An die Wissenschaft O Wissenschaft! Du Tochter alter Zeit! Du, deren Auge ändert alle Dinge: Ein Geier, der das Herz benagt und weit Ausbreitet des Realen träge Schwinge! Wie sollte dich der Dichter lieben? Wie Dich weise nennen, die du so voll Tücke Den kühnen Himmelsflug ihm hemmst und nie Den Sternenpfad ihm gönnst zu seinem Glücke? Triebst du Diana nicht von ihrem Wagen Und die Dryade aus dem Walde fort Zu glücklichem! Gestirn, geschützterm Ort? Und hast die Nymphe aus der Flut getragen Und nahmst dem Elfenvolk und mir den Traum Im Sommergras beim Tamarindenbaum?
An den Fluß Du schöner Fluß mit deiner Flut, Die niemals stille hält. Du bist ein Bild von Jugendmut, Von einem Herzen unverstellt. Doch wenn in dein kristallnes Blau, Das trübe Augen scheuen, Die Liebste blickt, gleichst du genau Mir selbst, ihrem Getreuen. Denn dies Herz birgt wie du so rein Ihr Bild und strahlt bewegt, Wenn es den teuren Widerschein In seinen Tiefen hegt.
An – Die Kelche, oft im Traum erschaut, Wo Singvögel sich wiegen, Sind deine Lippen – und der Laut Melodisch draus entstiegen – Dein Augenstrahl, mir sanft erglüht, Fällt mitten in dem Dunkel Auf mein undüstertes Gemüt Wie eines Sterns Gefunkel. Dein Herz – dein Herz, seufz' ich gepreßt Und träume bis zum Tage Vom Glück, das sich nicht greifen läßt. Doch will, daß man es wage.
Romanze Romanze, die liebt zu nicken und singen Mit schläfrigem Kopf und gefalteten Schwingen Aus grünenden, schattenden, schaukelnden Zweigen, Die tief über heimlichen See sich neigen, Sie war mir ein bunter Papagei – Vertrauter Vogel – und lehrte mich sagen Mein Alphabet, und ich lernte dabei, Mein allererstes Wort zu wagen, Während ich – Kind noch – im waldigen Hag Mit höchst verständigem Auge lag. Nun aber donnern Jahre her Mit Kondorschwingen, alle Höhn Des Himmels füllend mit Gestöhn, Und nichtiges Tun ist mir nicht mehr Als Atemhauch im wilden Föhn. Und wenn eine Stunde sanfter beschwingt Mit zartem Flaum meinen Geist umschlingt, Sie darf mich nimmermehr bestechen, Daß meine Leier tändelnd singt – Mein Herz empfänd es als Verbrechen, Wenn es nicht mit den Saiten schwingt.
Märchenland
An –
Allein
An Helene
Lenore
Das Tal der Unrast
Die Stadt im Meer
Die Schlafende
Israfel
Das Kolosseum
An Eine im Paradies
Gebet
An F–
An Frances S. Osgood
An Zante
Braut-Ballade
Das Geisterschloß
Schweigen
Eroberer Wurm
Traumland
Der Rabe
Eulalie
An M. L. S
Ulalume
An Marie Louise Shew
An Helene
Die Glocken
Annabel Lee
An meine Mutter
Für Annie
El Dorado
Die Philosophie dichterischen Schaffens
Tröstlicher Sang für Mußestunden –
Das, Vater, ist mein Thema nicht.
Ich weiß, ich werde nie entbunden
Von mehr als irdischen Hochmuts Sünde
Durch Erdenmacht – für Sehnsucht finde
Ich nicht die Zeit, für Träumen nicht.
Man nennt sie Hoffen – jene Glut!
Nichts ist sie als Begehrens Wut!
Könnte ich hoffen – Gott! ja, dann
Hieß ich nicht Narr dich, alter Mann.
Begreifst du eines Geistes Scham,
Der tief gebeugt nach höchstem Flug?
O schmachtend Herz! von dir bekam
Dein Welken ich mit all dem Trug
Von Ruhmbegier, den heißen Glanz,
Um meinen Thron den Strahlenkranz,
Der Hölle Heiligenschein! und Not,
Die in der Höll nicht heißer loht.
