Natalie Winter - Im Schatten der Sümpfe

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Kaja Lenoire war schon immer eine Einzelgängerin und hat nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Als ihre Chefin sie gemeinsam mit dem «Neuen» nach Louisiana schickt, um dort den Mord an einem älteren Ehepaar zu untersuchen, ist die Pantherwandlerin nicht gerade begeistert.
Seth Ives ahnt, dass sein erster Fall als Shifter Cop nicht leicht sein wird, muss er doch zeigen, dass in ihm mehr steckt als ein gewöhnlicher Gestaltwandler. Nicht nur die Aufklärung des brutalen Doppelmords ist eine Herausforderung, sondern auch die Teamarbeit mit seiner neuen Partnerin.

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Im Schatten der Sümpfe

Shifter Cops, ein kurzes Abenteuer

von Natalie Winter

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Kapitel 2 Kapitel 3 Kapitel 4 Kapitel 5 Kapitel 6 - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Impressum

Weiterlesen

1. Kapitel

Saint-Domingue, 14. August 1791, im Bois Caïman

Der offizielle Teil der Zeremonie war beendet. Es war lange nach Mitternacht, und immer noch brannten die Feuer und erfüllten die Luft mit dem herben Geruch des schwelenden Holzes. Es war riskant gewesen, die Feuer brennen und die Trommeln ertönen zu lassen, aber Boukman hatte ihren Einwand mit einem Lachen abgetan. »Sollen sie doch sehen, dass wir ihren Gesetzen nicht mehr gehorchen«, hatte er gesagt. »Erst brennen die Feuer im Krokodilwald. Und schon bald werden auch ihre Plantagen brennen. Lass sie das Feuer riechen und sich in ihren herrschaftlichen Häusern vor Angst zitternd verstecken. Wir werden sie und ihren blassen Gott aus unserem Land vertreiben.« Er sprach oft in diesem düster-aggressiven Tonfall. Sogar dann, wenn sie allein miteinander waren, ohne seine Anhänger, die jedes Wort von seinen Lippen tranken wie Wein. Selbst ihr, die ihn besser kannte als jeder andere, fiel es oft schwer, sich seinem charismatischen Wesen zu entziehen. Er glaubte nicht nur an seine Worte, sondern war auch bereit, sein Leben zu opfern für die Freiheit der Sklaven.

Die vollmundigen Versprechungen der Französischen Revolution hatten begonnen, sich auf der Insel auszubreiten. Boukman hatte ihr und den anderen oft genug von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit erzählt, aber bislang nahmen allein die weißen Herren diese Rechte in Anspruch. Sie spielten mit dem Gedanken, sich vom französischen Mutterland loszusagen und ihre Version von Freiheit zu leben. Dass diese Unabhängigkeit sich vor allem um den Handel mit anderen Ländern als La France drehte, störte Boukman nicht. Oft fragte sie sich, woher er dieses Wissen nahm, aber trotz ihrer wachsenden Vertrautheit war es ihr nicht gelungen, ihm dieses Geheimnis zu entlocken. Es spielte auch keine Rolle. Sobald er den Mund öffnete, um zu ihnen zu sprechen, vergaß sie alles andere. Was Boukman unweigerlich in Rage versetzte, war die Tatsache, dass die Parolen der Umstürzler allein für die Weißen galten. Freiheit und Gleichheit für Sklaven? »Wir wollen es mal nicht übertreiben«, hatte sie im Vorbeigehen einen der verhassten Plantagenbesitzer sagen hören.

Der süßlich-klebrige Geruch des Blutes legte sich wie Flaum auf ihre Zunge. Nach Boukmans aufpeitschender Rede hatten sie das Voodoo-Ritual durchgeführt. Sie selbst hatte als Mambo dem schwarzen Schwein mit dem Messer die Kehle durchgeschnitten. Boukman hatte einen kleinen Teil des herausspritzenden Blutes in einer Schüssel aufgefangen. Den Augenblick, in dem er die Opferschale an den Mund führte und trank, würde sie nie vergessen. Sie und alle anderen Sklaven, die sich heimlich auf der Lichtung im Bois Caïman, dem Krokodilwald, versammelt hatten, wussten jetzt, dass sie es schaffen würden. Ihre Revolution würde erfolgreich sein. Die Plantagen würden dem Erdboden gleichgemacht, und die weißen Ausbeuter würden verängstigt in ihre Heimat fliehen – wenn sie Glück hatten. Wenn nicht … Cécile dachte an Maman Brigitte und an das, was sie und Boukman ohne das Wissen der anderen nun in Angriff nahmen.

Ohne den Beistand ihrer persönlichen Schutzherrin, dessen war sie sicher, hätte sie schon längst die Flucht ergriffen. Sie war Voodoopriesterin mit Leib und Seele, aber nicht alle Geistwesen ihrer Religion waren den Menschen so wohlgesonnen wie Maman Brigitte. Heute war es der unberechenbare Congo Savanne, mit dem sie und ihr Gefährte einen Handel schließen wollten.

Als endlich der letzte Mann und die letzte Frau im Gehölz verschwunden waren, gab es nur noch sie und Boukman. Und den Mann, der etwa fünfhundert Meter hinter ihnen gefesselt und geknebelt wartete. Bei dem Gedanken an das, was ihr Gefährte von ihr verlangte, zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen.

