»Ein Platz auf der Couch für meinen lieben Gast«, teilte mir Dasda mit. Ich verstand kein Wort, sagte ihm aber freundlich: »Schön, dich zu sehen!«
»Wie laut dein Krächzen hier drinnen klingt!« teilte er mit und ich erkannte an den schwammigen Geräuschen, die aus seinem Maul drangen, dass er diese Botschaft mit Geräuschen ausdrücken wollte. Nur gut, dass es ihm besser von Kopf zu Kopf gelang, denn seine Maullaute waren wohl nicht dazu geeignet, sich mitzuteilen, so wie wir das können. Und was meinte er mit ›krächzen?‹. Vielleicht nannte er meine Sangesstimme so. Das Wort gefiel mir aber nicht und, abgesehen von meinem Dasda, gefiel mir kaum etwas von diesen Wesen, außer ihr Proviant natürlich.
»Nun kennst du also mein Zuhause«, vernahm ich von ihm.
»Ja, du armes Wesen du«, antwortete ich mitleidig.
»Dein Himmel ist ja winzig klein. Du bist eingesperrt da drinnen«, fügte ich hinzu.
»Ich fühle mich aber geschützt und geborgen hier. Für mich ist es hier schön« antwortete er feierlich. War ja klar. Sein Verstand begnügte sich mit dieser Enge.
»Wo ist dein Weibchen?« fragte ich.
»Ich habe keine Partnerin« antwortete er überrascht.
»Ach ja, die will ja nicht in deine Höhle kriechen. Vielleicht ist sie wie wir; unabhängig und wohnt unter freiem Himmel«, versuchte ich mehr über dieses Anliegen zu erfahren, denn ich spürte, dass es ihn beschäftigte. Mehr sogar als dieser Gott, den er zu kennen glaubte. »Ja, sie ist frei und ich bin es nicht. Es ist wie es ist. Ich sollte darüber nicht mehr nachdenken«, antwortete er etwas kurz angebunden.
»Außerdem bist du zu mir gekommen. Das ist so etwas Besonderes! Ich will mich darüber freuen!«
»Dann mach einfach. Freu dich und wenn du dabei an dein Weibchen denkst, wird die Freude deswegen nicht weniger. Ich freue mich ja auch über dich, obwohl es unschicklich ist, einen von euch zu mögen,« antwortete ich.
Er setzte sich zu mir auf das Schattending, das er Couch genannt hatte, ließ das Weiche seiner Krallen sanft über meinen Kopf gleiten und neigte dann ganz nah seinen Kopf zu mir. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich annehmen müssen, dass er mich nun frisst. Doch ich erwartete voll wohligem Schaudern sein Maul, das mich leicht berührte.
»Ich liebe dich!« dachte ich, wollte es ihm aber nicht mitteilen, er würde es ja doch nicht verstehen.
»Ich liebe dich auch«, vernahm ich aber als Antwort. Dann schauten wir einander an, innig und tief. Plötzlich blickte er zu seiner Pranke, an die etwas gebunden war. Er teilte etwas mit, das wie ›Zeit‹ klang und nicht mehr so liebevoll wirkte, wie das schöne ›Ich liebe dich auch‹. Schließlich setzte er mich an sein Fenster und ich erhob mich glücklich der Sonne entgegen.
»Ich liebe! Ich liebe! Ich liebe!«, jauchzte ich jubelnd und vollführte wahre Kunststücke hoch oben bei den Wolken, denn meine Freude verlangte nach Ausdruck. Demütig erkannte ich den Sinn der Aufregung bei meinen Verwandten, wenn es um die Liebe ging. So also fühlte es sich an. Es macht jubeln und wirbeln, es macht bescheiden und still, um jeden kleinen Hinweis in sich zu spüren, der von dem Lieben erzählt. Wie hatte Dasda diesen inneren Erzähler, diesen schweigend und jauchzend Machenden genannt? Gott? Schade, dass diese Wesen so überfüllt sind mit Begriffen für all das Schöne, das ja schon seinen Namen ruft durch das bloße Sein. Warum neue Wörter erfinden, neue Ordnungen für diese Wörter, neue Regeln, um sie sich zu merken? Armer Dasda! Viel schöner wäre es doch, alle Wörter und deren Regeln zu vergessen und hier oben mit mir den Freudentanz zu tanzen.
»Wie lustvoll du jubelst! Hast du einen Herrn für dich gefunden oder freust du dich einfach über die Sonne und den Wind?«, rief mir eine Kollegin von weiter unten zu. Ich ließ mich zu ihr und ihren Begleiterinnen hinab gleiten und sang weiter.
