Alfred ist von der Echtheit des Weihnachtsmannes, der vor ihm steht, unzweifelhaft überzeugt und mit dem Vorschlag einverstanden. Er bittet ihn für sein dummes Verhalten um Entschuldigung und führt ihn zur Toilette.
Dort trifft er auch Georg wieder.
„Georg, das ist der echte, der einzig echte, der wahrhaftige, der ich weiß nicht was alles noch Weihnachtsmann. Was ich eben erlebt habe, das glaubst du nicht.“
Tja, wie soll Georg das auch glauben können. Er saß ja die ganze Zeit auf dem Klo. Und dort kann er der Sternenhimmel und auch nicht das merkwürdige Weihnachtsschauspiel mit dem Stern von Bethlehem sehen. Schade aber auch!
Der Weihnachtsmann besteigt nach seinem Toilettengang wieder sein Gefährt und bringt am Sternenhimmel alles wieder mit zwei Handbewegungen in Ordnung.
Nachdem er sich von Alfred und Georg verabschiedet hat blickt er kurz zu seinem Himmels-Navigator auf, hört lächelnd in sein Herz hinein, um die Kinder und Erwachsenen zu erspüren, die immer lieb und artig gewesen sind und die er deswegen gleich besuchen und beschenken will.
Dann feuert er sein Rentier Rudolph mit einem kräftigen „Hohoho“ an. Er hofft, nicht nochmals in eine Geschwindigkeitskontrolle zu kommen. Denn um die Zeit, die er mit den beiden Polizisten zugebracht hat, wieder aufzuholen, muss er jetzt bestimmt viel zu schnell unterwegs sein. Aber um Alfred und Georg macht er einen weiten Bogen.
Charlie Hagist ist seit 47 Jahren verheiratet und hat ein 17-jähriges Enkelkind, für das er seit seiner Pensionierung gerne Geschichten schreibt. In seinen kleinen Geschichten versucht er immer ein Thema, wie z. B. Angst, Übermut, Hilfe, Geheimnis, Freundschaft usw. kindgerecht zu verpacken, sodass die Eltern oder Großeltern einen Gesprächs-Anknüpfungspunkt mit ihren Kindern oder Enkelkindern haben.
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„Das darf doch nicht wahr sein! Wer war das?“ Großmutter Susanna war sich ganz sicher gewesen, ein gutes Versteck für ihre Weihnachtsplätzchen ausgewählt zu haben. Der große Wohnzimmerschrank war doch wirklich ein Ort, wo man Plätzchen verstecken konnte, ohne dass sie gefunden wurden. Außerdem hatte die Großmutter, nachdem sie tagelang Butterplätzchen und Spritzgebackenes hergestellt hatte, genau darauf geachtet, dass niemand, wirklich niemand, Zeuge des diesjährigen Plätzchenverstecks werden konnte.
Jedes Jahr musste sie sich neu überlegen, wo sie die Leckereien verstecken konnte, damit sie nicht schon vor dem Fest aufgefuttert wurden. In einem Jahr hatte sie ein paar Plätzchendosen so gut versteckt, dass sie erst zufällig nach Ostern gefunden wurden.
Es war immer wieder das gleiche Ritual. In dem großen Haushalt mit Gastwirtschaft und Metzgerei hatte die Großmutter die Aufgabe übernommen, für Opa, sich und die beiden Familien ihrer Kinder die Weihnachtsvorbereitungen zu treffen. Außerdem konnte sie die besten Plätzchen der Welt backen! Aber leider gab es auch viele Naschkatzen in der großen Familie, die sich immer wieder auf die Suche nach dem Versteck machten.
Opa gehörte auch dazu.
Nun war der 24. Dezember gekommen und Oma Susanna wollte noch schnell vor der Bescherung die Weihnachtsteller für die drei Enkelkinder herrichten. Leider gab es nicht mehr allzu viel auf den Tellern zu dekorieren, denn irgendjemand aus der Familie hatte das Versteck ausfindig gemacht und die Hälfte des Spritzgebäcks aufgefuttert.
Der Schrank mit den doppelten Türen und den Schubladen darüber war Oma als sicheres Versteck erschienen, zumal sie den Schlüssel immer bei sich in der Schürzentasche aufbewahrt hatte. Die beiden Schubladen über den Schranktüren wurden auch nur von Oma selbst benutzt, denn hier hatte sie ihre über alles geliebte Bitterschokolade deponiert und die Lakritzstangen, die sowieso alle scheußlich fanden. Es gab also wirklich keinen Grund anzunehmen, dass jemand zufällig auf das Versteck gestoßen wäre ...
