Jetzt wurde ein ganzer Stab bekannter Feuilletonisten, politischer Redakteure, Kunst- und Theaterkritiker den bekannten großen Zeitungen durch schweres Geld gewaltsam entrissen und bei der Redaktion als neue Mitarbeiter angestellt.
Die älteren, achtbaren, ernsten Journalisten zuckten nicht mehr mit den Achseln, wenn man von der Vie Française sprach.
Der schnelle und durchgreifende Erfolg hatte die Missachtung erstickt, die ernste Schriftsteller anfangs gegen dieses Blatt gehegt hatten.
Die Hochzeit des Chefredakteurs war ein sogenanntes großes Pariser Ereignis. Georges Du Roy und Walter hatten seit einiger Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit und Neugier auf sich gelenkt. Alle Leute, deren Namen in den Zeitungen erwähnt werden, sollten zur Trauung erscheinen.
Dieses Ereignis fand an einem sonnigen Herbsttage statt. Um acht Uhr morgens beschäftigte sich das gesamte Kirchenpersonal damit, einen breiten roten Teppich über die Stufen der hohen Freitreppe auszubreiten, die von der Rue Royal zur Kirche hinaufführt. Die Passanten waren stehengeblieben, und das Volk von Paris wusste, dass eine sehr feierliche Zeremonie sich hier abspielen würde.
Die Beamten, die zu ihren Büros gingen, die kleinen Arbeiterinnen und Kommis gafften, bewunderten die Vorbereitungen und träumten unbestimmt von den reichen Leuten und von dem Reichtum, der dazu gehöre, umso viel Geld für eine Hochzeit ausgeben zu können.
Um 10 Uhr begannen die Neugierigen sich anzusammeln. Sie blieben dort einige Minuten stehen, in der Hoffnung, dass es vielleicht gleich anfangen würde und gingen dann, des Wartens müde, weiter. Um 11 Uhr kam ein Trupp Stadtpolizisten und forderten die Menge auf weiter zu gehen, denn es bildeten sich alle Augenblicke Aufläufe.
Die ersten Gäste erschienen bald, die die besten Plätze einnehmen wollten, von wo man alles übersehen konnte. Sie setzten sich am Rande neben dem großen Mittelschiff, allmählich kamen auch die anderen, Frauen mit rauschenden Seidenkleidern, strenge, ernste Männer, beinahe alle kahlköpfig, von weltmännischem, korrektem Auftreten, die sich hier an diesem Ort noch feierlicher und würdevoller als sonst benahmen.
Allmählich füllte sich die Kirche. Ein heller Sonnenstrahl drang durch das weitgeöffnete Kirchenportal und fiel auf die erste Reihe der eingeladenen Freunde. Am Chor sah es dunkel aus; der Altar, der mit brennenden Kerzen besteckt war, schien mit einem gelblichen Licht schwach beleuchtet, im Vergleich zu dem grellen Schein, der durch die Öffnung des großen Portals drang.
Man erkannte sich, man begrüßte sich durch Zeichen und man stand in Gruppen herum. Die Literaten, die weniger respektvoll als die vornehme Welt waren, plauderten halblaut. Man betrachtete die Damen. Norbert de Varenne schien einen Freund zu suchen und erblickte Jacques Rival, der in der Mitte der Stuhlreihen stand. Er trat auf ihn zu:
»Da sehen Sie, die Welt gehört den Gerissenen.«
Der andere, der gar nicht neidisch war, antwortete:
»Umso besser für ihn, er ist ein gemachter Mann.«
Dann sprachen sie über einzelne Bekannte, die ihnen dort auffielen,
Rival fragte:
»Wissen Sie eigentlich, was aus der Frau geworden ist?«
Der Dichter lächelte:
»Ja und nein. Sie lebt ganz zurückgezogen, so hat man mir erzählt, in dem Stadtviertel von Montmartre. Aber … es ist nämlich ein aber dabei … seit einiger Zeit lese ich in der ›Feder‹ die politischen Artikel, die denen von Forestier und Du Roy auffallend ähnlich sind. Sie stammen von einem gewissen Jean Le Dol; es ist ein junger Mann, ein hübscher Kerl, intelligent, von demselben Schlage wie unser Freund Georges; und er hat dessen frühere Frau kennengelernt. Daraus schließe ich, dass sie die Anfänger liebte und sie wahrscheinlich ewig lieben wird. Sie ist übrigens reich. Vaudrec und Laroche-Mathieu waren doch nicht umsonst ihre besten Freunde.«
Rival erklärte:
»Sie war nicht schlecht, die kleine Madeleine, sehr schlau und sehr klug. Ohne Hülle muss sie reizend sein. Aber sagen Sie doch, wie kommt denn das, dass Du Roy sich nach der Scheidung in der Kirche trauen lässt?«
Norbert de Varenne antwortete:
»Er lässt sich kirchlich trauen, weil er für die Kirche das erste Mal überhaupt nicht verheiratet war.«
»Wieso?«
»Unser Bel-Ami hatte, als er Madeleine Forestier heiratete, aus Gleichgültigkeit oder aus Sparsamkeit das Standesamt für ausreichend gehalten. Er hat sich den kirchlichen Segen erspart. Was unsere heilige Mutter Kirche als einfaches Konkubinat betrachtet. Folglich tritt er heute als Junggeselle vor sie und sie stellt ihm allen ihren Pomp zur Verfügung, der den Vater Walter ein schweres Geld kosten wird.«
Der Lärm der wachsenden Menge wurde immer lauter, man vernahm Stimmen, die ganz laut sprachen. Man zeigte auf die berühmten Persönlichkeiten, die vor dem Publikum posierten und zufrieden waren, begafft zu werden. Sie waren gewohnt, sich zur Schau zu stellen und hielten sich für unentbehrliche Dekorationen bei allen öffentlichen Feierlichkeiten.
Rival fuhr fort:
»Sagen Sie doch, mein Lieber, Sie gehen doch öfters zum Chef; ist es wahr, dass Frau Walter und Du Roy nie ein Wort mehr miteinander sprechen?«
»Niemals. Sie wollte ihm die Kleine nicht geben. Aber er hatte den Vater scheinbar in der Hand; er drohte mit Enthüllungen über die Leichen, die in Marokko begraben sind. Es war eine furchtbare Drohung. Walter hat an das Beispiel von Laroche-Mathieu gedacht und hat sofort nachgegeben. Doch die Mutter, hartnäckig und eigensinnig wie alle Frauen, hat geschworen, nie ein Wort mit ihrem Schwiegersohn zu reden. Es ist sehr komisch, zu sehen, wenn sie einander gegenüber stehen. Sie sieht wie eine Bildsäule, wie eine Statue der Rache aus, und er ist offenbar verlegen, trotzdem er äußerlich seine Haltung nicht verliert; der Junge versteht sich schon zu beherrschen.«
Die Kollegen kamen heran und drückten ihnen die Hände; man hörte abgerissene Sätze aus politischen Gesprächen. Und formlos wie das entfernte Rauschen des Meeres drang mit dem Sonnenlicht das Wogen der Volksmassen, die sich vor der Kirche angesammelt hatten, durch das offene Portal und erfüllte die Wölbungen und übertönte das leise Murmeln des auserwählten Publikums, das auf den Gottesdienst wartete.
Plötzlich klopfte der Schweizer mit der hölzernen Spitze der Hellebarde dreimal auf die steinernen Fliesen. Die ganze Versammlung wandte sich nun mit lautem Kleiderrauschen und Rücken der Stühle dem Eingange zu. Die junge Frau erschien am Arm ihres Vaters in dem hellen Licht am Portal.
Читать дальше