Tab. II.2.1: Charakterisierung Bettsensorik, eigene Darstellung
HilfsmittelkategorieBettsensorik zur Unterstützung des Mobilitätsmanagements
Die Bettsensorik Mobility Monitor ist ein Hilfsmittel, welches die Bewegungen von Patientinnen und Patienten im Bett aufzeichnet und auf einen Monitor überträgt (
Abb. II.2.1).
Abb. II.2.1: Mobility Monitor: Sensormatte und Bedienteil (links) und Überwachungsmonitor im Pflegestützpunkt. Quelle: compliant concept AG
Das System liefert Informationen zur Häufigkeit der Bewegungen, differenziert in Mikrobewegungen und druckentlastende Bewegungen, sowie optional eine 360°-Bettausstiegsinformation. Es besteht aus einer 730 x 20 x 160 mm großen Sensormatte, die unter der Matratze im Bett positioniert wird, einem Bedienteil am Bett und einer Software, mit deren Hilfe die Messdaten auf einem Monitor angezeigt werden können. Eine Ampelfunktion auf dem Bediengerät am Bett sowie dem Monitor zeigt an, wenn ein definiertes Zeitlimit 10 ohne druckentlastende Bewegung erreicht wird. Die Pflegenden können erkennen, in welcher Häufigkeit die Patientin oder der Patient eigene Bewegungen durchführt und ob diese Bewegungen druckentlastend wirken. Ziel ist es, Pflegende in der zeitgerechten druckentlastenden Positionierung von Patientinnen und Patienten zu unterstützen und damit Über- und Unterversorgung zu vermeiden (vgl. Wendland 2016). Der Einsatz des Mobility Monitors wurde im Rahmen erster Untersuchungen in Pflegeheimen und bei normalstationären Patientinnen und Patienten in der Inneren Medizin und Chirurgie erfolgreich getestet (Gattinger et al. 2017; Heilbronner 2014).
Im PPZ-Freiburg wurde der Mobility Monitor zunächst für zwei Monate im Rahmen einer Pilotierung auf je einer neurologischen und einer neurochirurgischen Normalstation erprobt. Dabei wurde das System zunächst für vier Wochen verblindet eingesetzt, das heißt, dass der Mobility Monitor in den Patientenbetten eingesetzt wurde, die Pflegenden allerdings keinen Zugriff auf die Messdaten hatten und auch die Ampelfunktion am Bedienteil deaktiviert war. Im Anschluss wurde das System für weitere vier Wochen offen eingesetzt, das heißt, die Bewegungsdaten und das Ampelsystem waren für die Pflegenden sicht- und nutzbar. Insgesamt wurde der Mobility Monitor bei 108 Patientinnen und Patienten eingesetzt. Belastbare Zahlen zum Outcome konnten in diesem kurzen Zeitraum und der geringen Anzahl von Patientinnen und Patienten nicht generiert werden. Zumindest kann aber festgehalten werden, dass im Zeitraum des offenen Einsatzes des Systems keine Stürze (Blindphase n = 3) und keine Patientinnen und Patienten mit in der Klinik erworbenen Dekubitus (Blindphase n = 1) dokumentiert wurden. Viel bedeutender sind jedoch die Rückmeldungen der Pflegenden (n = 12), die sich an einer Online-Befragung beteiligt haben. Zum überwiegenden Teil (83,3 %) haben sie sich für eine Anschaffung des Mobility Monitors für die Regelversorgung ausgesprochen. Ebenfalls 83,3 % der Pflegenden waren der Ansicht, dass das System insgesamt einen positiven bzw. sehr positiven Einfluss auf den Pflegeprozess/die Pflegeplanung/die Pflege im Bereich der Dekubitus- und Sturzprophylaxe hatte. In Freitextantworten wurde beispielsweise festgehalten, dass der Mobility Monitor dazu beitragen kann,
• die Arbeit zur Sturz- und Dekubitusprophylaxe effektiver und zielgerichteter zu gestalten,
• die Sicherheit für Patientinnen und Patienten wie auch für Pflegende zu erhöhen,
• kritische Situationen, wie etwa (schmerzbedingte) Unruhezustände, schneller zu erkennen oder
• längere unterbrechungsfreie Schlafphasen für Patientinnen und Patienten zu ermöglichen.