Zu den Enkelkindern gehörte auch die zehnjährige Christine. Das Kind war eine große Naschkatze und hatte es bei den Plätzchen immer besonders auf Omas Spritzgebäck abgesehen. Es war ihr aufgefallen, dass der Schlüssel zu dem Schrank fehlte. Das war für sie wie ein Halali, der Aufbruch zur Jagd.
Wenn Omas Schrank verschlossen und der Schlüssel zudem auch noch abgezogen worden war, konnte das nur eines bedeuten: Hier war das Plätzchenversteck!
Die beiden Schranktüren ließen sich ohne einen Schlüssel nicht öffnen, denn die eine Seite war von innen verriegelt worden. Christine zog eine der oberen Schubladen heraus und stellte dabei fest, dass sie sich ganz leicht komplett herausnehmen ließ. Nachdem sie die Schublade herausgezogen hatte, erhaschte sie einen Blick ins Innere des Schranks – auf die große Blechdose!
„Wenn ich nur wüsste, wie ich da dran komme“, murmelte sie vor sich hin und tastete durch den Schlitz in das Innere des Schranks. Plötzlich hatte sie den Riegel in der Hand und drückte ihn nach unten. Die Tür öffnete sich sofort einen kleinen Spalt breit wie von Geisterhand.
Jetzt galt es, schnell zu handeln. Christine öffnete die Schranktüren und dann blitzschnell die große Plätzchendose und stopfte sich ihre Taschen mit der Beute voll. Noch schnell zwei Plätzchen in den Mund und dann die Dose zumachen!
Danach gelang es ihr tatsächlich, die Schranktür zu schließen und erneut von innen zu verriegeln. Als sie die Schublade wieder ordnungsgemäß eingesetzt hatte, konnte sie sich ein triumphierendes Lächeln nicht verkneifen. Omas Gebäck schmeckte wieder traumhaft …
Leider blieb es nicht bei dem einmaligen Mundraub, denn Christine war geradezu süchtig nach Oma Susannas Plätzchen – und die schmeckten ja bekanntlich in der Adventszeit viel besser als an Weihnachten! Alle Familienmitglieder wurden schließlich von der ahnungslosen Großmutter verdächtigt, die Plätzchen gestohlen zu haben ... aber den wahren Täter kannte nur Christine.
Christine Leitl wurde 1948 in der Barbarossastadt Gelnhausen in Hessen geboren. Sie ist gelernte Handelsfachwirtin und absolvierte später ein Fernstudium zur Tourismusreferentin. Heute lebt sie in Mittelfranken, hat zwei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder. Neben dem Schreiben gehören Tennis spielen, Rad fahren, Wandern und Reisen zu ihren Hobbys. Früher hatte sie zwei Pferde und ist als selbständige Reiseveranstalterin mit Gruppen durch Europa gereist. In Erinnerung an sorglose Ferien auf einem Pferdehof schrieb sie das Buch Turbulente Ferien, das in Papierfresserchens MTM-Verlag erschienen ist. Sie ist Mitglied im Roßtaler Schreibkreis, der im Herzsprung-Verlag die Anthologie Literarische Päckchen herausgegeben hat.
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Chantal war ein kleines Mädchen, das von seinen Eltern immer bekam, was es sich wünschte. Ganz egal, ob es eine Puppe war oder ein Smartphone, vielleicht auch eine Digitalkamera. Sie bekam immer alles. Trotzdem war sie sehr unzufrieden, sie hatte einen Wunsch, den ihr auch ihre Eltern nicht erfüllen konnten. Sie wollte, dass der Mann im Mond sie besuchte. Jeden Tag sagte sie ihrer Mutter und ihrem Vater diesen Wunsch. Chantal verstand nicht, warum ihre Eltern ihr alle Wünsche erfüllten, diesen einen aber nicht. Ihre Eltern erzählten ihr immer, dass es den Mann im Mond gar nicht gäbe und er deshalb sie nicht besuchen könnte.
Chantal hielt das für eine Ausrede. Sie sah den Mann im Mond jede Nacht, wenn der Mond schien und sie durch ihr Dachfenster blickte. Manches Mal zwinkerte er ihr sogar zu. Da war sie sich sicher.
So ging das einige Jahre. Auch als Chantal bereits zehn Jahre alt war, hatte sie den Wunsch nicht aufgegeben. Mittlerweile hatte sie so viele Spielsachen und andere Dinge, dass sie außer dem Besuch vom Mann im Mond keinen anderen Wunsch mehr hatte. Mittlerweile war sie auf ihre Eltern nicht mehr gut zu sprechen, sie wurde jeden Tag wütender. Was fiel ihren Eltern ein? Jahrelang hatten sie ihr jeden Wunsch erfüllt, und jetzt sollte sie nicht einmal Besuch von Mann im Mond bekommen?
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