Ich zähle es zu den größten Segnungen meines Lebens, dass ich die ignatianische Spiritualität kennenlernen durfte. Die Jesuiten, vor allem jene aus Irland und England, die mich in meinen Exerzitien angeleitet haben, und die Literatur, die mit Ignatius von Loyolas eigenen Schriften beginnt und sich durch die Jahrhunderte fortsetzt, hat mich tief geprägt – sowohl persönlich als auch in meiner Art und Weise, zu denken und zu arbeiten. Aber ich habe deshalb keinen Moment lang daraus geschlussfolgert, dass ich zur katholischen Kirche konvertieren müsste.
Ich respektiere jeden, der dies tut, aber meiner Meinung nach ist eine Konversion keine Lösung, weder für mich persönlich noch für die gespaltene Kirche. Manchmal wird die Frage aber doch gestellt. Dann gestaltet sich das Gespräch ungefähr so:
»Nein, ich möchte nicht konvertieren, wegen der Heiligen.«
»Dann glaubst du nicht an die Heiligen?«
»Doch, das tue ich. Sie lehren mich, dass man seine Kirche nicht im Stich lässt, wenn sie in der tiefsten Krise steckt.«
Ich bin unendlich dankbar für meine katholischen Brüder und Schwestern, aber ich glaube aufrichtig, dass ich ihnen und der ganzen Kirche am besten diene, wenn ich dortbleibe, wo ich bin, und dort grabe, wo ich stehe. Der Glaube der Heiligen ist wie Grundwasser, das unter all unseren Grenzmarkierungen verläuft. Nicht zuletzt für Führungspersonen ist das, was ich in diesem Buch schreibe, überlebenswichtig: Wir müssen unser Wurzelsystem in der ganzen christlichen Kirche gründen und erweitern.
Zum Schluss ein ganz besonderer Dank an meine geliebte Lisa, mit der ich nun 44 Jahre verheiratet bin. All die Krisen und Freuden, die wir durchgemacht haben – wo wäre ich ohne dich? Danke, dass du es in all diesen Jahren mit mir ausgehalten hast, mir so unendlich viel beigebracht hast und meine ständige Gesprächspartnerin in allem warst, worüber ich schreibe. Durch deine Arbeit als Psychotherapeutin sind sogar unsere Berufsleben mehr und mehr zusammengewachsen, nicht zuletzt in unserem Einsatz für junge christliche Leiter. It’s such a privilege, wie man in dem Land sagt, in dem wir uns verlobt haben.
Magnus Malm
Asklanda, Schweden – an einem Frühsommerabend 2018,
während die Mönchsgrasmücke vor meinem Fenster singt
Gebet eines Jüngers
Herr Jesus Christus
Du bist die Ausstrahlung der Herrlichkeit des Vaters. Lass
Dein Angesicht leuchten über mir
Dein Wort mich tragen
Deinen Namen mich schützen
Deinen Körper mich sättigen
Dein Blut mich reinigen
Deinen Geist mich leiten
Dein Wesen sich spiegeln in allem, was ich bin und tue.
1 FÜHRUNG ÜBERNEHMEN - Warum es bei der inneren Freiheit beginnen muss
[ Zum Inhaltsverzeichnis ] Inhalt Über den Autor [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Geleitwort von Thomas Härry [ Zum Inhaltsverzeichnis ] Vorwort [ Zum Inhaltsverzeichnis ] 1. Führung übernehmen – Warum es bei der inneren Freiheit beginnen muss 1 FÜHRUNG ÜBERNEHMEN - Warum es bei der inneren Freiheit beginnen muss 2. Was uns wirklich antreibt – Zwischen Begabung, Berufung und dem Drang nach Anerkennung 2 WAS UNS WIRKLICH ANTREIBT - Zwischen Begabung, Berufung und dem Drang nach Anerkennung 3. Frei, arm und dienstbereit – Das Wie geistlicher Führung 3 FREI, ARM UND DIENSTBEREIT - Das Wie geistlicher Führung 4. Das Problem mit dem blinden Augenarzt – Über geistliches Urteilsvermögen 5. Zwischen Engeln und Dämonen – Die eigene Position finden 6. Hier geht’s lang – Die Frage von Macht und Autorität 7. Klare Worte finden – Die Predigt als deutliche Form von christlicher Führung 8. Die Kirche – Mutter, Leib oder Projekt? 9. Was eine Führungsperson formt – Zwischen dem Ich, Gott und der geistlichen Ausbildung 10. Nicht zum Erfolg berufen, sondern um Früchte zu tragen – Orientierung zwischen Burn-out und Vision Zum Abschluss Im Schnittpunkt leben Anmerkungen
»Was eine christliche Gemeinschaft am dringendsten braucht, sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott geliebt sind.«
Dieser Satz ist die zusammenfassende Erkenntnis aus acht Jahren Kommunenleben zu Beginn unserer Ehe. Es waren fantastische, aufwühlende, lustige, anstrengende und lehrreiche Jahre. Mit einer wechselnden Schar aus Singles und verheirateten Paaren wohnten Lisa und ich mit unseren beiden ältesten Kindern in einem großen dreistöckigen Haus in Mölndal. »Das Haus«, wie wir es originellerweise nannten, war Dreh- und Angelpunkt einer christlichen Gemeinschaft, die sich in der ganzen Gegend ausgebreitet hatte. Außerdem befand sich dort auch die Redaktion der Zeitschrift »Nytt Liv« (Neues Leben), für die ich arbeitete und deren monatliche Ausgaben das intensive Hausleben noch etwas spannender machten.
