es in den Richtlinien der Firma digim – Digital Images für OpernuntertitelungUntertitelungOpernuntertitelung (von 2010):
UT solange stehen lassen, bis der Satz gesungen wurde (kann auch 15-17 Sek. stehen gelassen werden, länger nur in Ausnahmefällen).
Ruhiger RhythmusRhythmus, reimende ZeilenReim können zusammenstehen.
Bei Wiederholungen von Strophen und Zeilen keinen neuen UT (es sei denn, das erste Auftreten der Strophe / Zeile liegt weit zurück).
Mal kurz nachdenken … Warum gelten diese Regeln nicht allgemein und werden immer wieder abgeändert?
Diese Regeln werden nicht von jedem Zuschauer als angenehm empfunden. So kann es passieren, dass man den Untertitel wieder und wieder liest, wenn er lange stehen bleibt, und sich nicht mehr auf die Musik konzentriert. OpernverfilmungenOpernverfilmung haben ebenso SchnitteSchnittBildschnitt wie andere Filme, und auch hier sollten Untertitel möglichst nicht über einen Schnitt stehen.
Auch die Abwesenheit von Untertiteln bei Wiederholungen kann für Verwirrung sorgen. Manche Zuschauer fürchten in diesem Fall, die Untertitel seien ausgefallen. Hier muss man für einen Kompromiss sorgen. Bei Opern bietet man normalerweise keine Überbrückungsuntertitel für Wiederholungen an, aber das wäre eine Möglichkeit. Außerdem kennen viele Musikliebhaber die in Noten üblichen Wiederholungszeichen |: zwischen denen zu wiederholende Phrasen stehen :| Virkkunen (2004) schildert unterschiedliche Möglichkeiten der Untertitelungspraxis abhängig davon, ob die Struktur des Ausgangstextes, die Inszenierung oder das ursprüngliche Libretto im Fokus stehen. Sie weist darauf hin, dass ein größerer Umfang an Untertiteln die Aufmerksamkeit des Zuschauers auch von dem künstlerischen Ereignis wegzieht, um das es eigentlich geht: die Opernaufführung (Virkkunen 2004: 93).
The use of repetition in surtitles clarifies the difference between symbolic modes: if the phrase ‚I love you‘ is repeated in written form five to six times, it loses its uniqueness; it is not supported and varied by the singer’s expression and the emotionality of the music since the title cannot be interpreted synchronously with the verbal-musical text. (Virkkunen 2004: 95)
Even if s/he wants to choose the seemingly easy ‚verbal-into-verbal‘ translation method and concentrate on the libretto, s/he has to alter the verbal text in the case of props, for example, if they have been changed or removed. And, most significantly, s/he has to time the surtitles according to the tempo and rhythm of the performance. This means reducing the number of words and rewriting the libretto … A surtitled opera performance cannot equal a karaoke tape, in which each sung word is written in the subtitles. (Virkkunen 2004: 95)
Es ist letztendlich also die Aufführung, die die Gestaltung der Übertitel im Theater bestimmt. In gewissem Umfang gilt das auch für die Untertitel auf DVDs.
2.6.2 Mehrstimmiger Gesang
Es sind meist Opern, in denen nicht nur mehrstimmigmehrstimmig gesungen wird, sondern in denen die einzelnen StimmenStimme unterschiedliche Texte haben, gern auch zeitlich gegeneinander versetzt. Das kann man als Zuhörer auf keinen Fall auseinanderhalten. Man versteht Textstellen höchstens dann, wenn einer der Sänger während des Stücks solistisch hervortritt. Untertitel sind nun aber dazu da, dass man den Text versteht.1
Bei DVD-Untertiteln bietet sich eine größere Variationsbreite an Lösungen an als bei Theater-Übertiteln. Probieren Sie aus, was Ihnen dazu einfällt, zum Beispiel an II. Akt, 1. Bild aus Peter Grimes von Benjamin Britten. Sie hören eine Solistin im Vordergrund und einen Kirchenchor im Hintergrund. Leider müssen Sie sich den Text selbst besorgen – die Abdruckrechte sind heikel, der Klavierauszug ist nicht billig22. Libretti haben den Klavierauszügen gegenüber den Vorteil, dass der Text übersichtlich in Zeilen angeordnet ist und einen besseren ersten Überblick ermöglicht (Desblache 2009: 75). Klavierauszüge haben den Vorteil, dass man sieht, welche Textstellen genau parallel zueinander laufen.
Zur folgenden Aufgabe stehen die Texte weiter unten; ein Klavierauszug Deutsch / Italienisch erleichtert aber die Arbeit. Nehmen Sie sich den II. Akt, 2. Szene, Nr. 15 (unten ein Ausschnitt) aus Mozarts Don Giovanni Don Giovanni vor, bei dem die drei Sänger parallel unterschiedliche Texte singen. Es handelt sich um das Terzett Don Giovanni, Leporello, Donna Elvira, wobei Leporello sich als Don Giovanni verkleidet hat und Donna Elvira irreführen soll. Hören Sie sich die Musik erst an, wenn Sie Entscheidungen über den Text getroffen haben. Passen die Entscheidungen auch zur Musik?
DONNA ELVIRA |
DON GIOVANNI |
LEPORELLO |
Dei, che cimento è questo |
Spero che cada presto |
Già quel mendace labbro |
Gott schenke jetzt mir Gnade |
Dank dir, o Serenade |
Sie glaubt der Maskerade |
Non so s’io vado, o resto; ah, proteggeto voi la mia credulità. |
Che bel colpetto è questo più fertile talento del mio, no, non si dà |
Torna sedur costei deh proteggete oh Dei la sua credulità. |
Er lenke meine Pfade; wie rührt mich, ach, sein Flehen; kaum kann ich widerstehn |
Hilf du nun, Maskerade dass ich es recht verstehe das muss ein jeder sehn |
Nun schenke Gott ihr Gnade schützt er sie nicht vor dem Unheil dann ist’s um sie geschehn |
Tabelle 4 :
Don Giovanni II.2, no. 15. Text nach Klavierauszug Edition Peters (o.J.)
II. Akt, 14. Szene. Das Problem hier ist etwas anders gelagert: Hier setzen die Stimmen gegeneinander versetzt ein und die Texte werden wiederholt.
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