Und der Jüngling sah sie und eilte hin und umschlang ihre schönen Glieder mit seinen starken Armen und küsste sie. „Ich liebe Dich“ sagte er mit der Stimme des Bergwassers.
„Ich weiss es“, lächelte sie; „Alle lieben mich“. Und ihr Lächeln leuchtete, wie das Abendsonnenrot auf weissen Berggipfeln.
Ihre Worte, klangen wie Abendglocken im Thale.
„Oh“ sagte er, „Du bist schön, schöner als die Blumen der Erde und die Gestirne am Himmel.“
„Ich weiss es“ antwortete sie, „die Quelle hat es mir gesagt.“
„Und ich liebe Dich, stark und gewaltig, wie das Meer seine Felsen liebt.
Und ich will Dich lieben wie die Sonne das Meer liebt.
Ich will untertauchen in der Flut deiner duftenden Haare.“
„Ich verstehe Dich nicht,“ sagte das Mondfräulein.
„Ich will Dich lieben, wie die Blumen die Erde lieben.
Ich will trinken von dem Safte Deines Körpers.
Ich will Dich lieben, wie die Sterne den Himmel lieben.
Rot und glühend.“
„Ich verstehe Dich nicht,“ sagte wieder das Mondfräulein.
Da beugte er sich nieder zu ihrem Munde und küsste sie.
Doch sie erwiederte seinen Kuss nicht. Aber der Athem ihres Körpers floss durch seine Sinne wie das Feuer durch die Adern der Erde und trieb ihn von dannen. Und er eilte und eilte, bis er erschöpft in seiner Hütte zusammenbrach. —
Und er ward trauriger als je zuvor, seine Wangen wurden bleicher, seine Lippen brannten und seine Augen lagen tief im Schatten.
Und die frauen prophezeiten ihm den Tod. —
Das Mondfräulein aber lag wieder unter deni Baume, wo der Auerhahn balzte, und horchte.
Denn wieder war es, jene Zeit . . .
Und eines Nachts zog der junge Jäger wieder tief in den Wald auf die Jagd. In den Büschen legte er sich zur Erde und lockte die Weibchen, indem er den, Ruf des Auerhahns nachahmte.
Und sein Lockruf klang tief und stark. Seitwärts aber kauerte das Mondfräulein und horchte auf das Balzen.
Und wieder tobte ihr Blut und brannte ihre Haut . . .
Und wieder lockte der Jäger, eindringlich und tief . . .
Und da fühlte er sich plötzlich von starken Armen umfasst, heisse Lippen hingen an seinem Munde, eine Flut waldduftender Haare floss über seinen Augen zusammen, weiche Glieder klammerten sich an seine. Muskeln, und seine Brust athmete die wilde Brunst des Waldfräuleins. — — Und der Jäger nahm sie in seine Arme und trug sie in seine Hütte. —
Da sass sie tagsüber und starrte in die goldene Sonne und erzählte dem Jäger klingende, duftende Märchen von den roten Blumen, die in den Sternen blühen, von den blauen Wäldern, die im Monde rauschen und den Nymphen des Meeres, die in Muscheln leben und nächtlich auf Felsen sitzen und um Liebe werben. —
Wenn aber die Nacht kam mit ihren weissen Flügeln, dann lockte der Jäger wie der Hahn des Waldes, und ihr Körper schmiegte sich an seine Glieder.
Und lange lebten sie so in der Hütte. Die Menschen aber mieden das Haus der Liebe, denn sie sagten, der böse Geist hause darin.
Und der Jüngling ward schwach und blass, denn die Liebe des Mondfräuleins war wild und unbändig.
Und eines Morgens lag er tot, mit blauen Lippen in seiner Hütte.
Die Frauen sagten, das Mondfräulein habe sein Blut getrunken.
Die aber war verschwunden.