Ich könnte tausend Geschichten davon erzählen, was wir im »Haus« gelernt haben. Natürlich hat diese Zeit uns für unser gesamtes Leben geprägt und uns einen Schatz an gemeinsamen Erfahrungen geschenkt, für die wir sehr dankbar sind. Sie hat tiefe Spuren in unserer Sicht auf Gott und die christliche Gemeinde hinterlassen. Und sie hat uns ganz praktisch gezeigt, was es bedeutet, Jesus in alle Bereiche des Alltagslebens hineinzulassen. Wie oft mussten wir unser eigenes Selbstbild revidieren! Wenn man so nah beieinanderlebt, lösen sich nach und nach bestimmte Vorstellungen in Luft auf; all diese Bilder, die wir so selbstverständlich von uns und anderen haben – bis eben jemand dagegenstößt und sie zerplatzen.
»Was eine christliche Gemeinschaft am dringendsten braucht, sind Menschen, die wissen, dass sie von Gott geliebt sind.« Irgendwo in diesem Zusammenhang nahm der Satz Gestalt an. Über andere bilden wir uns immer schneller eine Meinung als über uns selbst. Das war auch bei uns »Haus«-Bewohnern so. Es waren natürlich die Defizite anderer, die die Probleme in der Gemeinschaft verursachten. Dass ich selbst ähnliche Defizite haben könnte, erkannte ich erst viel später. Nämlich dann, als Gott sich auch in mir eine Werkstatt einrichtete und mich durch Ehekrisen, Seelsorge und stille Rückzugszeiten formte.
Während der Jahre in der Lebensgemeinschaft habe ich beobachtet, wie Menschen, die nicht die Erfahrung gemacht haben, von Gott geliebt zu sein, dazu neigen, sich auf unterschiedlichste Weise an ihrer Umwelt zu reiben: mal beanspruchen sie zu viel Platz, mal zu wenig. Sie verlangen ständig nach Aufmerksamkeit. Sie verstummen immer in gewissen Situationen. Sie lassen sich von jeder Form von Autorität provozieren. Sie suchen unterwürfig die Nähe von Autoritäten. Solchen völlig gegensätzlichen Verhaltensweisen kann oft das gleiche Grundproblem zugrunde liegen. Und sie zeigen sich nicht selten in ein und derselben Person.
Im Gegensatz dazu sind Menschen, die sich sicher sind, geliebt zu sein, immer ein Glück für ihre Umgebung. Nicht unbedingt durch das, was sie tun, sondern vor allem durch ihre bloße Anwesenheit. Wo sie sind, können andere zur Ruhe kommen und sie selbst sein. Wo sie sind, können Masken fallen und tiefste Wahrheiten ausgesprochen werden. Gedanken können formuliert und Entscheidungen getroffen werden, ohne dass sich diese in Prestige, Projekten oder Protesten niederschlagen müssen.
Je mehr Führungsverantwortung ein Mensch hat, desto deutlicher wird dieses Prinzip. Nicht etwa deshalb, weil Führungskräfte größere Defizite in ihrem Selbstwertgefühl hätten oder weniger Erfahrungen mit der bedingungslosen Liebe Gottes. Sondern deshalb, weil die Defizite eines Leiters größere Auswirkungen auf andere haben. Ein verblüffender, aber nicht unterzukriegender Mythos in der Leiterausbildung lautet, dass wir ein schwaches Selbstwertgefühl durch die Ausbildung von Kompetenzen ausgleichen und dadurch stabile Führungskräfte hervorbringen könnten. Haben wir Erfahrungswerte, die das bestätigen?
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