1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 SLK bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Fremdsprachen zu lernen. Dies impliziert, den eigenen Fremdsprachenlernprozess (selbst) steuern und kontrollieren zu können. SLK umfasst neben der Entfaltung entsprechender (Lern-)Strategien Einsichten in attitudinale sowie motivationale Faktoren. SLK ist entscheidend nicht nur für die Ausbildung der individuellen Mehrsprachigkeit, sondern auch des lebenslangen Lernens und der Pflege von Fremdsprachenkenntnissen.
In diesem Kapitel wurde die sog. individuelle Mehrsprachigkeit als Grundlage der mehrsprachigen Kompetenz herausgestellt, deren Ausbildung bereits mit dem Erwerb der Mutter- bzw. Erstsprache beginnt3. Mit Blick auf die Lerngruppe lässt sich festhalten, dass die SchülerInnen über ein mehrsprachiges, individuell unterschiedlich ausgeprägtes Repertoire verfügen (vgl. Kap. 4.1).4 Insofern ist der Frage nachzugehen ob es den SchülerInnen gelingt, aus ihrer individuellen Mehrsprachigkeit eine Kompetenz zu machen, um z.B. bisher unbekannte Sprachen zu erschließen (vgl. Forschungsfrage 1). Darüber hinaus wurde dargelegt, dass mehrsprachige Kompetenz auch die Fähigkeit der Lernenden umfasst, diese eigenständig zu erweitern. Diese Kompetenz zur Mobilisierung entsprechender Ressourcen steht in enger Verbindung zu SLK, sodass sich die Frage ergibt, inwieweit es den SchülerInnen gelingt, eine reflexive Haltung zu ihrem Sprachlernprozess einzunehmen und wie dies im Rahmen der Unterrichtsreihe systematisch gefördert werden kann (vgl. Forschungsfrage 2).
3. Untersuchungskontext und Gütekriterien
3.1 Lerngruppe und Forschungsfragen
Beim Forschungskontext handelte es sich um den Französischunterricht der E-Phase (Einführungsphase der dreijährigen Oberstufe), in dem die Unterrichtsreihe durchgeführt wurde. Die qualitative Studie fokussiert einen Teilbereich, nämlich die Förderung von individueller Mehrsprachigkeit und SLK. Sie zielt daher nicht auf verallgemeinerbare Ergebnisse ab. Vielmehr soll durch eine mehrmethodische Herangehensweise (siehe Abbildung 1) ein vertiefter Einblick in die mehrsprachige Kompetenz der SchülerInnen ermöglicht und ermittelt werden, inwieweit diese eine reflexive Haltung zu ihrem Sprachlernprozess einnehmen (können). Für den umrissenen Teilbereich werfen die Ergebnisse Fragen für die Weiterarbeit und pädagogische Praxis auf (vgl. Kap. 5).
Als Gütekriterien qualitativer Forschung kommen in dieser Studie insbesondere empirische Verankerung (z.B. durch den Rückgriff auf Daten wie SchülerInnenprodukte oder Lernprotokolle) sowie reflektierte Subjektivität zum Tragen (vgl. Steinke, 2000, S.319f.). Die sog. reflektierte Subjektivität impliziert einen selbstreflexiven Umgang bei der Durchführung und Dokumentation der Unterrichtsreihe. Selbstreflexion verstehe ich als innere Haltung, die ich als wesentlich sowohl für den Forschungsprozess als auch meine unterrichtliche Tätigkeit auffasse. Selbstreflexion ist ebenfalls eines der wesentlichen Grundsätze von Aktionsforschung, die nach Altrichter & Posch (2018, S.13–18) folgende Merkmale umfasst:
1 Forschung der Betroffenen
2 Fragestellung aus der Praxis
3 In-Beziehung-Setzung von Aktion und Reflexion
4 Längerfristige Forschung und Entwicklungszyklen
5 Konfrontation unterschiedlicher Perspektiven
6 Einbettung der individuellen Forschung in eine professionelle Gemeinschaft
7 Vereinbarung ethischer Regeln für die Zusammenarbeit
8 Veröffentlichung von Praktikerwissen
9 Wertaspekte pädagogischer Tätigkeit
10 Erkenntnis (als Ergebnis von Reflexion) und Entwicklung (als Ergebnis von Aktion) als Ziele von Aktionsforschung
Die mehrmethodische Vorgehensweise eröffnet die Möglichkeit zur Triangulation. Es werden verschiedene Arten von Triangulation unterschieden wie Daten-, Investigator-, Theorien- und Methoden-Triangulation (Denzin, 1989, S.237f.; vgl. auch Aguado & Riemer, 2001, S.247). Sie dient v. a. der Erkenntniserweiterung, indem versucht wird, durch Kombination verschiedener Datensätze und Methoden die Grenzen einzelner Erhebungsverfahren auszugleichen, um so zu einem umfassenden Verständnis des Untersuchungsgegenstandes zu gelangen. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass es bei qualitativer Forschung nicht darum geht, eine objektive Wahrheit anzustreben. In der vorliegenden Untersuchung wurde eine Datentriangulation angewandt (vgl. Flick, 2000, S.310f.). Hierbei werden Daten aus mehreren Quellen, deren Erhebung zu verschiedenen Zeitpunkten bzw. bei verschiedenen Personen erfolgte, aufeinander bezogen. So wird der Gegenstandsbereich möglichst facettenreich erfasst, um die forschungsleitenden Fragen (vgl. Kap. 1) beantworten zu können. Das folgende Kapitel gibt einen Einblick in die unterschiedlichen Erhebungsverfahren.
