Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich war ein gelernter Schwimmer, ein begabter Läufer und fuhr seit einigen Jahren regelmäßig mit meinem Rennrad – in meinem Pausenjahr sogar sehr umfangreich –, so fühlte ich mich stark genug, um an Triathlons teilzunehmen. Zu meiner bereits hohen Trainingsintensität gesellte sich die Wettkampfintensität. Ich unterschätzte die Belastungen. Ich trainierte nicht weitsichtig und aufbauend wie ein Leistungssportler, sondern versuchte, meine Leistungen durch kurze, intensive Reize so hoch wie möglich zu schrauben. Mein Wille gierte nach Wettkampfsport, er war wieder einmal der Chef über meine körperlichen Erschöpfungssignale. Den Herausforderungen einer zweistündigen Wettkampfbelastung war ich körperlich schlicht nicht gewachsen. Die Regeneration nach meinen Wettkämpfen, auch wenn ich im Frühjahr 2011 an nur drei Triathlons teilnahm, dauerte sehr lange. Mehr als eine Woche lang fühlte ich mich nach der zweistündigen Wettkampfbelastung als Sportinvalide, leer, müde, verkatert, meine Gelenke schmerzten und meine Lungen brannten, der Körper musste auf Hochtouren arbeiten, um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die Wettkämpfe fühlten sich wie Stiche ins Herz an .
110 Prozent all out .
Erstmals beschlich mich das Gefühl, dass ich mich über meiner körperlichen Grenze bewegte, dass mein Körper meinem Willen nicht nachkam. Hinzu kam, dass ich mit meiner Leistung nicht zufrieden war, ich war zwar meist einer der schnellsten Schwimmer, auch ein guter Radfahrer, jedoch reichte meine läuferische Leistung nicht aus, um mich im Vorderfeld zu platzieren. Während der letzten 30 Minuten litt ich körperlich und war nach dem Wettkampf nicht erfüllt, sondern nur müde und deprimiert. Ich benötigte drei Triathlons, um festzustellen, dass ich mir damit nichts Gutes tat. Danach beschloss ich, das Kapitel Wettkampfsport für mich endgültig zu schließen. Kurz vor dem Kollaps atmete mein Körper auf.
Jedoch nicht lange. Auch das im Leistungszentrum ansässige Sportinstitut der Universität Salzburg musste ein Jahr lang mit seinem Lehrangebot pausieren. Wir entschieden, die Lehrveranstaltungen daher nach der Wiedereröffnung der Schwimmhalle noch vor Semesterbeginn des folgenden Jahres zu blocken. Das hatte zur Folge, dass ich zwei Semester lang keine Lehraufträge durchführen konnte, somit auch keine zusätzlichen Wochenstunden in der Schwimmhalle stand, dafür aber zwei Wochen im September vor Semesterbeginn des Studienjahres 2011/12 sämtliche Stunden der abgelaufenen zwei Semester nachholen musste. Mein „Pausenjahr“ ging abrupt zu Ende, und ich begann die neue Saison mit einem bis dahin noch nicht gekannten zweiwöchigen Intensivblock in der Schwimmhalle. Ich arbeitete in diesem Zeitraum täglich zwölf Stunden in der Halle und musste in dieser Zeit durchgehend sprechen. Laut, druckvoll und nach einem Jahr Pause wieder mit Schmerzen. Nach nur zwei Wochen war ich nicht nur körperlich müde vom umfangreichen Training und den eigenen Wettkämpfen der letzten Monate sowie dem intensiven Arbeitsblock, sondern bereits ausgebrannt. Vor Beginn der neuen Saison.
In den nächsten Monaten stand ich zwar nicht mehr zwölf Stunden in der Schwimmhalle, aber es fühlte sich genauso an. Ich war lustlos, punktuell deprimiert und suchte nach einer Änderung. Mein eigener Sport degradierte wieder zum Lückenfüller, die Pausen zwischen den beiden Trainingseinheiten nutzte ich aber weiterhin, um mich zu bewegen. Die Intensität aus dem vergangenen Jahr behielt ich aufrecht. Im Vergleich zu den Vorjahren veränderte sich mein Bewegen noch mehr von einem freudvollen, langsamen Genießen hin zu einer intensiven kurzen Belastung. Meine hohe Leistungsfähigkeit blieb dadurch erhalten, der Stresspegel jedoch auch.
Tagespause gab es keine .
Die Veränderung kam, unverhofft und anders als erwartet. Im Jänner des Jahres 2012 wurde der gesamte aktuelle Salzburger Schwimmverband vom nationalen Verband ausgeschlossen. Ein Paukenschlag. Auf einmal wurde ein neuer regionaler Verband gesucht, ebenso ein neuer Schwimmsportverantwortlicher. Ohne zu zögern ergriff ich die Möglichkeit, unser Team gründete einen neuen Verband, der auch von den Institutionen anerkannt wurde, ich selbst wurde Präsident des nun neuen Salzburger Schwimmverbandes. Nun hatte ich nicht nur die sportliche Verantwortung über den heimischen Schwimmsport inne, sondern auch die funktionelle. Ich wollte es so. Ab sofort intensivierten sich die Streitigkeiten. Der Verbandsausschluss wurde nicht hingenommen, Verbandstage, Schiedsgerichte, ordentliche Gerichte sowie Anzeigen, Intrigen und persönliche Verleumdungen als auch die ständige sportliche und existenzielle Unsicherheit und die fehlende Planungssicherheit ob der juristischen Bedrohungen machten mich Schritt für Schritt mürbe.
Die Schmerzen im Mund verschwanden nicht, im Gegenteil: Sie waren nun auch in den Sprachpausen mein treuer Begleiter. Ich konzentrierte mich auf die Auswirkung meiner Schmerzen, jedoch nicht auf ihren Grund. Den ständigen Überlastungen meines Sprachorgans begegnete ich mit Ignoranz, Durchhalteparolen und Kompensation. Mundspülungen, betäubende und beruhigende Tees, Schüßler Salze oder andere homöopathische Hilfsmittel konnten meine Schmerzen zwar kurzfristig verbessern, jedoch nicht dauerhaft auslöschen. Ausufernde Mundhygiene, die dazu führte, dass ich mir fünf- bis sechsmal am Tag die Zähne putzte, die Vermeidung von Nahrungsmitteln, die meine entzündete Schleimhaut im Mund zusätzlich reizten, sollten das Problem der dauerhaften Schmerzen verbessern; jede Therapie war aber nur als Schmerzunterdrückung gedacht.
Weitermachen, immer weitermachen .
Irgendwann kommt die Erlösung .
Noch nie war ich mit einem so hartnäckigen Gegner konfrontiert wie mit meinen Schmerzen. Da wurden selbst die Funktionärsstreitigkeiten zur Nebensache.
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