»Falsch. Zu aggressiv. Dieses Mittel enthält Chlorbleichlauge. Wenn du ein Spray benutzt, dann darfst du es nicht direkt auf die Armatur sprühen.«
»Warum nicht? Wie soll ich es denn sonst machen?«
»Du sprühst es auf den Lappen, den du benutzt, ganz einfach. Der Grund dafür ist, dass der feine Sprühnebel in die Ritzen und Öffnungen der Armatur gelangen und dort großen Schaden anrichten könnte.«
Darauf wäre ich nun wirklich in tausend kalten Wintern nicht gekommen. Meine Billig-Armatur zu Hause schien da nicht so empfindlich zu sein: Ich benutzte so ein Sprühzeugs, das ich gerne stundenlang einwirken ließ – beziehungsweise nach dem Aufsprühen vergaß und mich dann später wunderte, was zum Henker da an meinem Wasserhahn klebte.
Sie reichte mir eine Flasche, auf deren Etikett was von ›Power‹ und von ›multi-aktiv‹ stand. »Das Allerbeste ist sowieso, die Armaturen nach jedem Benutzen kurz mit einem weichen Lappen zu trocknen, dann können die Wassertropfen erst gar keine Kalkablagerungen bilden.«
»Man kann auch übertreiben«, murmelte ich und sprühte ein wenig von dem antiseptisch riechenden Zeug auf meinen Lappen. »Ich sehe hier keine Ablagerungen, aber das nur nebenbei.«
Doris grinste. »Natürlich nicht. Ich mache das schließlich regelmäßig. Und bei Herrn Dengelmann wird es ähnlich sein, wenn seine Frau jahrelang dafür gesorgt hat. Aber es geht auch nicht darum, dass du schmutztechnisch herausgefordert sein wirst. Du sollst ja nicht ein Haus wieder bewohnbar machen, in dem jahrelang Messies gehaust haben und in dem überall zentimeterdicker Siff klebt. Du willst den hohen Standard in einer gepflegten Wohnung erhalten, Loretta. Und zwar unter den Augen eines überaus kritischen Auftraggebers, aber das dürfte locker zu schaffen sein. Und jetzt ab an die Armaturen, Frollein.«
Tatsächlich erledigte ich die Aufgabe zu ihrer vollsten Zufriedenheit, und ich freute mich wie eine Grundschülerin, die zum allerersten Mal ein fehlerfreies Diktat geschrieben hatte.
Weiter ging es von Raum zu Raum, und ich erhielt von ihr fabulöse Tipps zur fachgerechten Pflege und Reinigung von Fußböden, Lichtschaltern und empfindlichen Oberflächen aus Holz.
Den Außenbereich schenkten wir uns, denn ich ging nicht davon aus, dass ich bis zur Eröffnung der nächsten Balkonsaison im Frühjahr bei Dengelmann beschäftigt sein würde. Aber ich war sicher, dass ich von Doris auch alles über die Reinigung von Verandamöbeln und Steinfliesen sowie darüber erfahren könnte, wie man lästige Moosbildung verhinderte.
Nun, beim nächsten Mal vielleicht.
»Mir schwirrt der Kopf«, sagte ich schließlich, »da passt nix mehr rein.«
Mütterlich tätschelte sie mir den Arm. »Ich mach uns jetzt erst mal ein Käffchen und ein lecker Bütterken. Und danach schreiben wir dir alles auf.«
»Hier, Jungs: Das ist das Ergebnis der heutigen Unterrichtseinheit bei Doris«, sagte ich und knallte meine persönliche Putzbibel auf den Tisch im Detektivbüro.
Dennis schnappte sich das Schulheft und blätterte es sichtlich beeindruckt durch. »Nicht schlecht. Und damit willst du Gerhard Dengelmann aus den Klotschen hauen, nehme ich mal an.«
Ich holte mir ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank und ließ mich in einen Sessel fallen. »Mir reicht schon, wenn er mich nicht gleich wieder entlässt, weil ich für seinen ollen Kacheltisch in seinem blöden Wohnzimmer das falsche Mittel benutzt und das potthässliche Ding ruiniert habe.«
»Schönen Gruß von Frau Berger«, sagte Erwin und setzte sich zu mir. »Sie ist begeistert, dass es mit dem Job bei Dengelmann geklappt hat. Sie hat dich gestern gesehen, als du den Termin mit ihm hattest.«
Natürlich hatte sie das – schließlich hatte ich ihren neugierigen Blick durch den Türspion beinahe körperlich gespürt. Sollte sie, mich störte es nicht weiter.