Später fand man sie hoch droben in den Bergen, in einem Abgrund, mit zerschmetterten Gliedern. In den Haaren aber stack ihr eine Auerhahnfeder, die der Jäger auf seinem Hute getragen. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen aber feucht und geöffnet, mit einem Lächeln in den Winkeln — —
Und als die Leute in die Hütte des Toten drangen, da sass an seinen Bette ein kleines Mädchen mit grossen blauen Augen, bekränzt von langen zitternden Wimpern. Und ihr kleines, weisses Haupt mit den schmalen Lippen beugte sich unter der schweren Krone ihrer nachtschwarzen flechten — — —
Das
Märchen vom Findling.
Das kleine Mädchen, das die Menschen einst am Totenbette des sehnsüchtigen Jägers aufgefunden, wuchs und wuchs und ward eine herrliche Jungfrau, mit der Liebe im Herzen und der Sehnsucht in den Augen.
Denn sie hatte die Erbschaft der toten Eltern angetreten.
Die Menschen aber wollten den stolzen Findling nicht leiden, und die Jungfrau verstand die Dorfbewohner nicht. Denn sie sprach eine fremde Sprache, die sie in stillen Nächten den Schwänen des Sees und den schlankgliedrigen Cypressen abgelauscht, und sie mied auch die Wohnstätten der Menschen.
Hoch in den Bergen war sie zu finden.
Da sass sie auf eisumstarrtem Gipfel, umflattert von langflügligen Adlern, über sich das Diadem des Abendsterns, eingehüllt in langfliessende, bleiche Linnen, die weissen Hände im Schosse gefaltet, und richtete den stolzen Blick hinunter auf die mondlichtbegossenen Wälder und Wiesen, auf die nachtbeschatteten Seen mit den schlafenden Wellen, und auf die fernen grauen Burgen mit elfenbeinbleichen Zinnen.
Und sie streckte die Arme nach dem sternbesäten Himmel aus uud sprach leise den Namen der toten Mutter.
Und der war — Liebe.
Stieg sie aber hinunter zu den Menschen, so ruhten stets wie schwere Flügel die Wimpern über ihren Augen. Selten hob sie dieselben, und dann war es, wenn ein Jüngling sie ansah mit schöner Seele und reiner Stirne.
Und ihre Augensterne waren wie geschliffene Edelsteine. Um die Ruhe des Jünglings aber war es geschehen. Die Sehnsucht zog in sein Herz, die grosse, wilde Sehnsucht, sie zu besitzen. Doch sie war stolz, ihr Auge tief und strenge, und alle, die ihr eigen waren, beugten sich vor ihren Augen.
Und sie gingen hin zu all ihren Brüdern und Schwestern und verkündeten von ihr — der Schönheit.
Manchmal auch sprach sie mit denen, die sie liebte.
Und sie erzählte ihnen von einem grossen Reiche, in dem sie Königin sei und wohin sie bald zurückkehren werde. Dort wohne sie in einem grossen bleichen Schlosse mit himmelhohen Wäldern, mit smaragdgrünen Seen und silberweissen Schwänen, marmornen Brunnen und singenden Quellen.
Und sie trage eine Krone aus den Sternen des Himmels und den Mond als Demant im Haare.
Rings um ihr Reich aber liege das Meer, das grosse, tiefe Meer, d’rin spiegelten sich rote Sonnen, und d’rin schaukelten blaue Wellen, und das rausche und singe zu der ewigen Musik der Sphären.
„Aber warum“ frug ein Jüngling, „willst Du nicht bei uns bleiben und unsere Königin sein?“
„Weil ihr das Leben seid“ flüsterte sie, „und mein Reich — der Tod ist.“ —
Und eines Tages war sie verschwunden. Und alle, die sie liebten, machten sich auf und zogen hinaus in die Welt, sie zu suchen und König zu werden in ihrem Reiche.
Und sie zogen durch die ganze Erde und suchten und suchten, im Eis des Nordens und in der Glut des Südens, über wilde Meere fuhren sie und tiefe Abgründe überstiegen sie, und immer noch ziehen sie umher und suchen das Reich ihrer Königin.
Und das sind die Zigeuner der Sehnsucht, die nicht ruhen können noch rasten und immer suchen müssen, immer, immer, die entschwundene Schönheit.
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