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde der Mobility Monitor im Rahmen eines größer angelegten Evaluationsprojekts bei Patientinnen und Patienten auf einer neurochirurgischen und einer neurologischen Intensivstation am Universitätsklinikum Freiburg eingesetzt. Diese Bereiche wurden deshalb ausgewählt, weil Patientinnen und Patienten dort aufgrund der neurochirurgischen und neurologischen Krankheitsbilder und aufgrund der Therapien (z. B. Sedierung, Beatmung, etc.) potenziell stark in ihrer Mobilität eingeschränkt sowie dekubitusgefährdet sind.
Ziel des Projekts war zu eruieren, inwiefern durch den Einsatz des Mobility Monitors der inaktive Anteil an der Gesamtliegezeit (d. h. Überschreitung von zwei Stunden ohne druckentlastende Umpositionierung) gesenkt werden kann (primärer Endpunkt). Daneben (sekundäre Endpunkte) wurde erfasst, inwiefern durch den Einsatz des Mobility Monitors die Dekubitusinzidenz gesenkt und der druckentlastende Anteil der durch das pflegerische, ärztliche und weitere therapeutische Personal vorgenommenen Umpositionierungen erhöht werden kann. Die Erforschung der Perspektive der Mitarbeitenden erfolgte im Rahmen einer begleitenden formativen Evaluation (Hempler et al. 2019). Das Projekt wurde im »Stepped Wedge Design« (vgl. z. B. Köberlein-Neu & Hoffmann 2017) mit zwei Schritten und zwei Clustern durchgeführt (
Abb. II.2.2). Dabei stellte eine Station jeweils ein Cluster dar. Im sechsmonatigen Erhebungszeitraum von November 2018 bis Mai 2019 waren sämtliche 33 Betten der beiden Intensivstationen mit einem Mobility Monitor ausgestattet. Nicht ausgestattet wurden Betten, die den Einsatz des Systems nicht zulassen (z. B. Betten mit fest verbauten (Luft-)Matratzen). Konkret bedeutet das, dass beide Stationen mit einer verblindeten Phase starteten – das heißt, der Mobility Monitor zeichnete die Bewegungsdaten der Patientinnen und Patienten auf, die Pflegenden hatten allerdings keinen Zugriff auf die Daten. Nach zwei Monaten ging eine Intensivstation randomisiert in die offene Phase über (d. h. die Pflegenden konnten die Bewegungsdaten der Patientinnen und Patienten einsehen). Nach weiteren zwei Monaten ging auch die zweite Intensivstation in die offene Phase über (Schepputat et al. 2019).
Abb. II.2.2: Stepped Wedge Design im Projekt Mobility Monitor, eigene Darstellung
Insgesamt konnten so über 800 Patientinnen und Patienten in das Projekt eingeschlossen werden, wobei die Anzahl in der Blind- und Interventionsphase nahezu identisch war. Die Auswertung der Daten ist noch nicht abgeschlossen. Erste Analysen zeigen eine, aufgrund nicht gegebener statistischer Signifikanz sehr vorsichtig zu interpretierende, Tendenz zu einer geringeren Immobilitätsrate (Schepputat et al. 2019) und einer geringeren Dekubitusinzidenz. Die Rückmeldungen der Mitarbeitenden fokussieren insbesondere das Setting. Sie sprechen dem Mobility Monitor insgesamt ein hohes Potenzial zu, aus ihrer Sicht aber eher bei Patientinnen und Patienten auf Normalstationen. Dies begründen sie mit dem auf Intensivstationen sehr viel längeren direkten Patientenkontakt, wodurch aus ihrer Sicht eine umfassende Beobachtung des Bewegungsverhaltens von Patientinnen und Patienten ohnehin gegeben ist. Darüber hinaus konnten erste Anregungen zur Weiterentwicklung der Technik herausgearbeitet werden, wie z. B. die Reduktion als störend empfundener Kabel (Hempler et al. 2019).
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