Sie hatte beschlossen, dass sie definitiv eine Karriere im Fashionbereich anstreben würde. Ihr Stolz ließ es einfach nicht zu, dass sie den Schwanz einzog nach allem, was geschehen war. Doch der einzig mögliche Weg, dies zu erreichen, bestand momentan darin, sich einen Job im Verkauf zu suchen. Also hatte sie die vergangene Woche damit verbracht, sich für jede offene Stelle zu bewerben, die sie hatte finden können, und im Apartment Trübsal zu blasen.
Sie hatte nicht viel, aber sie hatte ein wenig Geld gespart, denn sie hatte kaum persönliche Ausgaben gehabt, während sie zu Hause gelebt hatte. Also hatte sie darauf bestanden, Josh etwas Geld für die Miete zu geben und frische Lebensmittel zu kaufen. Sie war so gewissenhaft gewesen, die zwei Weinflaschen zu ersetzen, die sie während ihrer zwei Mini-Zusammenbrüche geleert hatte.
Sie glaubte, dass sie eine Weile klarkommen würde, solange sie aufhörte, zu shoppen, so unwahrscheinlich das auch klang, und ihr Geld weise ausgab. Doch für ein Designstudium hatte sie nicht genügend Ersparnisse und das Ziel wäre unmöglich zu erreichen, wenn sie keinen Job fand.
Mary war gestern von ihrer Reise nach Hause gekommen und stinksauer, dass Serena sie nicht sofort angerufen hatte. Sie hatte es sich zu ihrer Lebensmission gemacht, Serena aufzumuntern. Zumindest in dieser Woche.
Gestern Abend war sie vorbeigekommen und sie hatten Chick Flicks angeschaut, gefolgt von schlechten Actionfilmen, während sie Popcorn, Eiscreme und viel zu viele Snacks gegessen hatten, bis sie auf dem Sofa eingeschlafen waren.
Mary hatte sie vor kurzem angerufen, um ihr mitzuteilen, dass sie sich anziehen sollte. „Wir gehen tanzen!“, hatte sie aus irgendeinem Grund triumphierend gerufen und sich schlichtweg geweigert, ein Nein als Antwort zu akzeptieren.
„Du bist jetzt lang genug in diesem Apartment gehockt und hast darauf gewartet, dass dir das Leben passiert. Heute Abend werden wir dafür sorgen, dass es passiert. Heute Abend wird dein Leben daraus bestehen, zu viele Cocktails zu trinken, zu rockiger Musik mit deinem Knackarsch zu wackeln und hoffentlich ein paar schlechte Entscheidungen zu treffen, die wir morgen Früh bereuen können!“ Marys Enthusiasmus hatte sie nicht widerstehen können, weshalb sie zugestimmt hatte.
Sie war kein großer Freund von Clubs und sie besuchte sie definitiv nicht oft, aber Mary hatte recht. Sie brauchte das, musste dieses Tief hinter sich lassen.
Außerdem waren ihr nach ihrer Selbstmitleidsorgie mit Mary gestern Abend die Snacks ausgegangen und sie hatte so viel Zucker konsumiert, dass es mehrere Leben reichen würde. Eine Wiederholung des Ganzen klang daher nicht gerade verlockend. Zudem wusste sie, dass Mary einfach herkommen und sie buchstäblich aus dem Apartment schleifen würde, wenn sie nicht in dem Club auftauchen und sich mit Mary und ihren Freundinnen treffen würde. Also schnappte sie sich, nach einem letzten Blick in den Spiegel, ihre Handtasche und winkte ein Taxi herbei, das sie zum Club fahren sollte.
Sie entdeckte Mary und zwei ihrer Freundinnen, die in der Schlange darauf warteten, eingelassen zu werden. Sie war Marys Collegefreundinnen schon ein oder zwei Mal zuvor begegnet und sie hatten ganz nett gewirkt. Der Lärm, der aus dem Inneren des Clubs dröhnte, war jedoch ohrenbetäubend. Sie fragte sich, ob sie dort drinnen Ohrstöpsel verkauften…
„Ich liebe diesen Song! Liebst du diesen Song nicht auch?“, rief Mary und begann, direkt dort auf dem Gehweg einen kleinen Tanz aufzuführen.
„Ähm, wer singt den nochmal?“ Sie wählte die sichere Option; sie war sich ziemlich sicher, dass sie den Song noch nie zuvor gehört hatte, und nach dem zu urteilen, was sie gerade hören konnte, liebte sie ihn nicht.
Alle drei Mädchen starrten sie an, als wären ihr plötzlich Hörner gewachsen. Sie überlegte, ob sie sich heimlich über ihre Stirn reiben sollte, um das zu überprüfen, bevor sie fast wie aus einem Mund „Misery, Mann!“ brüllten.