»Hatte sie noch irgendwelche Informationen zu bieten, die für mich relevant sein könnten?«, fragte ich.
Erwin schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist noch immer felsenfest davon überzeugt, dass ihre Freundin Jutta nicht freiwillig verschwunden ist.«
»Und wenn sie eine total verrückte Spinnerin ist, die sich einfach dadurch ein wenig Würze in ihr ödes Leben holt, dass sie ihren Nachbarn durch uns ausspionieren lässt?« Ich zuckte mit den Achseln. »Könnte doch sein, oder?«
»Alles Mögliche könnte sein«, erwiderte Erwin. »Das wissen wir doch.«
Wie recht er hatte. Vor allem könnte es sein, dass ich morgen bei meiner ersten Putzschicht nichts mehr von dem wusste, was Doris mir erzählt hatte. Also war es Zeit, nach Hause zu gehen und den Unterrichtsinhalt noch einmal sorgfältig durchzugehen. Das Gehörte nur aufzuschreiben und dann nicht mehr ins Heft zu gucken, brachte nichts, das wusste ich schließlich noch aus der Schule.
Weil ich noch ein so großes Lernpensum vor mir hatte, belohnte ich mich schon im Voraus mit einem Döner, was Baghira in einen wahren Freudentaumel versetzte. Tatsächlich schaffte er es sogar, mich beim Fressen seines Abendhappis nicht aus den Augen zu lassen: Er saß dabei neben seinem Schüsselchen, fixierte mich am Esstisch und angelte, ohne hinzusehen, mit der Kralle einzelne Stückchen aus seinem Fressen, die er sich dann geziert mit den Zähnen von der Pfote pickte. Doch, wirklich, das tat er – ich konnte es selbst kaum glauben.
Aus purer Gemeinheit ließ ich ihn noch ein wenig zappeln und gab vor, seine aufgeregte Ungeduld zu meinen Füßen nicht zu bemerken. Erst als er sich hochkant stellte, seine Vorderkrallen in meinen Oberschenkel grub und mich laut anschrie, knüllte ich die Alufolie, in die der Döner eingewickelt gewesen war, zu einem festen Ball zusammen und warf ihn durch die Küchentür hinaus in den Wohnungsflur. Blitzartig verwandelte sich mein sonst überaus träger Kater in ein pfeilschnelles Wesen, das plötzlich sechzehn Beine zu haben schien und den Ball mit der Virtuosität eines Fußballweltmeisters durch die Wohnung dribbelte.
Ich lauschte dem sich entfernenden Getöse einige Minuten lang, dann schlug ich mit einem Seufzen das Heft auf. Ich hatte mit mir selbst abgemacht, die honigtriefenden Baklava-Teilchen erst anzurühren, wenn ich mein Pensum mindestens einmal durchgearbeitet und einen kleinen Test geschrieben hatte.
Loretta weiß zu überzeugen, ohne ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen zu müssen – jedenfalls noch nicht …
Als ich am nächsten Morgen bei Dengelmann klingelte, war ich um ein Vielfaches aufgeregter als bei unserer ersten Begegnung. Immerhin war das jetzt der Auftritt vor dem denkbar strengsten Prüfer.
Tatsächlich hatte ich mir am gestrigen Abend noch Aufgaben wie Was darf man auf keinen Fall mit Armaturen machen? (kratzige Schwämme benutzen) oder Wie wird ein Parkettboden gereinigt? (nur leicht feucht, sonst quillt das Holz auf) gestellt und diese schriftlich beantwortet. Ja, ich hatte mich sogar noch im Internet informiert, wie man kleine Schäden und Kratzer am Holz selbst ausbessern kann. Überhaupt hatte ich mir eine Menge zusätzliches Wissen über echte Parkettböden draufgeschafft, mit dem ich Gerhard Dengelmann zu beeindrucken gedachte.
Der Türsummer ertönte, und ich trat ein.
Wie zufällig lungerte Frau Berger an ihrem Briefkasten herum. Ehrlich gesagt überraschte es mich nicht sonderlich, sie im Hausflur anzutreffen. Sie gab vor, nach ihrer Post zu sehen.
Na klar – um acht Uhr morgens.
»Guten Morgen«, sagte ich unverbindlich freundlich und strebte eilig an ihr vorbei.
»Guten Morgen«, erwiderte sie, dann hörte ich hinter mir, wie sich ihre Wohnungstür schloss.
Dengelmann stand diesmal bereits im Türrahmen und bat mich herein.
Nach einer knappen Begrüßung sagte er: »War das da unten die Berger? Hat die Frau Sie angesprochen?«
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