O drängend Herz, das nach der Wonne
Verlorner Blumen, nach der Sonne
Der alten Sommerstunden schreit –
Die ewige Glocke jener Zeit,
Die starb, sie singt nun ohne Enden
Eintönig, wie von Zauberhänden
Geläutet, deiner Nichtigkeit
Ein unsterbliches Grabgeläut.
Ich war nicht immer so wie jetzt:
Dies Diadem, das fiebrig hetzt,
Krönt eines Usurpators Gier.
Gab gleiche feurige Erbschaft nicht
Dem Cäsar Rom – wie dieses mir?
Das Erbe königlicher Kraft
Und stolzer Mut und Zuversicht,
Die alles Menschliche errafft!
Auf Bergeserde ward ich Leben.
Nachtnebel gossen ihren Tau
Aufs Haupt mir aus dem dunklen Grau;
Ich glaube, daß der Lüfte Weben,
Zu ungestümem Sturm erregt,
Durch dies mein eignes Haar gefegt.
So spät vom Himmel – Tau – er fiel
(In Träumen unheiliger Nacht)
Auf mich herab wie Höllenspiel;
Und Flammen, glühendrot entfacht
Aus Wolken, die gleich Bannern hingen,
Erschienen halbgeschloßnem Blick
Als Prunk von Herrschermacht und Glück;
Und des Trompetendonners Klingen
Umbrauste mich wie Wirbelwind
Und sprach von Menschenschlacht, darinnen
Die eigene Stimme – dummes Kind! –
(Was würde ich vor Lust beginnen
Bei solchem Schrei – erlebt ich dies!)
Schlachtruf des Sieges schallen ließ.
Der Regen kam herab auf mein
Schutzloses Haupt, und schwerer Wind
Machte mich toll und taub und blind:
Es mochten wohl nur Menschen sein,
Die Lorbeer auf mich niederwarfen,
So dachte ich; der Sturm der scharfen
Eisigen Luft hat in mein Ohr
Hineingegurgelt das Zertrümmern
Von Kaiserreichen – mit dem Wimmern
Gefangner Feinde – Stimmenchor
Des Trosses und den Schmeichelton
Ringsher um eines Herrschers Thron.
Meine Gier, seit jenen Unglücksstunden,
Ward Tyrannei, die ich erstrebte;
Man hielt sie, seit ich Macht gefunden,
Für meines Innern Grundgebot.
Nun sei's! Doch, Vater, eine lebte,
Die damals – da ich jung, und sie
In stärkerm Feuer noch geloht
(Denn Leidenschaften sterben früh) –,
Die damals selbst gewußt, daß, ach,
Dies eisern Herz in Liebe schwach.
Mir fehlen Worte, ach, zu sagen,
Wie gutes Lieben Freude flicht!
Noch würde ich zu zeichnen wagen
Ein mehr als schönes Angesicht,
Des Züge meinem Geiste sind –
Schatten im unbeständigen Wind:
Gleich wie mein Aug, mein zögernd mattes,
Die Lettern irgendeines Blattes
Und alle Wissenschaft darin
Zu Phantasien ohne Sinn
Oft schmelzen sah – zu Nichts dahin.
Oh, sie war all der Liebe wert!
Und so der Kindheit Liebe war,
Daß Engel neidvoll sie begehrt;
Ihr junges Herz war der Altar,
Auf dem als Weihrauch lag mein Hoffen
Und Denken – damals gute Gaben,
Denn kindlich waren sie und offen;
Ihr Beispiel strahlte rein dem Knaben.
Oh, warum mußte ich's verlassen,
Um im Vertrauen auf das Feuer,
Das innen brannte ungeheuer,
Verwegen nach dem Licht zu fassen?
Wir wuchsen liebend auf – zusammen –
Durch Wildnis streifend wie das Wild;
In Frostzeit meine Brust ihr Schild,
Ihr Schild im frohen Sommerflammen.
Sie sah wohl lächelnd himmelwärts,
Mein Himmel war ihr Aug allein.
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