„Klar, natürlich.“ Sie hatte immer noch keine Ahnung, von wem sie redeten. Sie dachte, dass sie den Namen vielleicht schon mal im Radio gehört hatte, aber diese Art von Musik war definitiv nichts, das sie im Haus ihrer Eltern angehört hatte.
Klassische Musik, ja. Zu seltenen Gelegenheiten, Pop. Aber Rock? Falls es das überhaupt war, absolut nicht.
Sie plauderten ein bisschen miteinander, bis die Blonde – Ashley, glaubte sie – „da ist er“ kreischte und sie ans vordere Ende der Schlange zerrte. Ein neuer Türsteher hatte an der Tür Stellung bezogen und schien Ashley zu kennen, denn er zog das Seil für sie aus dem Weg, als sie näher kamen, und scheuchte sie hindurch.
„Ihr Bruder ist hier Barkeeper!“, brüllte Mary über ihre Schulter Serena zu, als sie in den dunklen Club traten. Ihre Stimme wurde beinahe vollständig von der ohrenbetäubenden Musik verschluckt.
„Sie muss ihn gebeten haben, den Türsteher zu bitten, uns reinzulassen!“, schrie sie, während sie die Hände über den Kopf in die Luft streckte und anfing, zur Bar zu tänzeln.
Sie waren erst wenige Minuten hier, aber Serena hoffte wirklich, dass sie irgendwo im Club Ohrstöpsel würde kaufen können. Andererseits war sie sich ziemlich sicher, dass sie schon bald taub sein würde, und dann würde es ohnehin keine Rolle mehr spielen.
Ashley war bereits an der Bar und besorgte jeder von ihnen ein Bier, bevor sie sie auf die überfüllte Tanzfläche schleifte. Zuerst fühlte sich Serena etwas gehemmt, doch sie verlor sich schon bald in der Musik und elektrischen Atmosphäre und begann tatsächlich, Spaß zu haben. Sie schloss die Augen und erlaubte ihrem Körper, sich so zu bewegen, wie er wollte, wobei ihre langen dunklen Haare über ihren Rücken schwangen.
Die Zeit verlangsamte sich für sie, wurde in Bieren gemessen. Sie trank langsamer als die anderen Mädchen, dennoch fühlte es sich an, als wären nur Sekunden vergangen, als sie die Augen aufriss, weil Ashley ihr das dritte Bier aus der Hand nahm, einen wilden Blick in den Augen.
„Leute!“ Sie konnte Ashley kaum über die Musik hören, aber es gelang ihr mehr oder weniger, zu verstehen, was sie sagte, während sie ein Stück Papier mit einer Adresse in ihrer Hand von sich streckte. „Wir wurden zu einer verdammten Mystery Party eingeladen!“ Die anderen Mädchen sahen aus, als würden sie gleich in Ohnmacht fallen.
Serena hatte keinen blassen Schimmer, was eine „Mystery Party“ war, aber sie folgte ihnen trotzdem aus dem Club. Auf keinen Fall würde sie ganz allein dort drin zurückbleiben.
Ihre Ohren klingelten, als sie aus dem Club und auf den Gehweg traten, und sie war sich ziemlich sicher, dass sie einen leichten Hörschaden davongetragen hatte. Sie vermutete, dass sie sich wahrscheinlich damit abfinden sollte, dass sie nie zu klingeln aufhören würden, so wie es sich anfühlte.
„Was ist eine Mystery Party?“, fragte sie Mary mit, wie sie hoffte, leiser Stimme.
Mary kannte ihre Eltern und wusste, wie sehr sie stets auf sie aufgepasst hatten, weshalb sie hoffte, dass Mary sie nicht für ihr Unwissen verurteilen würde. Sie machte sich Sorgen, was die anderen Mädchen denken könnten, da sie sie nicht so gut kannten. Doch die waren so sehr beschäftigt damit, zu feiern, dass sie bezweifelte, dass sie ihre Frage gehört hatten, auch wenn ihre Stimme nicht so leise gewesen war, wie sie es beabsichtigt hatte.
„Keine Mystery Party, eine Misery Party! Wie die Band, Misery? Die, von der wir vorhin geredet haben? Die, zu deren Songs wir drinnen getanzt haben? Im Moment die größte Rockband auf dem Planten? Klingelt da irgendwas?“
Das tat es nicht, aber das würde sie Mary nicht verraten.
Sie glaubte, Mary würde verstehen, dass sie nicht wusste, was eine Mystery Party war, aber sie bezweifelte, dass Mary Verständnis dafür hätte, Misery nicht zu kennen oder den Grund, warum sie zu deren Party gingen. „Oh, wow! Klasse!“, rief sie in der Hoffnung, dass das die angemessene Reaktion war. Sie stieg in das Taxi, das Ashley hergewinkt hatte.
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