3.2 Datenerhebung: Instrumente und Auswertungsmethode
Es liegen insgesamt vier Datensätze vor. Der Fragebogen zur Selbsteinschätzung (Datensatz I) wurde zu Beginn der Unterrichtsreihe erhoben, während die Lernprotokolle von den SchülerInnen lernprozessbegleitend ausgefüllt wurden (Datensatz II). Der Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung wurde nach Durchführung der Unterrichtsreihe eingesetzt (Datensatz III). Darüber hinaus liegen SchülerInnenprodukte vor, die während der Unterrichtsreihe entstanden sind (Datensatz IV).
Die Datensätze weisen eine unterschiedliche Wertigkeit auf, die sich u.a. daraus ergibt, dass nur der Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung anonym erhoben wurde. Den SchülerInnen war bekannt, dass der Fragebogen zur Selbsteinschätzung sowie die Lernprotokolle von mir gelesen würden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass Antworten gemäß der ‚sozialen Erwünschtheit‘ gegeben wurden. Durch die Tatsache, dass die Datensätze teilweise nicht-anonymisiert erhoben wurden, können jedoch zusätzliche SchülerInnenprodukte herangezogen werden, um so die Datentriangulation zu erweitern. Die Auswertung der Fragebögen zur Selbsteinschätzung und zur Unterrichtswahrnehmung erfolgte zahlenmäßig. Bei den Lernprotokollen hingegen erschien es wichtig, die Fallebene, also den Lernenden zu fokussieren, um begründete Rückschlüsse auf die Forschungsfragen zu erzielen. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die verschiedenen Datenerhebungsinstrumente sowie den Erhebungszeitpunkt:
|
Datenerhebungsinstrument |
Anzahl |
Erhebungszeitpunkt |
Datensatz I |
Fragebogen zur Selbsteinschätzung |
16 SchülerInnen |
vor Beginn der Unterrichtsreihe |
Datensatz II |
Lernprotokolle |
64 (4 x 16 SchülerInnen) |
während der Unterrichtsreihe |
Datensatz III |
Fragebogen zur Unterrichtswahrnehmung |
16 SchülerInnen |
nach Beendigung der Unterrichtsreihe |
Datensatz IV |
SchülerInnenprodukte |
16 SchülerInnen |
während der Unterrichtsreihe |
Abbildung 1: Übersicht über die Datensätze
3.2.1 Fragebogen zur Selbsteinschätzung – Lernen vorbereiten und anbahnen
Der Selbsteinschätzungsbogen (vgl. Anhang) erfüllte mehrere Funktionen: Zum einen diente er im Rahmen der Unterrichtsreihe als Diagnose- und Förderinstrument (vgl. Kraus, 2009, S.14), indem er schülerseitige Haltungen und Einstellungen zu Mehrsprachigkeit ermittelte (Fragen 5-9). Zum anderen wurde schülerseits eine Selbsteinschätzung in Bezug auf SLK vorgenommen ( can do -Beschreibungen 1-4). Bei der Konzeption des Fragebogens orientierte ich mich an Tassinari (2008), die einen Selbsteinschätzungsbogen zu autonomem Lernen vorgelegt hat. Die Bereiche 1-3 sind diesem Fragebogen entnommen. Diese Fragen sind innerhalb der Bereiche savoir , savoir-faire und savoir-être verortbar, aus denen sich SLK zusammensetzt (vgl. Kap. 2.2). Zudem erschien es wichtig, auch Kompetenzbereiche zu Mehrsprachigkeit zu integrieren. Hierbei orientierte ich mich am Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (Candelier et al., 2012), der Deskriptoren zum Aufbau mehrsprachiger Kompetenz beinhaltet (vgl. Kap. 2.1). Die Auswertung des Fragebogens findet sich in der Lerngruppenanalyse wieder (vgl. Kap. 4.1).
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