»Ja, es ist einfach alles schön, darum singe ich«, rief ich zurück. Das ist so unsere Art. Von meinem Dasda erzählte ich niemandem. Es war ein Geheimnis, wie wir es oft haben. Meist handelt es sich dabei um versteckte Leckerbissen oder um gute Happen, die leicht zu nehmen, aber schwer zu teilen sind. Warum sollte nicht auch mein lieber Dasda so ein Geheimnis sein?
Seit ich wusste, wie ich zu seiner Höhle kam, begegneten wir einander noch öfter. Ab und zu aber saß ein anderes Wesen bei ihm auf der Couch. In solch einem Fall klopfte ich nicht an sein Fenster. Er bemerkte mich aber manchmal trotzdem, verzog das Maul hinaufzu und deutete mit der Pranke auf mich, woraufhin das andere Wesen interessiert, aber meist ohne erkennbare Einsicht zu mir hinblickte. Ich konnte nicht unterscheiden, welche der Wesen Weibchen und welche Herren waren. Mir war nur klar, dass Dasda ein Herr war. Leider kein Herr meiner Art. Mit ihm hätte es mir Freude bereitet, mich für Nestbau und Brut stark zu machen. So aber hatte ich wenigstens beides: Unabhängigkeit und Liebe.
Als ich wieder einmal vom Fenster aus Dasda mit einem anderen Wesen auf der Couch beobachtete, erkannte ich, dass es sich hier um sein Weibchen handelte. Dasda blickte auf alle Wesen freundlich und bejahend. Nur bei mir blickte er freundlich, bejahend und erfreut. Bei diesem Wesen aber war seine Freude überdeutlich. Nicht äußerlich, sondern vom Rufen aus seinem Innern her. Sein Gott rief aus seinem Körper heraus ein lautes Klingen, so wie die Klanghöhle der Versammlungen dieser Wesen. Dieses Rufen war nicht hörbar, aber so deutlich spürbar, dass es mich zittern machte auch jenseits dieser lästigen Steinluft an Dasdas Fenster. Ich zitterte, weil ich mit betroffen war von diesem Rufen. Gott sagte so etwas wie: Liebe ist da und sie strömt und tut gut. Ich antwortete freudig:
»Ja, mein Freund, meine Liebe strömt auch und tut gut!«
Da blickte das Weibchen zu mir und es blickte gleich wie Dasda, erkennend. Es blickte lange und erfreut, machte aber keine Geräusche dazu. Dasda hatte nicht einmal bemerkt, dass ich da war und dass sein Weibchen mich erkannt hatte. Zu sehr war er auf diese Liebe konzentriert.
»Wunderbar ihr zwei! Seid Gefährten! Gott ruft es ja ohnehin!« verkündete ich, fügte aber noch hinzu:
»Vergesst dabei aber meine Gunst nicht. Ich bin in eurem Bunde die würdige Dritte. Obwohl ich natürlich die Erste bin, aber eben von euch aus betrachtet bin ich die Dritte.« Mit diesem freundlichen Gruß und in der Gewissheit, dass Dasda seinem Weibchen später bestimmt das Maul aufs Gesicht drücken und es mit seinen Pranken umfangen würde, flog ich zufrieden zu meinem Schwarm in bester Stimmung für den feierlichen Abendgesang.
Bei unserer nächsten Begegnung gratulierte ich Dasda zu seinem vortrefflichen Weibchen. Doch anstatt sich für meine Anteilnahme zu bedanken tat er überrascht.
»Es gibt kein Weibchen für mich, ich berate viele verschiedene Menschen. Das hast du gesehen, nichts weiter«, betonte er gereizt. Ich wollte mich schon über seine Falschheit ärgern, da merkte ich, dass er selbst nicht wusste, wie sehr er und jenes Weibchen liebend verbunden waren. Gott rief es zwar aus ihm heraus, er selbst hörte es aber nicht. Wie gesagt, die Hellsten sind diese Wesen nicht gerade.
»Wie viele Götter habt ihr denn? Gibt es außer dem Lebenssaftgott auch einen Luftgott und einen Lichtgott und einen Finstergott?«, fragte ich, um zu begreifen, wie er seine innere Gottstimme der Liebe überhören konnte. Er sah mich aber so verständnislos an, dass ich es nicht der Mühe wert fand, ihm weitere Fragen zu stellen. Man sollte so schlichte Wesen nicht überfordern, sondern sich einfach an dem erfreuen, was da ist.
Abfliegen wollte ich nun aber auch nicht, darum setzte ich mich wieder mal auf seine Schulter und ließ mich von ihm herumtragen. Er genoss spürbar meine Nähe und wanderte mit mir herum an Baumgruppen vorbei, an anderen Wesen vorbei, die ihm erfreut zunickten, als sie entdeckten, welch edle Begleitung er hatte, und an vielen Höhlen vorbei, die da nebeneinander gebaut waren. Neben uns rollten die Stinkdinge mit viel Lärm.
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