Insgeheim hoffte sie immer noch, die Loa würden Boukmans Ansinnen ablehnen, aber wenn Congo Savanne im Spiel war, dann wurde die Anrufung zu einer riskanten Angelegenheit. Congo Savanne war eines der wildesten Geistwesen im Voodoo, und Cécile hatte bisher immer darauf verzichtet, ihn um etwas zu bitten. Heute jedoch musste sie das Risiko auf sich nehmen.

Boukman nahm ihre Hand, als sie sich gemeinsam einen Weg durch das Gestrüpp bahnten. Wie immer spürte er, was in ihr vorging, und presste kurz ihre Finger in seiner kräftigen Hand zusammen. Das Humpeln nahm ihm nichts von seiner Beweglichkeit, und auch nicht von seiner Würde, eher das Gegenteil war der Fall. Der hochgewachsene Mann mit der tiefschwarzen Haut, die im Vollmond einen violetten Schimmer annahm, war der schönste Mensch, den sie je gesehen hatte. Sein von Narben zerfurchtes Gesicht strahlte von innerer Stärke, und wenn die Wut auf die weißen Plantagenbesitzer von ihm Besitz ergriff, wagte es niemand, sich ihm in den Weg zu stellen. Er war der Krieger und der Prophet, auf den sie, die Sklaven der Insel, schon so lange gewartet hatten. Sein ehrgeiziger Plan war, den ersten Staat zu gründen, der von ehemaligen Sklaven regiert wurde. Um sein Ziel zu erreichen, würde er alles tun, sogar einen Pakt mit dem einzigen Geistwesen schließen, das Geschmack an menschlichem Fleisch fand.

Die noblen Ziele machten sein Vorhaben nicht einfacher. Heute Nacht würden er und sie das Undenkbare tun. »Was wiegt sein Leben gegen das von Hunderttausenden?«, fragte er in ihre Gedanken hinein. Und wie stets gab sie ihm recht. Es war kein Mord, sagte sie sich, sondern ein notwendiges Opfer. Maman Brigitte, steh mir bei! , betete sie trotzdem stumm. Die rothaarige Maman Brigitte war die Hüterin der Friedhöfe und der Toten. Wenn sie der Opferung des Mannes durch ihre Anwesenheit ihren Segen gab, würde vielleicht doch noch alles gut gehen.

Jetzt konnte Cécile bereits das leise Wimmern des Mannes hören. Innerlich wappnete sie sich gegen den Moment, in dem sie den Loa in ihn hineinlockte. Boukman und sie hatten das Gefäß sorgfältig unter vielen Kandidaten ausgewählt, bevor sie sich für ihn entschieden hatten. Er konnte es durchaus mit Boukmans beeindruckender Größe aufnehmen, und ihm eilte der Ruf voraus, besonders brutal und rücksichtslos zu sein. Cécile tröstete sich mit dem Gedanken, dass Boukman und sie keinen Unschuldigen ausgesucht hatten, um die Befreiung der Sklaven voranzubringen.

Das Wimmern verstummte, als Cécile und ihr Begleiter vor dem hilflosen Schwarzen standen. Boukman zerrte ihn mit einer Leichtigkeit auf die Füße, die das ganze Ausmaß seiner Kraft verriet. Er schubste den Mann zu Cécile, die ihn auffing und einen Augenblick lang seinen Geruch nach feuchter Erde einatmete. Dieser vertraute Duft, mit dem Maman Brigitte ihre Gegenwart ankündigte, überzeugte sie mehr als alles andere, dass Boukmans Plan aufgehen würde. Céciles rasender Herzschlag beruhigte sich ein wenig.

Cécile genoss die Wärme, die vom Körper ihres Opfers ausging. Er hatte jeden Widerstand aufgegeben, als er Boukman erkannte, und hielt sich nur mit Mühe aufrecht. Trommeln und Feuer würde es für ihn nicht geben. Niemand außer ihnen und den Loa sollte wissen, was sie erschufen, deshalb war es zu riskant, ein Feuer zu entzünden.

Neben ihr murmelte Boukman die traditionelle Beschwörungsformel, um Congo Savanne herbeizurufen. Sein Singsang, der zuerst kaum mehr als ein Flüstern war, steigerte sich, bis die Silben der einzelnen Worte kaum noch auseinanderzuhalten waren. Ihr Geist und ihr Herz schrien, dass sie weglaufen, sich in Sicherheit bringen sollte, aber als Voodoopriesterin hatte Cécile Fatiman gelernt, wie man Körper und Geist beruhigte. Sie atmete in tiefen, regelmäßigen Zügen und zwang sich, an Ort und Stelle zu bleiben. Selbst als Boukmans Körper wie von epileptischen Anfällen geschüttelt wurde und sich seine Haut geisterhaft weiß verfärbte, verbannte sie die panische Angst in den hintersten Teil ihres Gehirns. Sie spürte, wie der Loa sich ihnen näherte, aber noch zögerte. »Komm zu uns, Congo Savanne«, sagte sie so gelassen, wie es ihr möglich war, und schnitt die Fesseln ihres Gefangenen durch. Seine dunklen Pupillen rollten im Weiß seiner Augen hektisch hin und her, als er sich von ihr losriss. Sie tat so, als wolle sie ihm folgen, und beobachtete zufrieden, wie er auf unsicheren Beinen durch das Gebüsch stolperte. Als er endlich außer Sichtweite war, atmete sie auf.

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