Therese Wundrak hakte sich mit der Linken bei Ferdinand ein und funkelte ihn an. »Nun, mein Lieber, was sagen Sie zu unserem Schiff?«
Die unmittelbare körperliche Nähe der groß gewachsenen Frau war ihm unangenehm, doch er wagte nicht, sich von ihr zu lösen. »Frau Wundrak, ich stimme Ihnen zu. Das Schiff sieht großartig aus.«
Mit der Rechten hakte sich Therese bei Hermine ein und zog sie an sich. »Liebe Freundin, ich bitte dich inständig, ein Wort an deinen Göttergatten zu richten. Ich habe ihm schon dreimal streng aufgetragen, mich bei meinem Kosenamen zu nennen. Nein, er weigert sich beständig, mir diese Intimität zu gewähren.«
Hermine schaute mit strengem Blick zu Ferdinand. »Ferdi, jetzt tu doch, wie die Resi sagt.«
»Also gut«, sagte Ferdinand seufzend. »Liebe Resi, ich stimme dir zu. Die Thalia ist ein Prachtstück.«
Therese lachte lebhaft. »Sieh an, es geht ja! Was bin ich hocherfreut. Und stellt euch nur vor. Morgen schon stechen wir in See. Das Leben ist erquicklich und schön, nicht wahr?«
Ferdinand löste sich von Therese. »Da kommt der Dienstmann mit unserem Gepäck. Ich kümmere mich darum, dass es an Bord gebracht wird.«
Am Molo San Carlo herrschte wie zu jeder Zeit Hochbetrieb. Eben legte ein Dampfer der dalmatinischen Eillinie ab. Der Zug aus Wien hatte weitere Fahrgäste gebracht, die nun vor der Gangway der Thalia standen. Es wurde lebhaft.
*
Das erste Licht des anhebenden Frühlingstages näherte sich der oberen Adria, begleitet von einem milden Südwind. Friedrich regte sich, brummte und schlummerte weiter. Carolina hingegen erwachte. Welch ein Wunder! Friedrich schlief neben ihr. Es war kein Traum, der nun verschwand. Nein, der Traum begann erst, als sie verstand, dass sie nicht alleine war. Ein Mirakel fürwahr, und doch die Wirklichkeit. Was für eine Nacht! Wohlige Schauer durchliefen sie. Sie schmiegte sich an Friedrich, fühlte seine nackte Haut, seinen schlanken Körper und seine Nähe.
Die wahre Liebe! Hier und jetzt!
Beim gestrigen Abendessen war es zu einer unschönen Szene gekommen. Ihr Vater hatte von ihr wissen wollen, was sie nun nach einem Tag Bedenkzeit von der geplanten Vermählung hielt. Carolina war erst vorsichtig gewesen und hatte um weitere Bedenkzeit gebeten. Ihr Vater hatte nicht lockerlassen wollen und auf eine Stellungnahme insistiert, also hatte sie ihre Ablehnung vom Vortag bekräftigt. Daraufhin hatten Vater und Tochter das Abendessen in gedämpfter Stimmung und ohne weitere Worte hinter sich gebracht. Carolina war auf ihr Zimmer gegangen. Dort hatte sie ihr Vater aufgesucht und zur Rede gestellt. Ein Wort hatte das andere ergeben, beide waren laut geworden, ihr Vater hatte mit einem Abbruch der Reise gedroht und weitere Strafmaßnahmen angekündigt, falls sie es weiterhin an Folgsamkeit derart mangeln ließ. Im äußersten Falle würde er, so hatte er ihr gedroht, sie bis zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag in ein Kloster stecken. Damit hatte er ihr Zimmer verlassen und sich in den Rauchsalon des Hotels begeben. Carolina hatte eine Stunde in ihrem Zimmer gewartet, und als sie gehört hatte, dass ihr Vater sich für die Nachtruhe zurückgezogen hatte, war sie losgelaufen, um sich mit Friedrich zu treffen.
In Tränen aufgelöst hatte sie ihm vom Streit mit ihrem Vater berichtet. Hatte ihm von der Aussicht erzählt, für mehrere Monate in ein Kloster gesperrt zu werden. Stundenlang waren sie durch die Straßen der Stadt gelaufen, irgendwann waren sie zu Friedrichs Herberge gelangt, hatten sich geküsst, immer und immer wieder, und ohne das Küssen zu unterbrechen, hatten sie auf einmal nackt in seinem Bett gelegen.
Er war es. Er war der Richtige und Einzige, Friedrich war ihre ganze Liebe. Und sie die seine. Das war nun und auf ewig verbrieft und besiegelt. Es war das gemeinsame Bad in einem Ozean des Glückes.
Sie strich mit ihrer Hand über seinen Rücken und küsste seine Schulter. Friedrich schlug die Augen auf, er brummte wohlig und regte sich.
»Der Himmel hat mir einen wunderschönen Traum geschickt.«
Carolina kicherte. »Du träumst nicht.«
»Bist du wirklich hier?«
»Ja.«
Er umschlang ihre Hüften und zog sie näher. »Dann ist das Leben schöner als jeder Traum.«
»Viel schöner.«
Ein Kuss, der scheinbar ewig währte, ein Kuss, der Schicksale aneinanderschmiedete, ein Kuss endloser Liebe.
Draußen am Hafen reckte eine Möwe ihren Hals, breitete die Flügel aus, fing eine Bö und ließ sich vom Wind mit wenigen Flügelschlägen in luftige Höhe hieven. Eine weitere Möwe folgte. Und mit ihr viele weitere. Die Rufe der Vögel hallten über das Hafenbecken. Die Morgensonne warf ihr erstes Licht in den Golf von Triest. Ein neuer Tag zog ins Land am Meer.
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